Hamburg. Grüne Bunker, Wolkenkratzer, Luxusbüros oder riesige Wohnquartiere – in Hamburg wird groß gedacht. Doch wird alles wirklich gebaut?
Manches klingt nach Wolkenkuckucksheim, anderes ist weniger spektakulär, aber umso größer – Großprojekte gibt es reichlich in diesen Tagen in Hamburg. Das Abendblatt gibt einen Überblick über die wichtigsten Vorhaben und ihre Realisierungschancen.
Grüner Bunker
Worum geht es? Um die spektakuläre Bebauung und vor allen Dingen Begrünung des Flakbunkers an der Feldstraße auf St. Pauli. Ein pyramidenartiger Aufbau und eine fast schon dschungelartigen Bepflanzung sind geplant. Hier soll ein öffentlicher Park entstehen. Zudem plant der Investor und Eigentümer Thomas Matzen auch zahlreiche Investitionen in das Gebäude selbst. Die Baugenehmigung wurde bereits im Frühjahr 2017 erteilt – dann passierte lange nichts. In diesem Jahr haben die ersten Baumaßnahmen dann begonnen.
Wie hoch sind die Kosten? 30 Millionen Euro. Was ist das Problem? Anfangs gab es Kritik von Anwohnern, die eine „Eventisierung“ und fortschreitende Gentrifizierung des Viertels fürchteten. Die kritischen Stimmen wurde aber zunehmend leiser, auch, weil über das Beteiligungsprojekt „Hilldegarden“ die Nachbarschaft mitgestalten konnte. Der große Knall kam dann im Sommer 2017, als sich der Investor und das bis dahin zuständige Planungsbüro Interpol zerstritten. Der Fall landete vor Gericht – am Ende gab es einen Vergleich. Der besagt unter anderem, dass sich der Investor in der Umsetzung eins zu eins an die eingereichten Pläne halten muss. Viel Spielraum bleibt nun also nicht.
Die Abendblatt-Prognose: Die Baugenehmigung wurde erteilt, ein neues Planungsbüro wurde gefunden und die ersten Arbeiten haben begonnen – dass es nun doch noch eine Kehrtwende gibt, ist nahezu ausgeschlossen. Wahrscheinlichkeit daher: 90 Prozent.
Elbdome
Worum geht es? Im Osten der HafenCity, gegenüber dem Elbtower an den S- und U-Bahn-Stationen Elbbrücken soll im dann zugeschütteten Becken des Billehafens der Elbdome entstehen, eine Mehrzweckhalle für 7000 bis 8000 Zuschauer; Spielstätte für Basketballer (Hamburg Towers) und Handballer (HSV Hamburg) nach einem möglichen Bundesliga-Aufstieg, zudem Veranstaltungszentrum für Konzerte und weitere Events. Tomislav Karajica, Hauptgesellschafter der Towers, will das Projekt mit seiner Firma Home United privatwirtschaftlich realisieren. Neben der Arena sind ein Hotel und ein Bürogebäude geplant, auch der Bau von Trainingshallen für den Schul- und Breitensport sowie Außensportflächen sind angedacht.
Wie hoch sind die Kosten? Rund 150 Millionen Euro. Was ist das Problem? Es gibt Diskussionen, ob der prominente Standort am Einfallstor der Stadt der geeignete für eine Mehrzweckhalle ist. Oberbaudirektor Franz-Josef Höing sorgt sich um vertikale Sichtachsen. Im benachbarten Stadtteil Rothenburgsort werden zusätzliches Verkehrsaufkommen und Gentrifizierung befürchtet. Umweltschützer hegen Bedenken wegen der Zuschüttung eines Teils des Billehafens.
Die Abendblatt-Prognose: Hamburg braucht eine Arena dieser Größe für Sport, Kultur, Konzerte und Events. Der Investor ist solvent und auch sozial engagiert. In den Regierungsparteien SPD und Grünen gibt es zahlreiche Befürworter und Unterstützer des Projekts, aber auch Bedenkenträger. Chancen: 75 Prozent.
Der Elbtower
Worum geht es? Im Osten der HafenCity unmittelbar am S-Bahnhof Elbbrücken will die Signa Holding des österreichischen Investors René Benko den Elbtower bauen, mit einer Höhe von 244,8 Meter wäre er das dritthöchste Gebäude der Bundesrepublik. Der Entwurf kommt aus dem Architekturbüro des britischen Architekten David Chipperfield. In 200 Meter Höhe soll ein Restaurant entstehen, ansonsten sind Büros geplant - Wohnungsbau ist durch die Emissionsprobleme ausgeschlossen.
Wie hoch sind die Kosten? 700 Millionen Euro. Was ist das Problem? Kritiker fürchten, dass das neue Hochhaus nicht in die Hamburger Bautradition passen wird. Zudem gibt es nach den astronomisch gestiegenen Kosten der Elbphilharmonie Sorgen, dass eine Bauruine entstehen könnte, falls sich der Investor übernehmen sollte. Die Befürworter verweisen auf Garantie des Investors über 250 Millionen Euro und dessen Solvenz.
Die Abendblatt-Prognose: Zwar gibt es inzwischen auch in der SPD Kritik, etwa vom ehemaligen Bezirksamtsleiter Mitte, Markus Schreiber. Dennoch wird sich der Senat kaum einen Rückzieher leisten können, daher 80 Prozent.
City-Hochhäuser
Worum geht es? Die City-Hochhäuser am Klosterwall, auch bekannt unter dem Namen City-Hof, sollen abgerissen werden. Dort soll ein neues Quartier entstehen. Es ist eine Mischung aus Büro, 150 Wohnungen und einem Vier-Sterne Novotel geplant. Außerdem sollen dort Flächen für Einzelhandel und Gastronomie entstehen.
Wie hoch sind die Kosten? 250 Millionen Euro. Was ist das Problem? Seit Jahren gibt es Diskussionen um den Abriss der denkmalgeschützten Häuser. Im vergangenen Jahr beschäftigte sich ein Beratergremium der Unesco mit der Frage, ob ein Abriss eine negative Auswirkung auf die sich dahinter befindlichen Weltkulturerbestätten Kontorhausviertel und Speicherstadt haben könnte. Das Ergebnis war: nein. Aber trotzdem hat die Stadt bislang nicht einem Abrissantrag zugestimmt. Den hatte der Projektentwickler Aug. Prien, der den Zuschlag für das Areal erhalten hatte, bereits im Dezember 2017 gestellt.
Die Abendblatt-Prognose: Die Stadt hat ein großes Interesse daran, dass die maroden Hochhäuser abgerissen werden und die Attraktivität des Klosterwalls durch ein neues Quartier deutlich gesteigert wird. Die Chance auf eine Realisierung des Projekts liegt bei 90 Prozent.
Alter Wall
Worum geht es? Die Art-Invest entwickelt hinter den historischen Mauern des denkmalgeschützten Gebäudeensembles der ehemaligen Vereins- und Westbank am Alten Wall einen neuen Gebäudekomplex mit Büros, Einzelhandel und Gastronomie. Die Straße vor dem neuen Quartier soll zu einer Flaniermeile mit Kunst im öffentlichen Raum umgestaltet werden.
Wie hoch sind die Kosten? 250 Millionen Euro. Was ist das Problem? Es kam immer wieder zu Verzögerungen bei den Bauarbeiten. Außerdem dürfte es aufgrund der zahlreichen neuen Einzelhandelsflächen in der Innenstadt eine Herausforderung für Art-Invest sein, diese zu vermieten.
Abendblatt-Prognose: Der aktuelle Stand ist, dass im Sommer die ersten Flächen mit Einzelhandel und Gastronomie eröffnet werden sollen. Das Bucerius Kunst Forum zieht innerhalb des Gebäudekomplexes um, die Eröffnungsausstellung startet am 6. Juni. Die Chance für eine Realisierung des Projekts liegt bei 100 Prozent.
Holsten-Areal
Worum geht es? Die Entwicklung des Holsten-Areals in Altona ist eines der größten Bauvorhaben in Hamburg. Auf dem rund 86.500 Quadratmeter großen Grundstück sind bis zu 1500 Wohnungen geplant. Auch Gastronomie, Gewerbe, Büros und ein Hotel sollen dort entstehen. Die Brauerei wird im November in ein Gewerbegebiet nach Hausbruch ziehen.
Wie hoch sind die Kosten? 950 Millionen Euro. Was ist das Problem? Der ursprüngliche Zeitplan wird nicht eingehalten. Der erste Eigentümer, die Gerch Group, hatte die Fertigstellung der ersten Gebäude für 2021 angekündigt. Inzwischen gehört das Areal der SSN Group und die ersten Gebäude sollen 2024 bezogen werden. Außerdem gibt es immer noch keine Einigung mit dem Bezirk und der Politik beispielsweise über den Bau einer Sporthalle und einer Begegnungsstätte (Community Center) für das neue Quartier.
Abendblatt-Prognose: Das ist auch ein Prestigeprojekt für den Senat. Bei allen Schwierigkeiten wird hinter den Kulissen alles dafür getan, dass es eine Umsetzung gibt. Die Chance auf eine Realisierung des Projekts liegt bei 85 Prozent.
Science Center
Worum geht es? Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) kündigte im September an, das Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg (CeNak) mit dem renommierten Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn verschmelzen und unter dem Dach der Leibniz Gemeinschaft kräftig ausbauen zu wollen. Der Bund würde einen großen Teil der Betriebskosten zahlen. Allerdings bräuchte das Naturkundemuseum noch ein Gebäude – mithilfe von Mäzenen? Kurz nach der Ankündigung stellten private Initiatoren ihr Konzept eines Science Centers vor, das als Schaufenster zur Wissenschaft Erlebnischarakter, Forschung und Klimaschau miteinander verbinden soll. Das Naturkundemuseum könnte nach ihren Vorstellungen hier integriert werden.
Wie hoch sind die Kosten? Offen ist, wo ein neues Naturkundemuseum entstehen könnte und in welcher Größe, was das Gebäude kosten und wer es bezahlen würde. Für das Science Center veranschlagen die Initiatoren 3,5 Millionen Euro für die Planungsphase und einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag für die Umsetzung. Es müsste sich selbst tragen.
Was ist das Problem? Die beiden Projekte könnten einander behindern, fürchtet der Senat. Zumindest seien die Pläne für das erlebnisfokussierte Science Center schädlich für die Aufnahme des Naturkundemuseums in die forschungsorientierte Leibniz Gemeinschaft. Die Initiatoren des Science Centers sehen diese Gefahr nicht; sie glauben, dass beide Einrichtungen unter einem Dach sich gegenseitig befördern würden – als großer Wurf.
Abendblatt-Prognose: Naturkundemuseum: 80 Prozent. Science-Center: 30 Prozent. Beide unter einem Dach: 10 Prozent.
Esso-Häuser-Areal
Worum geht es? In bester Kiezlage am Spielbudenplatz soll das Paloma-Viertel gebaut werden. Dort standen einst die legendären Esso-Häuser. Es soll ein Mix aus etwa 200 Wohnungen, einem Hotel und Gastronomie, Clubs sowie sozialen Einrichtungen werden. In diesem Jahr - so hatte es Mittes Bezirksamtsleiter Falko Droßmann (SPD) angekündigt - wird der vorhabenbezogene Bebauungsplan aufgestellt.
Wie hoch sind die Kosten: bis zu 200 Millionen Euro. Was ist das Problem? Seit Jahren wird auf St. Pauli über das Projekt diskutiert, und es gab ein aufwendiges Bürgerbeteiligungsverfahren. Zurzeit wird noch für eine der Teilflächen eine Baugemeinschaft gesucht, und es wird auch noch über die Gewerbemieten diskutiert.
Abendblatt-Prognose: Es ist nicht auszuschließen, dass der Investor Bayerische Hausbau irgendwann die Geduld verliert und versucht, das Grundstück zu verkaufen. Dann würde sich das Projekt wieder um Jahre verzögern. Daran hat die Stadt kein Interesse, denn dann ist der zentrale Punkt auf dem Kiez weiterhin eine Brachfläche. Die Chance für eine Realisierung des Projekts liegt bei 50 Prozent.
Hammerbrooklyn
Worum geht es? Direkt im Oberhafen am Stadtdeich planen Hamburger ein Silicon Valley mit dem forsch-hippen Namen Hammerbrooklyn. Im ehemaligen US-Pavillon der Weltausstellung in Mailand sollen etablierte Unternehmen, Organisationen und Start-ups sich zu einem digitalen Campus vernetzen, ein Ort der digitalen Transformation und der urbanen Zukunftsentwicklung. Ein Platz, der wie kein anderer für den digitalen Wandel steht – und den Stadtteil Hammerbrook aufwertet.
Wie hoch sind die Kosten? Ursprünglich wollten die Initiatoren mit dem renommierten Projektentwickler Art-Invest bis 2027 mehr als 150 Millionen Euro am Großmarkt investieren. Dabei sollten verschiedene Gebäude in mehreren Bauabschnitten errichtet werden.
Die Abendblatt-Prognose: Die Grundsteinlegung wird immer wieder verschoben, der Pavillon liegt noch immer eingelagert bei Kassel, mögliche Partner werden ungeduldig. Der Streit zwischen den Initiatoren lähmt das Projekt, die Politik versucht in Person des neuen Wirtschaftssenators Michael Westhagemann zu vermitteln und hat den Druck erhöht. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit für einen digitalen Campus wieder auf 50 Prozent gestiegen.