Hamburg. Das Hamburger Klimaschutzgesetz kann nicht wie geplant vollständig vor der Bürgerschaftswahl beschlossen werden.

Eigentlich sollte das vom rot-grünen Senat beschlossene neue Hamburger Klimaschutzgesetz von der Bürgerschaft noch vor der Bürgerschaftswahl am 23. Februar verabschiedet werden. Daraus wird nun nichts mehr – jedenfalls nicht in der geplanten Form. Hintergrund: Die Behörde von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) musste einräumen, dass es für einige der in dem Gesetz vorgesehenen zentralen Regelungen einer EU-Notifizierung bedarf – und der EU dafür eine dreimonatige Frist eingeräumt werden muss. Damit ist ein Bürgerschaftsbeschluss in dieser Form noch in dieser Wahlperiode nicht mehr möglich.

Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) hat die Fraktionen erst jetzt über ein Schreiben von Umweltstaatsrat Michael Pollmann informiert, das dieser bereits vor Weihnachten an Veit geschickt hatte und in dem dieser die Hintergründe erläutert. Betroffen ist demnach nicht der gesamte Gesetzentwurf, aber die drei wesentlichen Paragrafen 11 bis 13.

Darin wird der Einbau von Klimaanlagen, von reinen Stromheizungen und von neuen Ölheizungen (ab Ende 2021) in Wohngebäuden untersagt. Der Staatsrat regt in seinem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, nun an, dass das Gesetz ohne diese drei Punkte beschlossen werden könnte. Das ist offenbar auch der Plan der rot-grünen Koalition.

Klimaschutzgesetz: Harsche Kritik von der CDU an Umweltbehörde

Bei der Opposition sorgt all das für scharfe Kritik. „Der Klimaschutz steht bei Rot-Grün unter keinem guten Stern: Erst streiten sich SPD und Grüne monatelang, um dann wenige Wochen vor der Wahl, ohne jede Beteiligung der Öffentlichkeit und des Parlaments, einen bunten Strauß an verschiedensten Maßnahmen vorzulegen. Und bereits jetzt zeigt sich, dass das rot-grüne Klimapaket mit der heißen Nadel gestrickt wurde“, sagte CDU-Fraktionschef Andre Trepoll dem Abendblatt.

„Denn offensichtlich verstoßen SPD und Grüne mit ihrem übereilten Verfahren gegen EU-Recht, wie ausgerechnet die grüne Umweltbehörde jetzt bedrückt feststellen musste. Und das bei so heiklen Punkten wie dem Verbot von Ölheizungen und Klimaanlagen.“

Umweltausschuss berät neue Fassung des Gesetzes

Am Dienstagnachmittag beriet der Umweltausschuss über das neue Gesetz in einer öffentlichen Anhörung. Dass die Opposition erst wenige Stunden vor der Sitzung über die Probleme im Gesetzgebungsverfahren informiert wurde, sorgte ebenfalls für Kritik bei der CDU. „Damit wird das Verfahren dann endgültig ganz ad absurdum geführt. Das ist kein gutes Regieren und eine peinliche Situation für diesen rot-grünen Senat so kurz vor der Wahl“, so Trepoll.

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„Damit tritt ein, was wir als CDU befürchtet und bereits in der Bürgerschaft deutlich angemahnt haben: Das aus Wahlkampfzwecken im Eilverfahren eingebrachte Klimagesetz ist so nicht umsetzbar. Mit einem vernünftigen parlamentarischen Verfahren und einem unabhängigen Gutachten, wie es die CDU beantragt und die rot-grüne Mehrheit es abgelehnt hat, wäre das nicht passiert.“ Klimaschutz sei zu wichtig, um ihn „politisch zum Spielball im Wahlkampf zu machen“, so der CDU-Fraktionschef. „Er muss ausgewogen diskutiert und rechtssicher mit möglichst breiter Mehrheit beschlossen werden. Die Maßnahmen dürfen die Gesellschaft nicht spalten, sondern müssen alle Menschen mitnehmen und unseren Wohlstand erhalten.“

Grüne: Hamburg wird "an allen Gesetzesparagrafen festhalten"

Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks betonte, dass Rot-Grün an dem „ambitioniertesten Klimaschutzgesetz und auch an allen Gesetzesparagrafen“ festhalten werde. „Der aktuelle Entwurf des Klimaschutzgesetzes beinhaltet in drei Paragrafen technische Vorschriften. Auf EU-Ebene ist geregelt, dass Entwürfe technischer Vorschriften vorab der EU-Kommission übersendet werden müssen, um während einer Frist von drei Monaten die Möglichkeit für Hinweise und Stellungnahmen zu eröffnen“, sagte Tjarks dem Abendblatt.

„Um dringend die erforderlichen Weichen für einen ambitionierten Klimaschutz zu stellen, wollen wir das Gesetz schnellstmöglich zunächst ohne die drei technischen Vorschriften beschließen. Der Beschluss der verbleibenden drei technischen Vorschriften erfolgt dann nach Beendigung des Verfahrens.“

Das bedeutet: Hamburg wird zunächst ein Klimaschutzgesetz beschließen, nach dem der Einbau von Ölheizungen erlaubt bleibt. Ob und wie die drei Paragrafen nach der Wahl noch eingefügt werden, entscheidet eine möglicherweise andere Bürgerschaftsmehrheit in der nächsten Wahlperiode.

Umweltsenator kritisiert Bürgerschaftspräsidentin

„Wenn Bürgermeister Tschentscher und Senator Kerstan ausgerechnet mit einem ihrer Lieblingsprojekte gegen EU-Recht verstoßen, ist das eine peinliche Panne für Rot-Grün“, sagte FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein. Der Senat habe das Klimapaket „aus wahltaktischen Gründen mit heißer Nadel gestrickt“ und wolle „Mieter und Immobilienbesitzer, die mit Öl heizen, über Gebühr belasten“, so die FDP-Politikerin. Damit sei er nun auf ganzer Linie gescheitert.

Umweltsenator Kerstan bat in der Sitzung des Umweltausschuss am Dienstagnachmittag im Rathaus um Entschuldigung dafür, dass das Schreiben die Abgeordneten erst so spät erreicht habe – verwies aber auf die SPD-Bürgerschaftspräsidentin, die ja einige Arbeitstage Zeit gehabt habe, es weiterzuleiten. Auch der Senator empfahl der Bürgerschaft, das Gesetz zunächst ohne die problematischen Paragrafen zu verabschieden.

Bürger fordern schärferen Klimaplan

Bei der öffentlichen Anhörung zu Klimaplan und Gesetz meldeten sich zahlreiche Bürger und Vertreter von Verbänden zu Wort. Dabei wurde zum Beispiel kritisiert, dass Emissionen des Flughafens nicht in die Hamburger CO2-Bilanz eingerechnet würden. Auch der „Flughafen-Ausbau für 500 Millionen Euro und die angestrebte Steigerung der Passagierzahlen von 17 auf 27 Millionen“ wurde hinterfragt – denn schließlich trage der Flugverkehr massiv zur Belastung des Klimas bei. Es wurde auch gefragt, ob Hamburg nicht die Cruise-Days absagen müsse, da Kreuzfahrtschiffe ebenfalls für hohen CO2-Ausstoß verantwortlich seien. Andere Rednerinnen und Redner kritisierten etwa, dass es keine Landstrompflicht für Schiffe im Hafen gebe.

Kritisiert wurde, dass die Belastungen allein von den Bürgern getragen werden müssten, „Wirtschaft und Hafen“ aber ausgespart würden. Stattdessen gebe es nur Selbstverpflichtungen und an die Wirtschaft würden „Siegel und Fleißkärtchen“ verteilt, ohne dass diese wirkliche Anstrengungen unternehme. „Wir brauchen einen echten Green New Deal“, sagte ein Rednerin. „Mogelpackungen reichen nicht mehr.“

Moniert wurde auch, dass das Thema Umwelt-und Klimaschutz in den Schulen nicht ausreichend behandelt werden – anders als in Italien, wo es bereits Schulfach sei. Es wurden mehr autofreie Zonen gefordert und angemerkt, dass Systeme wie Moia oder Uber für mehr und nicht für weniger Straßenverkehr sorgen würden. Ein junger Mann stellte die Frage, wie denn die geplante Abholzung von Wald auf den Vollhöfner Weiden und in Wilhelmsburg zum Klimaschutz passe.

BUND kritisiert Klimaplan als nicht ausreichend

Nach den Bürgeranhörung kamen im Umweltausschuss die geladenen Sachverständigen zu Wort. Manfred Braasch, Chef des Umweltverbandes BUND, bewertete den Klimaplan als nicht ausreichend. Mit den Zielen werde nicht das erreicht, was nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen nötig sei. Es sei „dringend erforderlich“, dass Hamburg nicht erst 2050, sondern bereits 2035 klimaneutral werde. Braasch kritisierte, dass „maßgebliche Annahmen des Klimaplans falsch“ seien.

Für 2,3 der 4,1 Millionen Tonnen CO2-Einsparung sei nicht klar, wie sie genau erbracht würden. Viele Annahmen seien zu optimistisch. Gleichwohl plädierte Braasch dafür, die Bürgerschaft solle das Gesetz in der zulässigen Form verabschieden. Ein anderen Sachverständiger sprach von einem richtigen Schritt. Der Plan sei aber nicht ausreichend. Auch könne der Fachkräftemangel bei vorgesehenen Gebäudesanierungen zum Problem werden. Langfristig sei ein Ausschluss von Gasheizungen nötig, so ein anderer Fachmann.

Für ungewollte Heiterkeit sorgte ein weiterer Experte, der vorrechnete, dass für Einsparungen nicht zwingend Heizungen ausgetauscht werden müssten. Es reiche, wenn man die Heiztemperaturen auf 18 Grad beschränke. Der folgende Sachverständige merkte an, dass man jetzt noch über solche Ideen lache. Man werde aber sehen, was womöglich zum Klimaschutz alles nötig werden könne.