Hamburg. Die neue Koalition will Fußgängern an einer prominenten Straße Vorrang einräumen. Dazu kommen neue Tempo-30-Zonen.
In der Hamburger City soll die Aufenthaltsqualität für Fußgänger deutlich verbessert werden – vor allem durch Einschränkungen des Autoverkehrs. „Wir brauchen in der Innenstadt mehr Platz für Fußgänger“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf dem Abendblatt: „Im Passagenviertel und auch am Neuen Wall wäre als erste Maßnahme in Abstimmung mit dem Business Improvement District (BID) die Einrichtung temporärer Fußgängerzonen am Wochenende eine sinnvolle Maßnahme.“
Kienscherf geht noch einen Schritt weiter: „Das sollte auch für weitere Bereiche der City geprüft werden. Allerdings muss solch ein Vorgehen mit den Grundeigentümern und dem Einzelhandel abgestimmt werden.“
61 Prozent der Hamburger wollen autofreie Innenstadt
Wie berichtet, hatten sich in einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Hamburger Abendblatts 61 Prozent der Bürger eine autofreie Innenstadt gewünscht. Im vergangenen Sommer waren bereits zwei Straßen nahe dem Rathaus für Autos gesperrt.
Die im Bezirk Mitte regierende Koalition von SPD, CDU und FDP hat sich ebenfalls dieses Themas angenommen. „Unser Ziel ist es, die Innenstadt fußgängerfreundlicher zu gestalten und den Autoverkehr auf das notwendige Maß zu beschränken“, sagte SPD-Fraktionschef Tobias Piekatz dem Abendblatt. Er kündigte an: „Den Neuen Wall am Wochenende für Fußgänger zu reservieren befürworten wir. Das wäre ein deutliches Signal. Damit werden wir uns in der Bezirksversammlung befassen.“
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Mönckebergstraße könnte zu einer Fußgängerzone werden
Die Grünen gehen noch einen Schritt weiter: Sie hatten bereits im August 2019 ein Innenstadtkonzept vorgelegt (wir berichteten): „Wir wollen eine weitgehend autofreie Innenstadt. Das heißt, dass nur noch die Parkhäuser angefahren werden dürfen, aber der Durchgangsverkehr unterbunden wird. Auf dem Jungfernstieg würden dann zum Beispiel nur noch Busse fahren dürfen“, sagte Grünen-Verkehrsexperte Martin Bill dem Abendblatt. Wenn es nach den Grünen geht, soll der südliche Teil vom Ballindamm für den Autoverkehr gesperrt werden: „Der Bereich rund um die Binnenalster ist die gute Stube unserer Stadt. Wir wollen, dass sich hier vor allem auch die Fußgänger wohlfühlen“, sagte Bill.
Die Pläne für die Mönckebergstraße sind weitreichend: „Wir wollen die Busse auf die Steinstraße umleiten, und dann könnten wir diese Haupteinkaufsmeile zu einer großzügigen Fußgängerzone machen“, so Bill weiter. Im Kontorhausviertel – so wollen es die Grünen – soll der Burchardplatz umgestaltet und „zu einem Besuchermagnet weit über Hamburg hinaus gemacht werden. Es ist verschenkt, wenn einer der zentralen Plätze Hamburgs vor dem Welterbe Chilehaus ein ebenerdiger Parkplatz ist“, sagte Bill. „Unser Ziel ist es, dass der Großteil der Busse von der Mö verschwindet, ohne die Erreichbarkeit der Innenstadt zu verschlechtern“, sagte Mittes CDU-Fraktionschef Gunter Böttcher. Hamburg habe keine große Fußgängerzone, deshalb sollte ernsthaft darüber diskutiert werden, wie zumindest Teile der Mönckebergstraße umgestaltet werden könnten.
Es gibt weitere konkrete Pläne der Bezirkspolitiker: Der Bereich der Kleinen Johannisstraße und Brodschrangen soll als Fußgängerzone ausgewiesen werden. „Das ist für Fußgänger die Strecke in die HafenCity“, sagte Piekatz.“ Auch der historische Katharinenweg werde dadurch für die Menschen wieder erlebbar“, ergänzte CDU-Fraktionschef Böttcher.
Zudem sollte der Rathausmarkt verkehrsberuhigt werden und die Busse über die Bergstraße fahren, so Bill weiter. Dazu hat der Senat bereits einen Prüfauftrag von der rot-grünen Koalition erhalten. Ein Ergebnis steht aber laut Bill noch aus.
Mehr Tempo-30-Zonen abseits der Hauptstraßen
Die Deutschland-Koalition in Mitte beschäftigt sich nicht nur mit der Innenstadt. „Die Themen Mobilität und Verkehr haben bei uns oberste Priorität, und dabei geht es uns um jeden einzelnen Stadtteil“, sagte Piekatz. Dazu gehöre beispielsweise der Ausbau des ÖPNV in den Außenstadteilen des Bezirks wie etwa Finkenwerder, Horn und Billstedt, so Piekatz weiter.
Es gibt noch ein weiteres Vorhaben: „Wir wollen die Wohnquartiere weiter vom Autoverkehr entlasten und eine Maßnahme ist, dass abseits der Haupt- und Vorbehaltsstraßen Tempo 30 ausgebaut wird. Damit wollen wir die Ausweichverkehre eindämmen. Wir setzen auf verkehrsberuhigte Nebenstraßen und leistungsfähige Hauptverkehrsachsen“, sagte Böttcher.
Stadtrad-Stationen bei größeren Bauprojekten
Ein anderer Vorstoß richtet sich an die Projektentwickler, die im Bezirk Mitte bauen wollen. „Wenn neue Quartiere entstehen mit vielen Wohnungen, dann muss für den Bauherrn bindend sein, dass ein Mobilitätskonzept vorgelegt wird, bevor eine Baugenehmigung erteilt wird. Das heißt, es müssen Elektroladestationen für PKW eingerichtet und Car-sharing-Angebote vorgehalten werden. Wir werden uns demnächst mit diesem Thema in der Bezirksversammlung befassen“, so Böttcher.
Außerdem solle bei größeren Bauprojekten auch immer eine StadtRad-Station eingerichtet werden. Dieses Angebot müsse generell im gesamten Bezirk ausgeweitet werden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es auf Finkenwerder bislang keine einzige StadtRad-Station gebe, sagte Böttcher.
Anwohnerparken an den U- und S-Bahn-Stationen
Ein weiterer Plan der Koalition: „Entlang der S- und U-Bahn-Stationen werden häufig die Parkplätze von Berufspendlern belegt, sehr zum Ärger der Anwohner. Deshalb sollte im Bereich der Bahnhöfe Anwohnerparken eingeführt werden“, sagte FDP-Fraktionschef Timo Fischer. Die Koalition ist auch gegen die Gebühr für die Nutzung der Park+Ride- Anlagen. Der Grund: „Es ist unser Ziel, dass die Nutzung der P+R-Anlagen künftig wieder kostenlos ist. Denn dann würden die Berufspendler diese wieder nutzen und nicht den Anwohnern die eh schon knappen Parkplätze in den Quartieren wegnehmen“, sagte Fischer.
Ein weiteres Ziel nennt CDU-Fraktionschef Böttcher: „Wir setzen uns für den Ausbau des bezirklichen Radverkehrskonzepts ein. Dabei legen wir den Schwerpunkt auf die Stadtteile Billstedt, Wilhelmsburg und Horn. Dort sehen wir die größte Chance, dass die Menschen das Fahrrad als Zubringer zu Bus und Bahn und für kleine Besorgungen nutzen.“