Hamburg. Fragen und Antworten zu „Klimawende Jetzt – Autos raus aus der Hamburger Innenstadt“. Harsche Kritik kommt von CDU und FDP.
Dieser Vorstoß dürfte die verkehrspolitische Debatte in Hamburg kräftig anheizen: Heute ist die Volksinitiative „Klimawende Jetzt – Autos raus aus der Hamburger Innenstadt“ gestartet. Sie fordert von Senat und Bürgerschaft, „unverzüglich“ alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um Altstadt und Neustadt, also den Bereich innerhalb des Ring 1 bis an den Hafenrand, vom motorisierten Individualverkehr (MIV) zu befreien.
Lediglich wenige Randbereiche sollen ausgenommen sein. Dadurch würde der Ring 1 über Holstenwall, Gorch-Fock-Wall, Esplanade, Lombardsbrücke, Glockengießer- und Steintorwall zu einer Art Umgehungsstraße um die City.
Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Thema.
Wer steht hinter der Initiative?
Vertrauensleute der Initiative sind der Winterhuder CDU-Bezirkspolitiker Bernd Kroll (62), der Lehrer Joachim Lau (62) und der Dokumentarfilm-Cutter Jochen-Carl Müller (57). Alle drei sind kampagnenerfahren. Kroll hatte unter anderem den Widerstand gegen das Busbeschleunigungsprogramm des Senats angeführt, Lau war in der erfolgreichen Anti-Olympia-Initiative aktiv. Die Initiative nennt sich überparteilich und hat bislang keinen Kontakt zur Politik gesucht, will sich aber mit anderen Initiativen aus dem Verkehrsbereich vernetzen.
Was lautet die Forderung genau?
Der zur Abstimmung stehende Text lautet: „Senat und Bürgerschaft unternehmen unverzüglich alle notwendigen Schritte, damit die gesamte Hamburger Innenstadt (Altstadt und Neustadt) spätestens 12 Monate nach Beschluss durch den Volksentscheid vom motorisierten Individualverkehr (MIV) bis auf wenige, begründete Ausnahmen befreit ist. Sämtliche Ausnahmeregelungen /-genehmigungen sind inkl. Begründung im Transparenzportal zu veröffentlichen.“ Auf die beiden Stadtteile wird nur verwiesen, weil der Begriff „Innenstadt“ nicht exakt definiert ist. Gemeint ist dennoch nur das Areal innerhalb des Ring 1. Einige Randbereiche wie die Wallanlagen mit den Gerichten werden, obwohl Teil der Neustadt, ausgespart.
Was bedeutet „Autos raus“ konkret?
Ausgesperrt werden soll der motorisierte Individualverkehr (MIV), also Autos, Lkw und Motorräder. Auch Mietwagen wären betroffen, Taxis und der ÖPNV hingegen nicht: Busse würden weiter fahren, und auch Sammeltaxis wie Moia könnten geduldet werden.
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Welche Ausnahmen soll es geben?
Lieferverkehr, Ver- und Entsorgung (etwa Müllfahrzeuge), Menschen mit außergewöhnlicher Behinderung (etwa Rollstuhlfahrer), Ärzte und Anwohner – sofern sie einen festen Stellplatz im Viertel haben – könnten ausgenommen sein. Das ist allerdings nicht Teil der Abstimmung und wäre noch festzulegen. „Wir wollen darüber eine Diskussion anregen“, sagt Bernd Kroll. Da auch das Rathaus in der Altstadt liegt, müsste es auch für Politiker eine Regelung geben. Kroll kann sich vorstellen, dass Abgeordnete keine Ausnahmegenehmigung erhalten, Senatsmitglieder aber schon.
Was ist mit Parkhäusern und Garagen?
Da sind die Vorstellungen der Initiative knallhart: Wer ein Parkhaus in der autofreien Zone betreiben wolle, könne das natürlich weiter tun, so Kroll. „Aber er muss damit rechnen, dass kein Kunde mehr kommt.“ Auch für Tiefgaragen würde gelten: Sie dürfen nur mit Ausnahmegenehmigung angefahren werden.
Was treibt die Initiative an?
Der Klimawandel. „Gerade im Verkehrssektor muss der CO2-Ausstoß drastisch reduziert werden“, heißt es in der Begründung der Initiative. Dass eine Verkehrsberuhigung auch die Lebensqualität in der City steigern würde, sei „ein angenehmer Nebeneffekt“, sagt Joachim Lau. Aber im Kern gehe es darum, den Schwung der Bewegung Fridays for Future aufzunehmen: „Wir wollen weg von dem ,man müsste mal’, wir wollen handeln“, sagt Kroll. „Solang die Menschen die Möglichkeit haben, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren und es dort loszuwerden, werden sie es auch tun“, sagt Müller. „Daher muss man diese Möglichkeit unterbinden.“ Schließlich sei es völlig unnötig, mit dem Auto in die bestens mit Bussen und Bahnen erschlossene Innenstadt zu fahren.
Was sind die nächsten Schritte?
Mit der Anmeldung der Volksinitiative an diesem Mittwoch beginnt eine sechsmonatige Frist, um 10.000 Unterschriften von wahlberechtigten Hamburgern zu sammeln. Gelingt das, was in der Regel keine große Hürde ist, muss sich die Bürgerschaft mit dem Anliegen befassen. Übernimmt sie es nicht, kann ein Volksbegehren folgen. Dann müssen innerhalb von drei Wochen knapp 65.000 Stimmen gesammelt werden. Gelingt auch das, gilt erneut: Stimmt die Bürgerschaft dem Anliegen nicht zu, kann es zu einem Volksentscheid kommen – dieser wäre aufgrund der Fristen in der Volksgesetzgebung nicht vor 2021 möglich.
Wie stehen die Chancen der Initiative?
In einer Umfrage für das Abendblatt hatten sich kürzlich 61 Prozent der Befragten für eine autofreie Innenstadt ausgesprochen, in einer NDR-Umfrage sogar 67 Prozent. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass eine Mehrheit der Hamburger auch der sehr weitgehenden Forderung der Initiative zustimmen wird. Denn die geht sogar über das Konzept der Grünen für eine „autoarme“ City hinaus. Auch SPD, CDU und FDP im Bezirk Mitte haben kürzlich Pläne vorgestellt, den Autoverkehr in der City „auf das notwendige Maß“ zu begrenzen.
Zeit, Farbe zu bekennen, ist schon am heutigen Mittwoch: Von 13.30 Uhr an debattiert die Bürgerschaft auf Antrag der Grünen über „Mehr Lebensqualität durch weniger Autoverkehr“.
CDU und FDP kritisieren die Initiative
Schon im Vorfeld der Sitzung übten CDU und FDP scharfe Kritik an der Initiative. „Die Hamburger CDU wird die engstirnige Initiative für eine rigoros autofreie Innenstadt nicht unterstützen“, sagte Dennis Thering, verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion in der Bürgerschaft. „Sie entspricht in keinster Form unseren Vorstellungen für Hamburgs Mobilität und verstößt gegen geltendes Recht. Menschen, die aufs Auto angewiesen sind, sollen auch in Zukunft Hamburgs Innenstadt weiterhin ohne Probleme erreichen können, insbesondere auch die Parkhäuser.“
Natürlich könne man darüber sprechen, dort Fußgängerzonen auszuweiten, wo es sinnvoll sei, so Thering. „Das darf aber nicht zulasten einer guten Erreichbarkeit der Innenstadt für alle Menschen gehen. Auch der Ansatz der Grünen, alles innerhalb des Ring 2 und sogar darüber hinaus autofrei zu machen, geht völlig an der Realität Hamburgs vorbei. Der einseitige und ideologische Kampf gegen das Auto ist mit uns nicht zu machen.“
„Hamburgs Innenstadt darf keine Festung werden"
Ähnlich äußerte sich die FDP. „Hamburgs Innenstadt darf keine Festung werden, die die Mauern hochzieht und keinen motorisierten Individualverkehr mehr zulässt“, sagte ihr verkehrspolitischer Sprecher, Ewald Aukes. „Solche Gedankenspiele sind absurd und gehen an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei. Abgesehen davon, dass auch eine komplett autofreie Innenstadt das CO2-Problem nicht lösen würde, schießen die Initiatoren völlig übers Ziel hinaus. Hamburg ist nicht Bullerbü, sondern eine Weltstadt und Handelsmetropole.“
Die FDP stelle den Menschen und nicht das Verkehrsmittel in den Mittelpunkt, so Aukes: „Jeder soll schnell, bequem und zuverlässig von A nach B gelangen und individuell entscheiden, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem öffentlichen Nahverkehr oder mit dem Auto.“