Hamburg. Die Zahl der Hamburger, die auf Lebensmittelspenden angewiesen sind, steigt. Nun gibt es erste Aufnahmestopps.

Immer mehr ältere Menschen sind auf die Lebensmittelausgabe der Hamburger Tafel angewiesen. Das zeigt das vorläufige Ergebnis einer Befragung, die die Hilfsorganisation bei allen ihren Abnehmern - also soziale Einrichtungen und andere Ausgabestellen - durchgeführt hat. Rund ein Drittel der 67 Stellen haben bereits geantwortet. Daraus lässt sich ein erster Trend ablesen, wie Julia Bauer, Vorstandsmitglied der Hamburger Tafel, mitteilte: „Grundsätzlich ist die Nachfrage überall gestiegen. Besonders bei zwei Gruppen ist der Anstieg groß: bei Senioren und bei Familien mit Migrationshintergrund.“

Auch wenn die finale Auswertung noch aussteht, deckt sich diese Einschätzung mit der deutschlandweiten Entwicklung. Die bundesweit etwa 940 Lebensmittel-Tafeln verzeichneten aktuell 1,65 Millionen Kunden. „Das sind zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr“, sagte Bundesverbands-Vorsitzender Jochen Brühl der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Ebenfalls betonte Brühl, dass die Nachfrage besonders bei älteren Menschen gestiegen sei. „Die Zahl der Rentner unter den Tafelkunden ist innerhalb eines Jahres um 20 Prozent auf 430.000 gestiegen.“ Es koste viel Energie, Armut zu verstecken, sagte Brühl. Diese Kraft hätten ältere Menschen oftmals nicht mehr „und kommen dann zu uns“.

Situation hat sich verschlechtert

In Hamburg hat sich die Situation bei vielen älteren Menschen verschlechtert. So ist die Zahl derjenigen, die im Rentenalter Grundsicherung beziehen, im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Laut Statistikamt Nord bezogen Ende 2018 in Hamburg 26.529 Menschen über 65 Jahren eine Grundsicherung, das sind 7,9 Prozent aller Senioren. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl um 989 gestiegen – ein Zuwachs um 3,9 Prozent.

Eine Entwicklung, die sich auch bei der Hamburger Tafel bemerkbar macht. Die Anforderungen sind in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Vor drei Jahren waren es noch 40 Tonnen Lebensmittel pro Woche, die mit zwölf Sprintern zu den Anlaufstellen gebracht wurden. Inzwischen sind 14 Sprinter im Einsatz, wie Julia Bauer von der Hamburger Tafel mitteilte. „Die Menge ist also um einiges mehr geworden.“ Anders als in vielen anderen Städten hat die Hilfsorganisation in Hamburg keine zentrale Anlaufstelle, an der die Nahrungsmittel an Bedürftige ausgegeben werden. Von der Zentrale in Wandsbek aus werden die Lebensmittel an verschiedene Stellen in der ganzen Stadt verteilt. Die Tafel übernimmt dabei den kompletten administrativen und logistischen Ablauf.

Pro Woche kommen mehr als 100 Personen

Eine der sozialen Einrichtungen, die von der Hamburger Tafel beliefert wird, ist die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Maria Magdalena am Osdorfer Born. Einmal pro Woche gibt die Gemeinde Nahrungsmittel der Tafel an Bedürftige aus. Berechtigt ist, wer entweder Wohngeld bekommt oder andere Sozialleistungen bezieht. „Pro Woche kommen deutlich mehr als 100 Personen zu uns“, sagt Pastor Mathias Dahnke. Doch der eigentliche Bedarf sei deutlich größer. „Derzeit können wir noch nicht einmal mehr Menschen auf die Warteliste aufnehmen, nachdem wir dort Wartezeiten von mehr als einem Jahr erreichten“, so Dahnke weiter.

„Das ist eine Frage des Arbeitsaufkommens, der räumlichen Kapazitäten und der Lebensmittel, die zur Verteilung zur Verfügung stehen. Wir arbeiten ausschließlich mit Ehrenamtlichen zusammen, und mehr können wir einfach nicht schaffen.“ Auch Dahnke berichtet, dass immer mehr ältere Menschen das Angebot nutzen. „Die Rente reicht einfach bei vielen nicht, besonders dann, wenn vorher kleine Einkommen oder nur Sozialleistungen bezogen worden sind. Was also tun?“

Kritik an der Bundesregierung

Der Bundesvorsitzende der Tafel Jochen Brühl findet deutliche Worte. So gehe er nicht davon aus, dass die derzeit in der Bundespolitik diskutierte Grundrente die Probleme grundsätzlich lösen werde. Zudem warnte er davor, arme Menschen bei der Debatte um Lebensmittelpreise aus dem Blick zu verlieren. Einfach nur höhere Preise zu fordern, sei zu einfach: „Das würde die Kundenzahl bei den Tafeln in die Höhe treiben“, sagte er. Brühl fordert die Bundesregierung dazu auf, die Arbeit der Tafeln mit ihren 60.000 ehrenamtlichen Helfern mehr zu unterstützen. „Eine institutionelle Förderung muss drin sein, damit wir verlässlich Lebensmittel retten und verteilen können. Das Geld will uns aber niemand geben.“ Stattdessen würden sie von der Politik mit Schulterklopfen abgespeist, sagte er.

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Julia Bauer von der Hamburger Tafel äußert sich ähnlich: „Es gibt mehr als 940 verschiedene Tafeln in Deutschland, allesamt gemeinnützig und hauptsächlich ehrenamtlich. Natürlich können alle Unterstützung gebrauchen, aber alle brauchen eine andere Art der Unterstützung.“ Die Hamburger Tafel hätte aus der Politik noch niemand konkret gefragt, was ihr helfen würde. „Vielleicht ist das ja ein guter Vorsatz fürs neue Jahr“, so Bauer. Noch vor Beginn des neuen Jahres ist nun jedoch Hilfe von ganz anderer Seite gekommen. Vergangene Woche übergaben das Amazon Logistikzentrum in Winsen und das Verteilzentrum in Hamburg eine Spende in Höhe von 10.000 Euro sowie Sachspenden an die Hamburger Tafel.