Hamburg. Gerhard Doobe erhält Auszeichnung – doch der auch als „Baumpapst“ bezeichnete Biologe sorgt sich um die Hamburger Gewächse.
Wenn Gerhard Doobe durch Hamburgs Straßen spaziert, kann er seinen Blick einfach nicht von den Bäumen losreißen. Zu sagen, er kenne jede Linde oder Eiche aus eigener Anschauung, wäre etwas übertrieben, aber es gibt wohl kaum jemanden, der über die Situation der etwa 224.000 Straßenbäume besser Bescheid weiß als der Leiter des Hamburger Stadtbaummanagements in der Umweltbehörde. „Baumpapst“ wird er auch genannt, auch wenn Doobe findet, das sei zu viel der Ehre.
Weil sich der Diplombiologe mit seiner Arbeit aber weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus einen Namen gemacht hat, wird er am heutigen Montag von der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft mit dem Goldenen Ginkgo ausgezeichnet. Dann wird ihm zu Ehren auch ein Ginkgo gepflanzt, „Ginkgos sind ein Relikt aus grauer Vorzeit, die ältesten Bäume der Welt“, sagt der 64-Jährige. Heute werde ja schon gefeiert, wenn ein Baum 100 Jahre alt wird, aber auf den Menschen übertragen würde er dann gerade erst konfirmiert“.
Viele Straßenbauarbeiten sind ein Problem
Doobe sorgt sich von Berufs wegen um die Hamburger Straßenbäume, denn die hätten es so schwer wie nie zuvor, sagt er. Durch Wohnungsbau, aber auch durch die vielen Straßenbauarbeiten gebe es ständig Eingriffe in den Wurzelraum der Bäume, „das sind Eintrittspforten für wurzelzerstörende Pilze“, so der Biologe. Straßen seien Extremstandorte für Bäume. „Jeglicher Eingriff macht mir Kummer, denn in Hamburg wird ja überall gebaut.“
Das setze den Bäumen sehr zu. „Unsere Wahrnehmung endet ja mit dem Fußweg“, sagt Doobe, doch der Wurzelbereich sei von Natur aus genauso ausgedehnt wie die Krone des Baumes, also so groß wie das, was oberirdisch sichtbar ist. Man könnte es auch mit der Spitze eines Eisbergs vergleichen. „Aber das Wissen um einen schonenden Umgang setzt sich auch in der Bauausführung durch – das macht zuversichtlich. Ein Paradebeispiel ist der aktuelle Umbau des Borgwegs, der mit einer Standortsanierung für die alten Eichen verbunden ist.“
Schwierigkeit bei Neupflanzungen
Hamburgs Ruf als grüne Metropole sei nicht nur Segen, sondern auch Fluch: „Wenn eine Bushaltestelle umgebaut wird und dafür eine 100-jährige Eiche gefällt werden muss, wird gesagt, auf die eine Eiche kann es ja nicht ankommen“, sagt Doobe, „aber das passiert ja an ganz vielen Ecken in der Stadt.“ Häufig wisse man zudem gar nicht, wo man den Ersatz pflanzen solle, „denn die Stadt wird verdichtet, der Platz für Bäume geht verloren.“ Und junge Bäume erfüllten erst in vielen Jahren ihre ökologischen und stadtklimatischen Funktionen.
Doobe weist in dem Zusammenhang auf ein Problem hin, das bei Neupflanzungen besteht: „Als Biologe sage ich, so ein Straßenbaum wird kaum mehr 100 Jahre alt. Wir machen Löcher und schütten spezielles Substrat rein.“ Aber letztlich seien junge Bäume durch den eng begrenzten Platz im Straßenraum „Topfpflanzen“. Und so würden sie nur noch 40, 50 Jahre alt. Deshalb sei eine mögliche Lösung, durchgehende Pflanzgräben zu schaffen, damit sich die Wurzeln besser ausbreiten können. Dies werde, wo der Platz es zulässt, in Hamburg verstärkt ausgeführt. „Ein Baum fühlt sich wohler, je natürlicher sein Umfeld ist“, sagt Doobe. Gemeinsam mit der Auswahl zukunftsfähiger Baumsorten könne dies der Weg sein, den städtischen Baumbestand zu erhalten.
Großer Verschleiß an Senatoren
Doobe, der mit seiner Frau Erika auf der Uhlenhorst lebt, hat gleich nach seinem Studium in der Umweltbehörde angefangen. Woanders beworben hat er sich nie. „Weil immer wieder spannende neue Aufgaben auf meinem Schreibtisch gelandet sind“, sagt der 64-Jährige, der scherzhaft sagt, er habe einen ganz schönen Verschleiß an Senatoren. Immerhin ist Jens Kerstan von den Grünen bereits der 12. Umweltsenator, seit Doobe in der Behörde arbeitet. Und er hat viel geschafft in all den Jahren. So hat Doobe beispielsweise das digitale Baumkataster realisiert.
„Jeglicher Eingriff macht mir Kummer, denn in Hamburg wird ja überall gebaut.“
Für jeden Hamburger Straßenbaum gibt es einen öffentlich einsehbaren digitalen Steckbrief mit Baumnummer, Gattung, Baumart, Straße, Bezirk, Kronendurchmesser, Stammumfang und Pflanzjahr. Außerdem hat jeder Baum eine „Krankenakte“. „Anhand dieser Akte entscheiden die Fachleute, wie oft ein Baum kontrolliert wird“, sagt der Biologe. Denn längst nicht jeder Straßenbaum ist gesund.
Bestand der Rosskastanien ist gefährdet
Bekanntermaßen ist der Bestand der Rosskastanien gefährdet. Doobe verweist auf ein Projekt, das den Infektionsverlauf in der Stadt untersucht – werden eher Jungbäume von der Kastanienminiermotte befallen oder eher die alten? Im Moment würden jedenfalls keine neuen Kastanien gepflanzt, weil es wegen der tödlichen Krankheit keinen Sinn macht, sagt der Biologe. Bei den stadtweit bislang kartierten 4000 Ulmen habe man es dagegen geschafft, durch eine Impfung einen gewissen Schutz vor der Ulmenkrankheit, die der Ulmensplintkäfer überträgt, zu erreichen.
Der am meisten verbreitete Straßenbaum ist mit mehr als 50.000 Exemplaren die Linde, dicht gefolgt von knapp 50.000 Eichen, dahinter kommen Platanen, Ahorne und Birken. In einem bundesweiten Netzwerk, an dem auch die Städte Wien und Basel beteiligt sind, versuchen Experten aber auch gemeinsam rauszufinden, welche Bäume für Neupflanzungen im Stadtgebiet besonders geeignet sind: „In Hamburg haben wir 20 Sorten an 24 Standorten geplant, mindestens jeweils fünf Bäume.“
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Die Langzeitstudie solle zeigen, welche Bäume besonders zukunftsfähig sind. Und da gehe es bislang neben dem Klimawandel darum festzustellen, welcher Baum überhaupt an bestimmen Standorten überleben könne – eben wegen ihrer Bodenansprüche, der Anfälligkeit für Krankheiten und Schädlinge, der Gefahr von Beschädigungen durch Autos, Baustellen etc.
Sein Ginkgo wird allerdings ein gutes Baumleben haben, er wird im Wilhelmsburger Inselpark eingepflanzt – mit reichlich Platz drum herum, damit er sich gut entwickeln kann.