Hamburg. Paradoxon um Hamburgs größten Kita-Betreiber. Der Betreuungsschlüssel ist vorbildlich, doch die Zahlen sind rot. Kritik von der CDU.

Der enorme Personalbedarf der Hamburger Kindertagesstätten hat den größten Kita-Betreiber der Stadt, die Elbkinder (22.500 Kinder in 187 Kitas), kräftig in die roten Zahlen gedrückt. Das Jahr 2018 wurde mit einem Verlust von 15,4 Millionen Euro abgeschlossen – dreimal so viel wie erwartet. Und auch für 2019 wird ein Minus in ähnlicher Größenordnung erwartet. Zum Vergleich: 2016 (plus 8,3 Millionen) und 2017 (plus 10,1 Millionen) wurden noch Überschüsse erzielt.

Hintergrund der negativen Entwicklung ist jedoch keine Misswirtschaft in dem städtischen Unternehmen, sondern paradoxerweise die vorausschauende Personalpolitik. Denn um die geforderte Verbesserung der Betreuungsschlüssel trotz des bundesweiten Mangels an Erziehern und Pädagogen umsetzen zu können, haben die Elbkinder schon frühzeitig damit begonnen, Personal quasi „auf Vorrat“ einzustellen. Allein 2018 wurde die Zahl der pädagogischen Fachkräfte um 520 auf 5145 gesteigert – ein Zuwachs um mehr als zehn Prozent. Auch daher sind die Personalkosten gegenüber dem Vorjahr von 230 auf 260 Millionen Euro gestiegen. Ein anderer Grund waren die Tarifsteigerungen.

Betreuungsschlüssel soll gesenkt werden

Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnet Thilo Kleibauer warnt:  „Zweistellige Millionenverluste dürfen auch bei den Elbkindern nicht zur Regel werden.“
Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnet Thilo Kleibauer warnt: „Zweistellige Millionenverluste dürfen auch bei den Elbkindern nicht zur Regel werden.“ © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

„Mehrkosten durch die frühzeitige Personalaufstockung sind ja durchaus nachvollziehbar und berechtigt“, sagt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Thilo Kleibauer, der das Elbkinder-Minus mittels Kleiner Anfrage an den Senat hinterfragt hat. „Aber wenn ein großes öffentliches Unternehmen jetzt mehrere Jahre in Folge den eigenen Wirtschaftsplan deutlich verfehlt und unerwartet hohe Verluste berichtet, muss der Senat genau hinsehen. Zweistellige Millionenverluste dürfen auch bei den Elbkindern nicht zur Regel werden.“

Wie berichtet, haben Stadt und Kita-Träger, auch auf Druck einer Volksinitiative, vereinbart, die Fachkraft-Kind-Relation in den Krippen (Kinder bis drei Jahre) bis 2021 auf 1:4 abzusenken. Hier war die Stadt mit einem Verhältnis von mehr als 1:5 im westdeutschen Vergleich lange Schlusslicht. Im Elementarbereich (drei Jahre bis Einschulung) soll der Betreuungsschlüssel bis 2024 von knapp 1:11 auf 1:10 gesenkt werden.

Das stellt die mehr als 1100 Kitas in der Stadt vor massive Herausforderungen. Natürlich sei das ein harter Wettbewerbe um Fachkräfte, sagt Hartmut Duwensee, Geschäftsführer der Kinder- und Jugendhilfe im Deutschen Roten Kreuz (DRK) Hamburg, das in seinen 20 Kitas rund 1500 Kinder betreut. Doch bislang finde man das nötige Personal, um die Betreuung zu verbessern. „Andernfalls müssten wir ja Plätze abbauen, und das wollen wir auf keinen Fall“, sagt Duwensee. „Im Gegenteil: Wir bauen unser Angebot weiter aus.“ Seit 2017 sei die Zahl der pädagogischen Fachkräfte in den Kitas daher um 75 auf 305 gestiegen.

90.000 Kinder werden in Hamburg betreut

Auch der Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, der 40 Kitas in der Hansestadt betreibt, hat in den vergangenen Jahren rund 200 Fachkräfte eingestellt. Wie ein Sprecher des Diakonischen Werks als Dachverband sagte, seien allein für die Verbesserung der Personalschlüssel in den Krippen 60 zusätzliche Stellen geschaffen worden.

Hamburgweit steigen die Zahlen ebenfalls unaufhörlich: Wurden 2011 noch knapp 67.000 Kinder betreut, sind es nach Auskunft der Sozialbehörde heute rund 90.000. Die Zahl der Pädagoginnen und Pädagogen (inklusive Verwaltung und Leitungspersonal) wuchs von 11.380 auf knapp 17.100. Welcher Anteil davon auf die bessere Betreuung und welcher auf den Ausbau des Angebots zurückzuführen ist, sei schwierig zuzuordnen, sagte ein Behördensprecher. Mit dem gegenwärtigen Personalzuwachs sei man aber „sehr zufrieden“. Dennoch würden weiterhin zusätzliche Fachkräfte benötigt: „Wer sich diesen Job vorstellen kann, hat in Hamburg eine gute Anlaufstelle: sicherer Schulplatz, vernünftige Vergütung, sichere Perspektiven.“

Der Senat hatte auf den wachsenden Bedarf an Pädagogen – außer in Kitas auch in Flüchtlingsunterkünften und an den Ganztagsschulen – reagiert und die Zugangsvoraussetzungen zu dem Beruf gelockert. So kann man jetzt auch mit einem erweiterten Hauptschulabschluss die Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistenz (SPA) beginnen. Die Maßnahmen zeigen Wirkung: Mit 1140 Ausbildungsanfängerinnen und -anfängern ist die SPA in diesem Jahr der meist gewählte Ausbildungsberuf in Hamburg.

Bei den Elbkindern hat die Personaloffensive im Übrigen nicht nur zu einem Loch in der Kasse geführt, sondern auch den gewünschten Effekt früher als erwartet erzielt: Im Elementarbereich liege der Personalschlüssel im Durchschnitt bereits bei 1:10, und in den Krippengruppen sei 1:4 sogar inzwischen Standard, so eine Sprecherin: „Das führt zu merklichen Entlastungen in den Kitas.“