Hamburg. Wo die Bereiche mit niedrigem Sozialstatus liegen. 82,5 Prozent der Hamburger leben in Gebieten ohne solche Probleme.

Gute Nachricht der Sozialwissenschaftler: Hamburg verharrt im Mittelmaß. Was in anderen Fällen als scharfe Kritik aufgefasst werden könnte, ist diesmal ein Lob für stabile Verhältnisse. Zwar haben 42 Gebiete in der Stadt einen schlechteren Sozialstatus als im Vorjahr, und 31 Gebiete haben sich verbessert. Die große Masse aber – 779 Gebiete – sind stabil geblieben. Die weitaus meisten (554) werden in der Kategorie „Mittel“ eingeordnet. Das geht aus dem am Donnerstag vorgestellten Sozialmonitoring-Bericht hervor.

Die Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) sagte dazu: „Erneut zeigt der aktuelle Bericht eine sehr stabile sozialräumliche Entwicklung für Hamburg auf. Erfreulich ist, dass nach wie vor keine zunehmenden Polarisierungstendenzen in Hamburg erkennbar sind.“

Der seit 2010 jährlich erstellte Bericht beschreibt die soziale Entwicklung der Hansestadt Hamburg. Sie wird zu diesem Zweck in 852 Gebiete eingeteilt, die mindestens 300 Einwohner haben müssen. Weil Hamburg wächst, wächst auch die Zahl der untersuchten Kleinräume, im Vorjahr waren es nur 848. Bei jedem Gebiet werden sieben sogenannte Aufmerksamkeitsindikatoren ermittelt.

Bei den Problemgebieten hat sich nichts geändert

Dazu gehört unter anderem die Zahl der Sozialhilfeempfänger (Sozialgesetzbuch II), die Zahl der Arbeitslosen, die Zahl der Empfänger von Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und die Zahl von Kindern Alleinerziehender. Aus Ermittlung und Gewichtung folgt das Ergebnis, dass 82,5 Prozent aller Hamburger in Gebieten mit mittlerem oder hohem Status wohnen. 17,5 Prozent leben in Gebieten mit niedrigem oder sehr niedrigem Status – das sind rund 365.000 Hamburger.

Ein Vergleich mit den Statuswerten aus dem 2011er-Bericht zeigt, dass sich insgesamt nicht viel verändert hat. 2011 wiesen 17,2 Prozent der Gebiete einen hohen Status auf, jetzt sind es 17,5 Prozent. 2011 waren 64,6 Prozent im mitt­leren Bereich, jetzt sind es 65 Prozent. Auf den niedrigen Bereich entfielen damals 8,4 Prozent, nun sind es 8,6 Prozent. Im Statusbereich „sehr niedrig“ ist die Differenz noch am größten: 2011 waren es 9,7 Prozent, 2019 sind es nur noch 8,9 Prozent.

Auch bei den Problemgebieten hat sich nichts geändert. In Hamburg gibt es neun räumliche „Cluster mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf“ – dort häufen sich Gebiete mit niedrigem oder sehr niedrigem Status (siehe Karte). Leicht positive Entwicklungen finden sich nur in Altona-Altstadt/St. Pauli (Westliche innere Stadt), Wilhelmsburg sowie Neugraben/Neuwieden­thal.

CDU und Linke sind sich in der Bewertung einig

Die Fraktionen in der Bürgerschaft bewerten den rund 10.000 Euro teuren Sozialmonitoring-Bericht sehr unterschiedlich. Der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Jens P. Meyer hält ihn für ein „wertvolles Instrument, um sozialräumliche Polarisierung frühzeitig zu erkennen und ihr entgegenzusteuern“. Die aktuellen Zahlen seien insgesamt unauffällig, dennoch dürfe nicht darin nachgelassen werden, Gebiete mit niedrigem Sozialindex weiter aufzuwerten. „Die erfolgreichen Maßnahmen der Stadtentwicklung sollten aus unserer Sicht zusätzlich auch durch private Investitionen flankiert werden“, sagte er.

Sabine Boeddinghaus, die Linke-Fraktionschefin, kritisierte den Senat. „Stabilität bei der sozialräumlichen Entwicklung ist keine gute, sondern eine schlechte Nachricht“, sagte sie. „Stillstand heißt in diesem Fall Rückschritt! Dass der Senat sich für dieses Ergebnis feiert, zeugt von wenig Ehrgeiz und mangelnder Glaubwürdigkeit bei der Ansage, ,die ganze Stadt im Blick‘ haben zu wollen.“

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Franziska Rath, die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, sagte: „Die Freude der Stadtentwicklungssenatorin über die ,sehr stabile sozialräumliche Entwicklung für Hamburg‘ verwundert.“ Der Hamburger Arbeitsmarkt brumme, es gebe eine Million sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, und ein Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen sei in weitere soziale Projekte, Verbesserung der Schulbildung und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen geflossen. „Und dann soll es gut sein, dass die Lage stabil ist und es keinen Fortschritt gibt? Das ist inakzeptabel“, sagte Rath. „Die Senatorin redet sich die Situation schön.“