Hamburg. 248-mal mussten die Beamten zum dortigen Bahnhof ausrücken, deutlich häufiger als auf den Kiez. Drogenhandel besonders im Fokus.

Ständige Kontrollen, Videoüberwachung, Flutlichtmasten, sogenannte Gefährderansprachen: Mit großem Aufwand hat die Polizei versucht, die Straßenkriminalität an Brennpunkten wie dem Jungfernstieg einzudämmen und für ein besseres Sicherheits­gefühl zu sorgen. Obwohl das Konzept deutliche Früchte trägt, beschäftigt die Straßenkriminalität im Bereich von zen­tralen Bahnhöfen die Beamten jedoch weiterhin stark. Insbesondere der Drogenhandel steht inzwischen im Fokus.

Zwischen Januar und Ende September dieses Jahres musste die Polizei bereits 248-mal zu Einsätzen am Bahnhof Jungfernstieg ausrücken – das ist das zweithöchste Aufkommen nach dem Hauptbahnhof mit insgesamt knapp 650 Einsätzen in rund 250 Tagen.

164 Alarmierungen an der S-Bahn-Haltestelle Reeperbahn

Erst mit einigem Abstand folgen dahinter der Bahnhof Altona (177 Einsätze) und die S-Bahn-Haltestelle Reeperbahn mit 164 Alarmierungen. Das geht aus der Senatsantwort auf eine aktuelle Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dennis Gladiator zur Straßenkriminalität in Hamburg hervor.

Die Statistik umfasst dabei nur Einsätze, bei denen im elektronischen Leitsystem der Polizei auch der Begriff „Bahnhof“ vermerkt wurde und ist somit mutmaßlich nicht umfassend. Grundsätzlich sind jedoch auch Einsätze enthalten, bei denen Polizisten nur präventiv vor Ort sind.

Polizei bewertet Videoüberwachung und Beleuchtung positiv

Die Lage am Jungfernstieg könne inzwischen insgesamt als „unauffällig“ bezeichnet werden, sagte Polizeisprecher René Schönhardt. Zu Spitzenzeiten hielten sich dort zwar noch 50 bis 100 „Personen der polizeilich relevanten Zielgruppe auf, jedoch gebe es keine größeren zusammenhängenden Gruppen mehr. Auch schwerere Straftaten seien in diesem Jahr weitgehend ausgeblieben.

Lediglich im Januar hätte eine JugendGang von etwa 15 Personen mutmaßlich für eine Serie von Raubtaten gesorgt – nach dem Einsatz von Zivilfahndern hätten jedoch mehrere Täter identifiziert werden können. Insgesamt würden vor allem die installierte Videoüberwachung und Beleuchtung des Areals „aus hiesiger Sicht positiv bewertet“, so Schönhardt.

Drogendealer im Bahnhofsbereich Jungfernstieg

Nach Abendblatt-Informationen treiben die Polizisten vor Ort jedoch seit einiger Zeit verstärkt Drogendealer im Bereich des Bahnhofes um. Passagiere schrieben in sozialen Medien, dass „ganz offen am Bahnsteig“ etwa Marihuana und Koks zum Kauf feilgeboten würden. Zudem prahlten die Dealer dort mit teurer Kleidung, die sie mit den illegalen Geschäften finanziert hätten.

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Der Polizeisprecher bestätigte, dass eine „Häufung von Betäubungsmittel­delikten im Bereich des S- und U-Bahnhofs“ auch dem Polizeikommissariat 14 an der Caffamacherreihe bekannt sei. „Mit dem gezielten Einsatz von Präsenzkräften wird dementsprechend einer Verfestigung dieser Szene entgegengewirkt.“

Zudem führe man Einsätze mit Bundespolizei, Hochbahnwache und DB-Sicherheit durch. Die für den S-Bahnhof zuständige Bundespolizei hält sich bei dem Thema bedeckt. Laut einem Sprecher liege das Aufkommen der Straftaten in dem Bereich insgesamt seit 2018 auf einem etwa gleichbleibenden Niveau.

Videoüberwachung als probates Mittel gegen Straßenkriminalität

Der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator sieht sich durch die neuen Zahlen in dem Glauben bestätigt, dass Videoüberwachung ein probates Mittel gegen Straßenkriminalität sei. „Wir bleiben bei unserer Forderung, dass eine Ausweitung des Videoschutzes und die Erprobung des Einsatzes intelligenter Videotechnik dringend erforderlich ist.“ Diese störe niemanden, „der in redlicher Absicht unterwegs ist; ganz im Gegenteil fühlen sich rund 80 Prozent der Bevölkerung dadurch gerade sicherer“, sagte Gladiator.

Gleichwohl dürfe sich der Staat auch an technisch gut überwachten Orten nicht zurücklehnen. „Orte wie der Jungfernstieg bleiben unter diesem Senat leider Kriminalitätsschwerpunkte“, so Gladiator.

ZOB Hamburg: 574 Polizeieinsätze zwischen Januar und Ende September

Wie aus der aktuellen Senatsantwort weiter hervorgeht, ist die Polizei nicht nur an den Zughaltestellen in der City, sondern auch am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) an der Adenauerallee enorm eingebunden. Zwischen Januar und Ende September wurden dort 574 Polizeieinsätze registriert – so viele wie an 14 der 16 übrigen großen Busbahnhöfe der Stadt zusammen. Lediglich am ZOB Wandsbek-Markt und am ZOB Altona wurden mehr als 100 Polizeieinsätze in der Zeit gezählt.

Mehrfach berichtete das Abendblatt in den vergangenen Jahren, dass sich Passagiere teilweise von Bettlern und Trinkern am ZOB nahe dem Hauptbahnhof verunsichert fühlen. Nach damaligen Angaben der Geschäftsführung der Polizei ist der Bereich jedoch kein Kriminalitätsschwerpunkt, die Drogenkonsumenten dort größtenteils unauffällig. „Es handelt sich um ein Phänomen, wie es bedauerlicherweise typisch für viele Bahnhofsviertel in Großstädten ist“, sagte ein Polizeisprecher.

Auch abseits der City bleiben Bahnhöfe im Fokus

Laut der Kriminalstatistik kam es 2018 zu insgesamt mehr als 56.000 Straftaten im Bereich der Straßenkriminalität – 20.4000 davon allein im Bezirk Mitte. Den Senatsdaten zufolge sind jedoch auch weiter stadtauswärts gelegene Stadtteile verstärkt von Polizeieinsätzen betroffen. So wurden etwa am Bahnhof Farmsen bis Ende September 166 Alarmierungen gezählt – auch an den Haltestellen Wandsbek Markt, Barmbek und Ohlsdorf kam es jeweils zu mehr als 100 Einsätzen.

Nach Senatsangaben werden abseits der Technik in Bahnhöfen inzwischen auch 25 Bushaltestellen per Videokamera überwacht – „vornehmlich aus verkehrlichen Gründen“, wie es heißt.