Hamburg. Die Initiative für eine autofreie Innenstadt stößt in der Bürgerschaft auf Zustimmung und Ablehnung. Was können Hamburger erwarten?

„Klimawende jetzt – Autos raus aus der Hamburger Innenstadt“: Die Nachricht im Abendblatt, dass eine Volksinitiative mit diesem Namen starten wird, hat die Politik mächtig in Wallung versetzt. Noch bevor die Vertrauensleute Bernd Kroll, Joachim Lau und Jochen-Carl Müller ihre Initiative am Mittwochvormittag offiziell im Rathaus anmelden konnten, hatte sich die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft per Pressemitteilung zu Wort gemeldet.

„Die Hamburger CDU wird die engstirnige Initiative für eine rigoros autofreie Innenstadt nicht unterstützen“, stellte Verkehrsexperte Dennis Thering klar – was die Partei wohl auch deswegen als nötig erachtete, weil Kroll selbst CDU-Mitglied ist und früher in der Bezirksversammlung Nord aktiv war.

Auch FDP und AfD machten noch vor Beginn der Bürgerschaftssitzung am Mittag, in der das Thema ebenfalls behandelt werden sollte, deutlich, dass sie die Initiative ablehnen. „Hamburgs Innenstadt darf keine Festung werden, die die Mauern hochzieht und keinen motorisierten Individualverkehr mehr zulässt“, teilte FDP-Verkehrsexperte Ewald Aukes mit. Und Detlef Ehlebracht (AfD) betonte: „Wir wollen keine Umweltzone und sind entschieden gegen solche radikalen Ansätze.“

Grüne: Hamburger wollen autofreie City

Die 90-minütige Debatte in der Bürgerschaft, die die Grünen für die Aktuellen Stunde angemeldet hatten, verlief dann aber doch deutlich differenzierter. Bis auf die Linkspartei, die sich klar auf die Seite der Initiative schlug und diese „vorbehaltlos unterstützen“ will, gab es in allen anderen Parteien sowohl Zustimmung als auch Ablehnung zum Thema Reduzierung des Autoverkehrs – freilich in unterschiedlicher Ausprägung.

Am meisten Sympathie für die Initiative zeigten erwartungsgemäß die Grünen. „Die Hamburgerinnen und Hamburger sind klar sortiert. Die wollen die Verkehrswende, und wir werden sie als Rot-Grün vorantreiben“, sagte Fraktionschef Anjes Tjarks mit Blick auf aktuelle Umfragen, wonach 61 bis 67 Prozent der Befragten eine autofreie Innenstadt begrüßen würden.

Unterstützen die Grünen die Initiative überhaupt?

Die neue Volksinitiative bestärke das Konzept der Grünen für eine „autoarme“ Innenstadt, sagte Tjarks. Er ließ dabei aber, ebenso wie später Grünen-Verkehrsexperte Martin Bill, offen, ob seine Partei die Initiative nun unterstützt – oder nicht. Auch auf Nachfrage von Heike Sudmann (Linke) legten sich die Grünen nicht fest.

Wie berichtet, fordert die Initiative Senat und Bürgerschaft auf, „unverzüglich“ alle Schritte hin zu einer komplett autofreien Innenstadt zu unternehmen. Als solche definiert sie den Bereich innerhalb des Rings 1 bis an den Hafenrand. Außer Bussen, Taxen und Sammeltaxis sollen dort nur noch Lieferverkehr, Handwerker, Ärzte, Menschen mit Behinderung und Anwohner per Ausnahmegenehmigung fahren dürfen.

Die Grafik zeigt die Grenzen des autofreien Gebietes, das die Volksinitiative durchsetzen will und mögliche Umfahrungen des Bereichs.
Die Grafik zeigt die Grenzen des autofreien Gebietes, das die Volksinitiative durchsetzen will und mögliche Umfahrungen des Bereichs. © HA | F. Hasse

Mit dieser radikalen Forderung geht die Initiative, die nun zunächst 10.000 Unterschriften für ihr Anliegen sammeln muss, sogar deutlich über das Konzept der Grünen hinaus. Daher gibt es aus der Partei offiziell keine Unterstützung, ideell aber schon.

Rot-Grün baue bereits den ÖPNV massiv aus und fördere den Radverkehr, sagte Tjarks und betonte: „Wir werden auch diese Innenstadt verändern, sodass Sie in fünf Jahren eine ganz andere Innenstadt finden, mit viel mehr Lebensqualität, viel mehr Grün und viel weniger Autoverkehr.“

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SPD setzt auf HVV-Ausbau

Etwas reservierter reagierte die SPD. „Wir wollen, dass alle Hamburger gut leben können“, sagte Verkehrsexpertin Dorothee Martin. Die Debatte über die künftige Rolle des Autos müsse man zwar führen, aber dank des Ausbaus des ÖPNV und der Förderung des Radverkehrs gehe die Entwicklung ja bereits in die richtige Richtung.

„Immer mehr Hamburgerinnen und Hamburger lassen das Auto stehen und nutzen Fahrrad, Bus oder Bahn.“ Ähnlich äußerte sich Verkehrssenator Michael Westhagemann (parteilos).

Wirtschaftssenator Michael Westhagemann in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft.
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft. © HA | Roland Magunia

Dem auf Ausgleich bedachten Ansatz der Sozialdemokraten entsprechend, erteilte Martin radikalen Forderungen eine Abfuhr: „Wir können uns weitere autofreie Zonen gut vorstellen – flächendeckende Fahrverbote hingegen nicht.“

Auch die CDU will Autoverkehr reduzieren

Das Thema wird bereits auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlicher Konstellation vorangetrieben. Erstens waren im Sommer auf Betreiben der Initiative „Altstadt für alle“ bereits zwei Straßen im Rathaus-Quartier für einige Wochen autofrei – der Test stieß überwiegend auf positive Resonanz. Zweitens haben SPD und Grüne in der Bürgerschaft Pläne für die Innenstadt, die auch eine Reduzierung des Autoverkehrs beinhalten – etwa durch die laufende Umgestaltung des Ballindamms.

Drittens hat gerade die neue Deutschland-Koalition aus SPD, CDU und FDP im Bezirk Mitte Pläne vorgestellt, einzelne Straßen in der City wie etwa den Neuen Wall temporär zur Fußgängerzone zu machen. Und viertens läuft noch der von Grünen und CDU in Altona angestoßene Versuch „Ottensen macht Platz“, mit dem ein Teil des Stadtteils testweise vom Autoverkehr befreit wird.

Detlef Ehlebracht, Bürgerschaftsabgeordneter der AfD.
Detlef Ehlebracht, Bürgerschaftsabgeordneter der AfD. © HA | Roland Magunia

Angesichts der Tatsache, dass im Prinzip alle Parteien in irgendeiner Form an dem Thema mitarbeiten, räumte auch CDU-Verkehrsexperte Thering ein: „Wir brauchen Lösungen, den Kfz-Verkehr zu reduzieren, da sind wir uns doch alle einig.“ Er sei zwar gegen radikale Ansätze, habe aber nichts gegen weitere Versuche wie im Bezirk Mitte.

Und Detlef Ehlebracht (AfD) schaffte sogar den Spagat, seine Partei als einzige „Autopartei“ zu verkaufen, anderseits aber Sympathie für das Grünen-Konzept zu zeigen: „Bei autoarm sind wir dabei.“

Die Forderungen der Initiative und die Begründung: www.klimaschutz-hamburg.de