Hamburg. Flughafen will damit Kohlendioxidausstoß von Dienstreisen der Mitarbeiter kompensieren. Umweltschützer halten das für Symbolik.

Viele Hamburger sind wahrscheinlich der Meinung, über den Helmut-Schmidt-Flughafen schon alles zu wissen. Mitunter werden sie aber überrascht. So geschah es vor einigen Tagen, als Airport-Chef Michael Eggenschwiler einen Vortrag hielt. Und erzählte, dass der Airport in Kaltenkirchen 180.000 Bäume bewirtschaftet. Das war vielen Zuhörern neu – das Abendblatt fragte nach den Hintergründen.

Zu den Grundwerten der Unternehmensphilosophie gehöre es, den Flughafen so umwelt- und klimafreundlich wie möglich zu betreiben, sagte Eggenschwiler. Wo es ökologisch und ökonomisch sinnvoll sei, vermeide oder senke man Kohlendioxid(CO2)-Emissionen. 15.000 Tonnen des Gases verursache der Eigenbetrieb des Airports – ohne Flugbewegungen – pro Jahr. Seit 2009 sei der CO2-Ausstoß des Flughafens mehr als halbiert worden. Eggenschwiler: „Dort, wo es nicht anders geht, kompensieren wir. So wie bei Dienstreisen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ – und da kommt der Kaltenkirchener Wald ins Spiel.

Dem Flughafen gehören 2300 Hektar in Kaltenkirchen

Seit Jahrzehnten besitzt der Flughafen dort ein Außengelände. Es war ursprünglich gedacht für die Ansiedlung eines Großflughafens und sollte den Airport in Fuhlsbüttel ersetzen. Streit über die Baukosten zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein, wachsender Bürgerprotest vor Ort und Rechtsstreitigkeiten verhinderten das Projekt. 2013 wurde es von der Politik endgültig begraben.

Die Flächen gehören dem Flughafen immer noch, das Außengelände in Kaltenkirchen misst 2300 Hektar. Ein großer Teil ist an Bauern für Landwirtschaft verpachtet. Auf 700 Hektar steht Wald, der von Airport-Förster Markus Musser bewirtschaftet wird. Im Jahr 2006 begann die Anpflanzung von Bäumen mit einem Mix aus Buchen, Eichen, Birken, Douglasien und Lärchen. Auf einer Fläche von 25 Hektar wurden bis 2010 rund 180.000 Bäume gepflanzt.

Neuanpflanzungen sind nicht geplant

Dieser „Klimawald“ könne über einen Zeitraum von bis zu 150 Jahren jährlich etwa 240 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entnehmen, teilte der Airport mit. Die Menge entspräche im Mittel der Menge an CO2, die durch die jährlichen Dienstreisen der Flughafen Hamburg GmbH entstehen. Die Kompensation erfolge dabei über das Wachstum der Bäume, die zum Beispiel in die Höhe schießen, mehr Blätter ausbilden und so mehr CO2 entnehmen und in Sauerstoff umwandeln können. „Es ist mir persönlich wichtig, dass wir bei der CO2-Kompensation in Projekte investieren, bei denen wir sehen, was gemacht wird und wo es geschieht. Keine abstrakten Maßnahmen, sondern Projekte vor Ort“, sagte Eggenschwiler. Weitere Neuanpflanzungen seien derzeit nicht geplant, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage. Allerdings würden stets Maßnahmen erfolgen wie zum Beispiel das Aufbereiten von Mooren zur besseren CO2-Speicherung.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte den „Klimawald“ des Flughafens. „Die Ausgleichsbäume für die rund 2000 Mitarbeiter am Flughafen sind eine nette Sache, aber letztlich Symbolik“, sagte Hamburgs BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Der Flughafen verursache mit 160.000 Flugbewegungen und mehr als 17 Millionen Passagieren pro Jahr eine enorme CO2-Last und gehöre nach dem Kohlekraftwerk Moorburg zu den „größten Klimakillern der Stadt. Wenn der Flughafen sich rühmt, für seine Mitarbeiter einen CO2-Ausgleich zu machen, in dem er schlicht Bäume auf einem Grundstück in Kaltenkirchen wachsen lässt, also noch nicht einmal Bäume neu pflanzt, ist das ein echter Treppenwitz.“

Weltweit gibt es 49 Flughäfen, die als klimaneutral gelten

Die Luftfahrt steht aufgrund der von der „Fridays for Future“-Bewegung entfachten Klimaschutzdiskussion hart in der Kritik. Laut Umweltbundesamt steuerten die CO2-Emissionen der in der Bundesrepublik startenden Flüge im Jahr 2017 3,3 Prozent zu den gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands bei. Allerdings entstehen bei der Verbrennung von Kerosin zahlreiche weitere Schadstoffe wie Stickoxide, Aerosole und Wasserdampf, die die Erdatmosphäre ebenfalls verändern. Bezieht man diese Parameter mit ein, ist der Anteil der Klimawirkung laut Umweltbundesamt mindestens doppelt so hoch.

Die Branche sieht sich daher zum Handeln gezwungen. Weltweit gibt es laut einem Zertifizierungsprogramm des internationalen Flughafendachverbands ACI 49 klimaneutrale Airports – in Deutschland aber noch keinen. Im Sommer erklärte der Verband Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen um 50 Prozent reduzieren zu wollen. Der Münchner Flughafen will bis 2030 klimaneutral werden. Der Helmut-Schmidt-Flughafen hat sich das Ziel gesetzt, schon 2021 klimaneutral zu arbeiten. Neben dem Klimawald sollen dazu eine Reihe weiterer Maßnahmen beitragen.

Blockheizkraftwerk deckt 70 Prozent des Wärmeenergiebedarfs

Ein eigenes mit Erdgas betriebenes Blockheizkraftwerk decke rund 70 Prozent des Wärmeenergiebedarfs ab, hieß es. Den Rest steuere Ökostrom bei. Durch ein Thermolabyrinth in elf Metern Tiefe, in dem das Jahr über eine konstante Temperatur herrsche, werde die Außenluft im Sommer vorgekühlt und im Winter vorgewärmt, bevor sie in die Klimaanlagen der Terminals gelangt. Dadurch könne die Leistung der Klimaanlage gesenkt werden – pro Jahr würden so 400 Tonnen CO2 vermieden.

Besonders wichtig ist in der Branche aber natürlich der Spritverbrauch. Vor einigen Wochen wurde die neue Doppelrollgasse auf dem Vorfeld in Betrieb genommen. Auf ihr können zwei Flugzeuge von der Größe eines Airbus A320 oder einer Boeing 737 aneinander vorbeirollen. In zwei Jahren soll das Lichtsystem „Follow the Greens“ starten. Das System errechnet die optimale Route auf dem engen Vorfeld, führt die Piloten mit grünen Lichtsignalen zur Park- oder Startposition und soll so die Rollzeiten verkürzen und Treibstoff sparen.

Ab 2023 sollen Flugzeuge auch mit Biosprit betankt werden

Zudem sollen bereits im nächsten Jahr nahezu alle Standardfahrzeuge am Boden mit Wasserstoff, Erdgas, Strom oder synthetischen Kraftstoffen angetrieben werden. Synthetische Kraftstoffe würden seit drei Jahren bei allen dieselbetriebenen Fahrzeuge eingesetzt. Auch im Bereich Flugzeugbetankung sei man an mehreren Projekten zur Entwicklung und Nutzung von synthetischem Kerosin tätig, hieß es. Im Februar verkündeten Lufthansa, Hamburg Airport und die Raffinerie Heide eine Kooperation. Gefördert durch 4,2 Millionen Euro Steuergeld, soll künftig überschüssiger Windstrom zur Produktion synthetischen Kerosins genutzt werden. Die Pilotanlage soll Ende 2023 starten und dann fünf Prozent des Spritbedarfs am Hamburger Flughafen abdecken. Das wären jährlich rund 20.000 Tonnen Bio-Sprit.

Ein Anfang – gemessen am Weltverbrauch der Airlines aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Seit 2009 steigt der weltweite Kerosinverbrauch jährlich, für dieses Jahr wird ein Verbrauch von mehr als 350 Milliarden Liter erwartet.