Hamburg. Am Wochenende überwacht die Hamburger Polizei rund um die Uhr, was an der Alster passiert. Aufenthaltsverbote sollen helfen.

Als Martin Brüning mit seiner zehnjährigen Tochter nach der Dschungel-Nacht in Hagenbecks Tierpark die U-Bahn nimmt, freuen sich beide auf einen geruhsamen Ausklang des Tages. Gegen 23.30 Uhr am vergangenen Sonnabend fährt die U 2, „brechend voll mit Eltern und Kindern“, im Bahnhof Jungfernstieg ein. Dort beobachtet der Unternehmensberater einen Krawall. Brüning sieht und hört, wie „zehn bis 15 südländisch aussehende Männer“ am Bahnsteig Wachleute der Hochbahn und Polizisten übelst beschimpfen.

Offenbar suchen die Beamten auch in der Bahn nach einem Verdächtigen. „Da sind Worte gefallen wie ,Bullenschweine‘, ,verpisst euch‘ oder ,Wir übernehmen euer Land‘“, sagt Brüning. Seine Tochter habe Angst bekommen und geweint. Der ganze Spuk habe etwa zehn Minuten gedauert. „Dann schloss sich die Tür, und wir konnten nach Hause fahren.“

Aggressive Grundstimmung

Die Szene mag ein Einzelfall sein. Doch an den Wochenenden, vor allem an lauen Sommerabenden, prägt mitunter eine aggressive Grundstimmung den Bereich rund um die Europa-Passage und den Alsteranleger. Schlägereien, Trinkgelage, Belästigungen von Passanten, Messerstechereien – immer wieder ist Hamburgs Prachtboulevard deshalb in die Schlagzeilen geraten.

Kommentar: Jungfernstieg muss sicher sein

Um Gefahrensituationen schneller erkennen zu können, hat die Polizei Ende 2017 am Jungfernstieg Überwachungskameras installiert – überwiegend moderne Geräte, die Bilder in bester Qualität inklusive Ausschnittsvergrößerung liefern. Aktuell sind dort neun Kameras an sechs Masten aktiv, zwölf Kameras sollen es werden. Drei starre Kameras sind direkt auf den Alsteranleger gerichtet. Die Bilder laufen auf Monitoren im Polizeikommissariat 14 (Caffamacherreihe) ein und können bis zu 30 Tage gespeichert werden. Sind die Kameras freigeschaltet – vor Feiertagen oder an den Wochenenden – werden die Aufnahmen von „mindestens einem Beamten nahezu lückenlos überwacht“, so Wundrack.

Ausufernde Gewalttaten

Die Videobilder helfen der Polizei, drohende Eskalationen am Jungfernstieg frühzeitig zu erkennen, sodass Beamte schnell und gezielt zum Tatort beordert werden können. So hätten etwa in den Nachtstunden des 8. April die Bilder dabei geholfen, zwei Männer zu fassen, die sich an einer Schlägerei beteiligt hatten, so Wundrack. In zwei Ermittlungsverfahren seien zudem Aufnahmen mit „zur Akte“ genommen worden. Vier Einsätze seien durch die Beobachtung der Videobilder generiert worden. Wie oft deshalb Streifenwagen ausgerückt sind, sei nicht bekannt – die Auswertung sei sehr zeitaufwendig.

Seit Sommer 2016 gilt der Jungfernstieg mit dem Bereich rund um die Europa-Passage als ein innerstädtischer Brennpunkt, als Schauplatz von exzessivem Alkoholkonsum und zuweilen ausufernder Gewalttaten. Als nervtötende Dreingabe für Einzelhändler und Passanten drehen zudem Autoposer ihre Runden. Die Polizei registriert hier vor allem Drogen- und Ausländerdelikte, Diebstahlstaten, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen.

„Laute orientalische Musik“

Bei den „polizeirelevanten Personengruppen“ handele es sich grundsätzlich um Jugendliche und Heranwachsende, die überwiegend einen Migrationshintergrund haben, sagt Wundrack. Bis vor Kurzem trafen sich Gruppen mit bis zu 100 Jugendlichen am Freitag- oder Sonnabendabend zunächst vor dem McDonald’s-Restaurant an der Europa-Passage, wo sie Alkohol tranken, rauchten und „laute orientalische Musik“ hörten. „Dadurch wurde der Betrieb im Bereich Europa-Passage erheblich gestört“, so Wundrack.

Kaum hatte McDonald’s geschlossen, zogen die Gruppen zum Alsteranleger. Je später die Stunde, desto aggressiver die Stimmung: „Zwischen verschiedenen Personengruppen kommt es wiederholt zu Imponiergehabe und Provokationen“, so Wundrack. Gelegentlich entwickelten sich daraus verbale und körperliche Auseinandersetzungen.

Polizist: „Wir sind hier sehr wachsam“

Die Polizei hat ihre Präsenz am Jungfernstieg längst erhöht. „Wir sind hier sehr wachsam“, sagt ein Beamter. Und die Polizei greift härter durch. So hat sie 18 junge Leute aus Syrien, Afghanistan und dem Irak dreimonatige Aufenthaltsverbote für den Bereich Binnenalster erteilt. Sie waren als Beteiligte einer Schlägerei nahe der Europa-Passage ermittelt worden. Bei der Auseinandersetzung Mitte Februar war ein 18-Jähriger durch einen Messerstich in den Rücken verletzt worden. Seit Ende April habe sich die Gesamt­lage am Jungfernstieg „beruhigt“, so Wundrack. Der Sommer hat allerdings noch nicht einmal begonnen.