Hamburg. Die mehr als 1100 Kindertagesstätten in der Stadt sollen künftig regelmäßig und aufwändig kontrolliert werden.

Seit fast zehn Jahren wird darum gerungen, jetzt kommt er: der Kita-TÜV. Die mehr als 1100 Kitas in der Stadt, in denen fast 90.000 Kinder betreut werden, sollen in einem fünfjährigen Rhythmus kontrolliert werden, also rund 200 Kitas pro Jahr. Dafür wird in der Sozialbehörde extra eine neue Abteilung mit zehn Stellen aufgebaut, die ab 2021 voll arbeitsfähig sein soll.

Dieses Konzept will der rot-grüne Senat an diesem Dienstag beschließen. Ziel ist es, dass die ersten 15 bis 30 Prüfungen noch in diesem Jahr stattfinden. „Wer sein Kind in Hamburg in eine Kita gibt, kann sicher sein: Es wird dort gut betreut“, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) dem Abendblatt. In den vergangenen Jahren seien immer mehr Plätze geschaffen worden, heute seien so viele Kinder nie zuvor in Betreuung.

Eine Milliarde Euro pro Jahr für Kinderbetreuung

Gleichzeitig werde an der Verbesserung der Qualität gearbeitet, zum Beispiel durch mehr Betreuerinnen und Betreuer, zusätzliche Angebote, Fachberatung, laufende Qualitätsentwicklung und vieles mehr. „Hamburg gibt dafür bald eine Milliarde Euro im Jahr aus“, sagte Leonhard. „Das ist gut angelegtes Geld. Das Kita-Prüfverfahren ist ein großer Schritt, auf den sich alle Beteiligten geeinigt haben. Wir werden damit die hohe Qualität der Kinderbetreuung in Hamburg sicherstellen und konsequent nachhalten.“

Die speziell geschulten Prüfer werden jede Einrichtung persönlich aufsuchen, Räume inspizieren, Unterlagen sichten und Gespräche führen. Dabei sollen sie einen ganzen Katalog an Fragen abarbeiten. Ganz oben steht dabei die Personalausstattung: Entspricht die Betreuer-Kind-Relation den gesetzlich festgelegten (und damit von der Stadt finanzierten) Anforderungen? Sind die Erzieherinnen ausreichend qualifiziert, zum Beispiel auch für die Betreuung von Kindern mit besonderem Förderbedarf oder Behinderungen? Des weiteren geht es um die zur Verfügung stehende Fläche, die Ausstattung, die Einhaltung pädagogischer Konzepte, Sprachförderung, Ernährung und Zusammenarbeit mit Eltern und Grundschulen.

Eine Kita-Prüfung soll sechs bis sieben Tage dauern

Die Sozialbehörde hat für eine Prüfung rund sechs bis sieben Arbeitstage veranschlagt, wobei ein erheblicher Teil auf die Auswertung der Unterlagen, Gespräche und Eindrücke vor Ort entfallen dürfte. Im Anschluss soll ein Bericht an den Träger der Kita angefertigt werden, über den Behörde, Kita-Leitung und Elternvertretung in einem „Reflexionsgespräch“ noch einmal gemeinsam sprechen. Bei Mängeln sind abgestufte Sanktionen möglich, darunter auch Mittel-Kürzungen oder sogar eine Schließung der Einrichtung. Inwiefern eine Kita zumindest Teile des Berichts allen Eltern zugänglich macht oder gar veröffentlicht, ist nicht geregelt.

Einerseits könnten Träger im Fall einer positiven Bewertung ein Interesse daran haben, die Beurteilung als Eigenwerbung einzusetzen. Andererseits dürfte ein Großteil des Berichts aus Datenschutzgründen der Geheimhaltung unterliegen, etwa wenn Mitarbeiterdaten betroffen sind.

Verschiedene Sanktionen für Kitas möglich

Sollte die Prüfung ergeben, dass die Kita sich nicht an alle Vorgaben des zwischen Stadt und Trägern geschlossenen Landesrahmenvertrags „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen“ hält, sind verschiedene Sanktionen möglich. Bei kleineren Verstößen, etwa ein nicht ordnungsgemäß gesichertes Außengelände oder ein in einem Gruppenraum aufgestellter Wickeltisch, wird die Kita aufgefordert, die Mängel innerhalb einer bestimmten Frist zu beheben. Bei gröberen Verstößen kann die Behörde die Mittel kürzen oder zurückfordern, schließlich sind die an die Einhaltung bestimmter Standards gekoppelt. Im Extremfall, wenn zum Beispiel Kinder aufgrund fehlender Betreuer oder baulicher Mängel gefährdet sein könnten, droht sogar die Schließung der Kita.

Die Eröffnung einer Kindertagesstätte ist in Hamburg auch jetzt schon an strenge Vorgaben gebunden, deren Einhaltung von der Kita-Aufsicht in der Sozialbehörde kontrolliert wird. Darüber hinaus kann die Behörde auch „anlassbezogen“ einschreiten, wenn sie also von Mängeln in einer Kita erfährt. Solche Fälle, wie im vergangenen Jahr in Neugraben, als Eltern so schwere Vorwürfe gegen Erzieher erhoben hatten, dass die Sozialbehörde sich einmischte, sind jedoch relativ selten. Und eine regelmäßige, anlassunabhängige Kontrolle gibt es bislang überhaupt nicht – das soll sich nun ändern.

Hamburg braucht 2750 zusätzliche Erzieher

Ein Anlass für die Einführung des Kita-TÜVs ist die geplante Steigerung der Betreuungsqualität. Wie berichtet, soll der „Fachkraftschlüssel“, also das Verhältnis von Erzieherinnen zu Kindern in Krippengruppen (bis drei Jahre) bis 2021 auf 1:4 verbessert werden und in Elementargruppen (drei bis sechs Jahre) bis 2024 auf 1:10.

Dafür werden rund 2750 zusätzliche Erzieherinnen benötigt – was neben dem ungebrochenen Ansturm auf die in Hamburg weitgehend gebührenfreien Kitas ein wesentlicher Grund für den Anstieg der Kosten ist. Lagen diese 2011 noch bei gut 400 Millionen Euro, steigen sie mit dem aktuellen Haushalt 2019/2020 auf rund eine Milliarde Euro pro Jahr – damit wächst auch das Verlangen im Senat, zu hinterfragen, wie das Geld eingesetzt wird.

Erstmals wurde der Kita-TÜV 2009 gefordert

Eine „Kita-Inspektion“ hatte schon 2009 der damalige schwarz-grüne Senat geplant. Infolge des Regierungswechsels und aufgrund konträrer Auffassungen darüber, wie so eine Inspektion ausgestaltet werden und wer die Kosten tragen sollte – der Senat sah hier lange die Träger in der Pflicht –, verzögerte sich das Projekt jedoch immer wieder. Auch sollen sich die Träger nicht einig gewesen sein. Einige wie die städtischen Elbkinder oder die kirchlichen Träger haben bereits eigene Systeme zur Qualitätssicherung, andere lehnen das ab.

Letztlich soll sich Sozialsenatorin Melanie Leonhard mit dem Wunsch nach einem einheitlichen Prüfsystem durchgesetzt haben. Dafür trägt die Stadt jetzt auch die Kosten für die neue Abteilung. Für die zehn Stellen – acht Prüfer und zwei Leitungskräfte - plus Sachkosten sind ab 2020 rund 750.000 Euro pro Jahr eingeplant.