Hamburg. Personal-Notstand immer größer. Erster Träger lockt Bewerber mit Dienstwohnungen. Gute Chancen auch für Quereinsteiger.

Kita-Erzieher dringend gesucht: In Hamburg ist der Markt für neue Mitarbeiter in den 1122 Kindertagesstätten so hart umkämpft wie noch nie. Der Grund: Wegen der geplanten Verbesserung des Betreuungsschlüssels brauchen die Kitas eine große Zahl an weiteren Arbeitskräften. Bis 2021 müssen bis zu 2000 neue Stellen besetzt werden. Nach einer Abendblatt-Umfrage fehlen schon derzeit mehrere Hundert Arbeitskräfte.

Um Personal zu finden, gehen die großen Träger deshalb neue Wege. Sie bilden zunehmend Quereinsteiger weiter, die mit einer berufsbegleitenden „Nachqualifizierung in Pädagogik der Kindheit und Entwicklungspsychologie im Umfang von insgesamt mindestens 160 Stunden“ für die Arbeit in Kindertagesstätten fit gemacht werden. Voraussetzung ist allerdings ein Hochschulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung etwa als Logopädin, Ergotherapeutin, Kinderkrankenschwester oder Hebamme.

Einige Träger setzen auch auf ungewöhnliche Anreize, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. So wirbt beíspielsweise der DRK-Kreisverband Hamburg-Harburg e. V. mit Betriebswohnungen sowie einer Ferienbetreuung von Erzieher-Kindern. Wer jemanden anwirbt, erhält eine Prämie.

Großer Fachkräftemangel

Der große Fachkräftemangel hat die Sozialbehörde veranlasst, Quereinsteigern den Wechsel zu erleichtern. In einer sogenannten „Positivliste“ ist festgelegt, wer in Kitas arbeiten darf und welche Personen mit welchen Ausbildungsabschlüssen unter welchen Voraussetzungen eingesetzt werden dürfen. Bei der Teamzusammensetzung muss aber garantiert sein, dass ausreichend Fachkräfte eingeteilt sind. Alle Mitarbeiter müssen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen.

Und wer heute einen Job in einer Kita sucht, kann theoretisch morgen anfangen. Weil bis 2021 jedes Jahr 500 zusätzliche Fachkräfte gebraucht werden, um die stufenweise Verbesserung des Betreuungsschlüssel zu gewährleisten, buhlen die Einrichtungen um Mitarbeiter. Die Sozialbehörde geht in diesem Jahr von Ausgaben von rund 967 Millionen Euro für die Kitabetreuung aus. „Die Marke von einer Milliarde Euro wird im Jahr 2020 erreicht werden“, so Martin Helfrich, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde.

Offene Stellen gibt es zu Hunderten, wie eine Abendblatt-Anfrage bei großen Kita-Trägern ergab. Die Diakonie (131 Kitas im Kirchenkreis Hamburg-Ost) etwa sucht aktuell 30 Mitarbeiter und absehbar weitere 125, die städtische Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas (185 Kitas) hat rund 100 freie Stellen. Die Rudolf-Ballin-Stiftung (20 Kitas) sucht derzeit etwa 30 Kita-Mitarbeiter, das Deutsche Rote Kreuz (16 Kitas) ebenfalls 30. Bei der Arbeiterwohlfahrt Hamburg (AWO), die 23 Kitas betreibt, fehlen 15 bis 20 Fachkräfte, bei Wabe e. V. (23 Kitas, davon 17 in Hamburg) 37.

Spezielles Programm

Weil es schon jetzt zu wenig Bewerber gibt, haben viele Kita-Träger eigene Initiativen gestartet, um gegen den Personalnotstand zu kämpfen. Ein spezielles Programm offeriert beispielsweise der DRK-Kreisverband Hamburg-Harburg e. V.: „Ganz neu bieten wir eine Qualifizierung zum Pädagogischen Helfer in drei Phasen an“, sagt Victoria Nowotny, DRK-Personal-Teamleiterin. Anfang Januar habe eine erste Gruppe mit der Qualifizierung begonnen, weitere Teilnehmer werden im Frühjahr starten. Im Anschluss können die Pädagogischen Helfer eine Ausbildung zum Sozialpädagogischen Assistenten (SPA) absolvieren. „Außerdem bieten wir schon seit einiger Zeit eine berufsbegleitende Ausbildung zum Erzieher an“, so die Personalchefin, das Angebot werde häufig von Sozialpädagogischen Assistenten in Anspruch genommen, die sich während ihrer Tätigkeit weiterqualifizieren.

Quereinsteiger haben gute Chancen, in dem Berufsfeld Fuß zu fassen. Wegen des hohen Bedarfs an ausgebildeten Fachkräften in den Kitas einschließlich der Ganztägigen Bildung und Betreuung an Schulen (GBS) haben Sozialbehörde und Schulbehörde den erlaubten Personenkreis der Beschäftigten in Kitas erweitert. In der sogenannten „Positivliste“ ist festgelegt, wer mit welchen Ausbildungsabschlüssen unter welchen Voraussetzungen in Kitas und in der GBS eingesetzt werden darf.

Damit soll Quereinsteigern der Wechsel erleichtert werden. Personen mit einem Uni- oder Fachhochschulabschluss oder einer einschlägigen Berufsausbildung können mit einer mindestens 160-stündigen „Nachqualifizierung in Pädagogik der Kindheit und Entwicklungspsychologie“ fit gemacht werden. Damit gelten sie als sogenannte „Erstkräfte“ wie auch staatlich anerkannte Sozialpädagogen und Erzieher. Allerdings dürfen derart Qualifizierte nicht mehr als 25 Prozent des Personals in einer Kita ausmachen.

Arbeitgeber kann Fachkräfte selber ausbilden

Auch für Menschen ohne Berufsausbildung gibt es neue Chancen. „Temporär wurde das Berufsfeld auch für Personen mit einem Hauptschulabschluss beziehungsweise einem als gleichwertig anerkannten Bildungsabschluss geöffnet. Diese können in Kitas als Zweitkräfte eingesetzt werden“, sagt Behördensprecher Helfrich. Ihr Anteil am Personal dürfe aber nicht mehr als zehn Prozent betragen.

„Erste Erfahrungen bei uns mit Quereinsteigern waren überwiegend positiv und bereichernd“, sagt beispielsweise Harald Clemens von der Rudolf-Ballin-Stiftung. Bei SterniPark (19 Kitas) haben die ersten 22 Absolventen vor Kurzem eine Quereinsteiger-Qualifizierung erfolgreich abgeschlossen, etwa 30 weitere haben das Programm im November nach Angaben von Geschäftsführerin Leyla Moysich begonnen.

Diakonie-Sprecherin Ulrike Kotthaus verweist ebenfalls auf eigene Fortbildungsprogramme. Die Chancen für Quereinsteiger seien sehr günstig. „Die bereits vorhandene Lebenserfahrung, die bewusste Entscheidung für diesen Beruf und das Engagement werden sehr geschätzt. Der Arbeitgeber hat die Chance, seine künftigen Fachkräfte selber auszubilden und zu prägen“, so Kotthaus.

Jobmesse für Erzieher

Beim Verein Wabe bietet seit Oktober 2018 das Tochterunternehmen Wabe International Academy gGmbH das Qualifizierungsprogramm für Quereinsteiger an. „Unsere bisherigen Teilnehmer und Teilnehmerinnen rekrutieren sich aus den Bereichen Musik- und Kunstpädagogik, verfügen bereits über einen Bachelorabschluss oder haben auf Lehramt studiert.

Unsere Erfahrungen sind hier durchweg positiv und werden in der praktischen Arbeit als sehr bereichernd erlebt“, sagt Wabe-Sprecher Peter Nagel-Langenkamp. Neu sei die Einstiegsqualifizierung für (junge) Menschen mit erweitertem ersten Schulabschluss, so der Wabe-Sprecher. „Diese Qualifizierung startet im August 2019, dauert zwei Monate und geht im Eignungsfall in die Berufsqualifizierung zur/zum SPA-Sozialpädagogischer Assistent*in über.“ Für beide Programme gebe es großen Zuspruch, sie stünden allen Interessierten nach Prüfung der Eignungsvoraussetzungen offen.

Für Interessierte gibt es eine Informations-, Kontakt- und Jobmesse für Erzieher, 28. Februar, 10–15 Uhr, Agentur für Arbeit, Kurt-Schumacher-Allee 16, Anmeldung nicht notwendig. Interessierte sollten ihre Bewerbungsunterlagen mitbringen.