Hamburg. Nach großen Verlusten erklärt der größte Betreiber den Personalaufbau für abgeschlossen. Die Kitas sind irritiert.

Die roten Zahlen bei dem städtischen Kita-Betreiber Elbkinder sind offenbar doch problematischer als bislang angenommen. Nachdem das Abendblatt kürzlich berichtet hatte, dass der größte Anbieter der Stadt, der mit mehr als 5000 Pädagoginnen und Pädagogen rund 22.500 Kinder in 187 Kitas betreut, im Jahr 2018 einen Verlust von 15,4 Millionen Euro verbucht hat und für 2019 ein Minus in ähnlicher Größenordnung erwartet, hat das Unternehmen nun die Reißleine gezogen.

In einem Rundschreiben an alle Leitungen der Kitas sowie der knapp 40 GBS-Standorte, an denen weitere 8000 Schulkinder betreut werden, werden unmissverständliche Auflagen gemacht: Aufsichtsrat und Geschäftsführung hätten entschieden, dass als „Sofortmaßnahme“ die Kitas und GBS-Standorte im Jahr 2020 Ausgaben nur „maximal in der Höhe der von ihnen eingenommenen Gelder tätigen“ dürfen. Angesparte Mittel dürften „nicht verwendet werden“, heißt es: „Es darf also sozusagen nicht auf Kosten der Vorjahre gewirtschaftet werden. Somit muss der Saldo zum Jahresende 2020 mindestens dem Saldo zum Jahresanfang 2020 entsprechen.“

Unermüdlich wird neues Personal eingestellt

Diese Vorgabe, die in den Kitas für Verunsicherung sorgt, hat eine längere Geschichte: Wie berichtet, haben Stadt und Kita-Träger vereinbart, die Fachkraft-Kind-Relation in den Krippen (Kinder bis drei Jahre) von mehr als 1:5 bis 2021 auf 1:4 abzusenken. Im Elementarbereich (drei Jahre bis Einschulung) soll der Betreuungsschlüssel bis 2024 von knapp 1:11 auf 1:10 gesenkt werden. Die Elbkinder hatten darauf sehr frühzeitig reagiert und schon Mitte 2017 ihren Kitas erlaubt, deutlich mehr Personal einzustellen, die Mittel wurden sogar rückwirkend zum 1. Januar bewilligt. Hintergrund war die Sorge vor dem Erziehermangel, man wolle daher „vor der Welle“ sein, teilte die Geschäftsführung den Kita-Leitungen seinerzeit mit.

Tatsächlich stellten diese dann auch unermüdlich neues Personal ein, allein 2018 wurde die Zahl der pädagogischen Fachkräfte um 520 auf 5145 gesteigert. Das hatte zwei Effekte: Auf der Habenseite steht, dass die angestrebten, besseren Betreuungsschlüssel schon jetzt erreicht sind, also viel früher als geplant. Doch dafür ist das Unternehmen halt kräftig ins Minus gerutscht – nachdem es 2016 und 2017 noch Millionenüberschüsse erwirtschaftet hatte. Diese Verluste habe man „in dem Ausmaß so nicht vorhergesehen“, heißt es in dem Schreiben vom 16. Dezember. „Dieser Trend ist dauerhaft wirtschaftlich nicht durchhaltbar und muss daher gebremst werden.“

Unterschiedliche Interpretationen

Wie die im weiteren formulierten Auflagen zu verstehen sind, darüber gibt es unterschiedliche Interpretationen. Geschäftsführung und Sozialbehörde wollten von „Spar-Auflagen“ nichts wissen. Es gehe lediglich darum, dass der Personalaufbau nun abgeschlossen sei und die Kitas die überschüssigen Mittel auf ihren „Ressourcenkonten“ – im Unternehmen kursiert eine Summe von insgesamt rund 20 Millionen Euro – wieder abgeben müssten.

„Seit 2017 haben die Elbkinder-Kitas zusätzliche Mittel erhalten, um mehr Personal einstellen zu können“, sagte Elbkinder-Geschäftsführerin Katja Nienaber dem Abendblatt. „Damit haben wir uns frühzeitig auf den Weg gemacht, den Personalschlüssel zu erhöhen. Dieses Ziel haben wir nun erreicht, und die Elbkinder stehen deswegen gut da. Zusätzliche Mittel müssen deswegen nun nicht mehr ausgegeben werden, der reguläre Jahreshaushalt auf dem hohem Personalniveau greift wieder und steht vollumfänglich zur Verfügung.“

Sozialbehörde versteht die Vorgabe anders

In den traditionell sehr eigenständigen Elbkinder-Kitas werden die Vorgaben dagegen als ungewöhnlich harsch und hierarchisch wahrgenommen. „Wir sind alle erschüttert“, sagte die Leitung einer großen Einrichtung dem Abendblatt. Denn mit der Direktive aus der Zentrale seien nicht nur die überschüssigen Personalmittel eingefroren, sondern auch solche, die man über Jahre aus eigener Kraft angespart habe, indem man etwa keine Gärtner beschäftigt, sondern selber zu Spaten und Harke gegriffen habe. „Wir können im Moment nichts an- oder beschaffen und auch keine neuen Plätze bereitstellen, dabei verlangt der Senat das doch“, heißt es aus einer Kita.

In der Sozialbehörde will man die Vorgabe gar nicht so verstanden wissen. Die Schaffung von Kitaplätzen zu stoppen sei „explizit nicht unser Ansinnen“, sagte Sprecher Martin Helfrich. Es sei nun Aufgabe von Träger und Kitas, über die Verwendung angesparter Mittel zu beraten. Dafür sind im Januar bereits acht Sitzungen anberaumt. Geschäftsführerin Nienaber stellte bereits klar: „Bauliche Maßnahmen in Kitas können auch weiter aus vorhandenen Rücklagen finanziert werden.“

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Dass das Schreiben für Irritationen sorgen könnte, hatte wohl auch die Elbkinder-Führung schon antizipiert. Geradezu entschuldigend heißt es dort: „Diese Maßnahmen mögen Ihnen auf den ersten Blick drastisch anmuten und Ihnen das Gefühl geben, dass wir Ihnen nicht zutrauen, richtig mit dem Geld umzugehen.“ Letzteres sei aber nicht der Fall. „Wir mussten jedoch schnell handeln.“