Hamburg. Ein Alarmsignal der Natur: Viele Moore haben kein Wasser mehr. Dramatische Folgen und großer Schaden fürs Klima.

Gerade erst verursachte die Nachricht über die ausgetrocknete Alsterquelle Aufregung. Jetzt wird immer offensichtlicher, dass auch Moore, Seen und Waldgebiete in und um Hamburg in großer Gefahr sind. In Mooren wie dem Raakmoor, dem Schnaakenmoor oder dem Eppendorfer Moor sind Teiche und Tümpel, die sonst voller Wasser stehen, komplett ausgetrocknet.

In Gewässern wie dem Hummelsee oder dem Kleinen Bramfelder See hinterlassen sinkende Wasserspiegel Sandbänke und Schlammwüsten. Und auch die Bäume in Hamburgs Wäldern weisen starke Trockenheitsschäden auf.

„Das Austrocknen der Moore ist dramatisch“, sagt Anne Ostwald, Referentin für Moorschutz beim Naturschutzbund Nabu. Moore seien Heimat von seltenen Pflanzen und Tieren und bänden auch deutlich mehr Kohlenstoff als Bäume. Dennoch seien Hamburgs Moore in der Vergangenheit großflächig entwässert worden, um den Boden landwirtschaftlich nutzen oder Torf abbauen zu können.

„Sie waren also ohnehin in keinem guten Zustand“, so Ostwald. „Jetzt sind viele völlig vertrocknet – auch im Duvenstedter Brook, Hamburgs Vorzeigenaturschutzgebiet, wo Spundwände ein Abfließen des Wassers verhindern sollen.“ Das bedrohe dort vor allem die Kraniche. „Sie brüten normalerweise auf kleinen Brutinseln. Das Wasser schützt sie vor Wildschweinen, die jetzt über den trockenen Boden zu den Nestern gelangen und die Eier fressen können.“

Was die trockenen Moore für das Klima bedeuten

Doch auch für das Klima sei das Trockenfallen der Moore schädlich, da das Zersetzen der Torfe große Mengen an Kohlendioxid (CO2) und anderen klimawirksamen Gasen freisetze. Auch Stickstoff und Phosphate könnten durch die Torfzehrung freigesetzt werden und sensible Ökosysteme beeinträchtigen.

Das Wasserloch im Raakmoor im März 2019
Das Wasserloch im Raakmoor im März 2019 © Jürgen Hoppe/Bettina Amedick

Weniger dramatisch ist die Dürre offenbar für stehende Gewässer oder die Alster und ihre Nebenflüsse. „Wasserstandsschwankungen bis hin zum Austrocknen lassen sich bei ähnlichen klimatischen Bedingungen mit wenig Regen und starker Verdunstung seit Jahren an zahlreichen Stadtgewässern beobachten“, sagt Jan Dube, Sprecher der Umweltbehörde. Dies werde sich mit dem nächsten ergiebigeren Regen ändern.

Die Torfmoose wachsen nicht mehr

Das Wasserloch im Raakmoor –  aufgenommen im September 2019
Das Wasserloch im Raakmoor – aufgenommen im September 2019 © Jürgen Hoppe/Bettina Amedick

So sehr sich die meisten über die heißen Sommertage und die seltenen Niederschläge freuen: In der Natur richtet das mediterrane Klima großen Schaden an. „Es fehlt einfach die entsprechende Menge an Niederschlägen, um die Gewässer ausreichend mit Wasser zu versorgen“, sagt Behördensprecher Dube.

Bettina Amedick, beim Nabu ehrenamtlich für die Pflege des Raakmoors zuständig, sieht es regelmäßig beim Rundgang durch das Langenhorner Naturschutzgebiet. „Es ist alles ausgetrocknet, auch die große Moorfläche im südlichen Bereich“, sagt sie. Die Folge: Die Torfmoose, wichtige Wasserspeicher für die Moore, wachsen nicht mehr. „Ich weiß nicht, ob sie sich regenerieren, und mache mir große Sorgen um die Moore.“

Auch der Fortbestand des ohnehin schon gefährdeten Moorfrosches, der in mehreren Hamburger Naturschutzgebieten vorkommt, ist bedroht. Zum Laichen ist er auf Tümpel und flache Teiche angewiesen, die in diesem Frühjahrs aber oft ausgetrocknet waren, bevor die Entwicklung der Eier über Kaulquappen zu Jungfröschen erfolgen konnte.

BUND: "Bestände könnten ganz einbrechen"

„Sollte sich die Trockenheit der letzten beiden Jahre weiter fortsetzen, könnten die ohnehin kritischen Bestände ganz einbrechen und ganze Arten aus Mooren und Feuchtgebieten verschwinden“, warnt Manfred Braasch vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die Niederschlagsmenge im vergangenen Februar habe nur 67 Prozent der üblichen Menge betragen, im April sogar nur 35 Prozent.

In manchen Gebieten werde das Trockenheitsproblem durch Wassermissmanagement von Menschenhand zusätzlich verschärft, kritisiert der Umweltschützer. „Im Marschgebiet von Wilhelmsburg etwa haben Landwirte wegen der Trockenheit in diesem und im vergangenen Jahr für die Bewässerung viel Wasser aus dem Grabensystem entnommen.“ Über die Siele der Elbe wurde aber nicht genügend Wasser nachgeliefert, obwohl dies möglich wäre. Dadurch käme es immer wieder zu Situationen, in denen zu wenig Wasser im System sei.

„Die Leute wollen ja keine nassen Keller haben.“

Ähnlich war es auch beim Raakmoor, weiß Nabu-Mitarbeiterin Amedick. „Der Hummelsbüttler Moorgraben und der Raakmoorgraben sind Entwässerungsgräben. Es müsste untersucht werden, ob man die Gräben dicht machen und das Wasser anstauen könne. Bei Mooren in besiedelten Gegenden, wie dem Raakmoor und dem Eppendorfer Moor, sei das schwieriger. „Die Leute wollen ja keine nassen Keller haben.“

In der Umweltbehörde ist man sich bewusst, dass etwas für den Erhalt der Moore getan werden muss. Dort wird aktuell ein Gutachten für die Hummelsbüttler Feldmark vorbereitet. „Hintergrund sind die seit Jahren bestehenden Defizite in der Wasserführung der Moore“, sagt Jan Dube. Das Gutachten werde unabhängig von der aktuellen Niederschlagssituation durchgeführt. Ob und welche Maßnahmen davon abgeleitet würden, könne erst nach seiner Fertigstellung beurteilt werden.

Was Stress für die Bäume bedeutet

BUND-Chef Braasch verweist darauf, dass auch im Hamburger Stadtgebiet das Problem der Dürre, die seit dem vorigen Spätsommer in den tieferen Bodenschichten liege, durch menschlichen Einfluss verstärkt werde. „In Hamburg wird Regenwasser massiv in die Kanalisation abgeleitet und damit dem Boden entzogen. Hier sind steigende Versiegelung und geringe Niederschläge ein Teufelskreis.“ Flachwurzlern wie Fichten oder Birken gehe es jetzt schon erkennbar schlecht.

„An vielen Bäumen in Hamburg ist zu beobachten, dass sie aus Stress vor ihrem potenziellen Ableben noch einmal kräftig fruchten. Wir befürchten, dass in den nächsten Jahren viele Bäume absterben werden.“ Die Stadt müsse daher das Regenwassermanagement noch stärker überdenken und mehr Versickerung möglich machen.

Auch in Wäldern wie dem Niendorfer Gehege oder dem Klövensteen leiden die Bäume. „Einen so extremen Zustand habe ich noch nie erlebt“, sagt Revierförster Nils Fischer. „Keine einzige Wasserstelle im Klövensteen führt mehr Wasser, dabei haben wir hier sonst eher zu viel davon.“ Man sehe den Bäumen ihren Stress förmlich an: Die Blätter der Laubbäume seien zu klein und an den Rändern eingerollt, Fichten und Kiefern hätten lichte Kronen.

Dazu litten die durch Trockenheit und Strahlungshitze geschwächten Bäume unter Schädlingen wie dem Buchdrucker. Nachhaltig Abhilfe könnte nur Regen bringen, der die Grundwasserreserven wieder auffüllt.

Die Setzlinge, von denen Fischer und seine Mitarbeiter laut Pflege- und Entwicklungsplan im Klövensteen rund 10.000 pro Jahr pflanzen, leiden ebenfalls unter der Dürre. „Von den jungen Bäumen, die wir im vergangenen Herbst und Frühjahr in die Erde gebracht haben, sind rund 20 Prozent vertrocknet“, sagt Fischer. Im Niendorfer Gehege ist die erste Baumart bereits abgestorben. „Wir haben etwa 100 Exemplare der Sitka-Fichte verloren“, klagt Revierförster Sven Wurster. Vom Ponyhof aus könne man ihre braunen Kronen sehen.