Hamburg. Auch Bettler sind vermehrt am Busbahnhof anzutreffen. Polizei sieht keinen Brennpunkt, ist aber häufiger vor Ort im Einsatz.
Etwa sechs Millionen Fahrgäste im Jahr: Der Zentrale Omnibus-Bahnhof (ZOB) in Hamburg ist spätestens seit der Liberalisierung des Fernbusverkehrs ein wichtiger Knotenpunkt für Fahrten innerhalb Deutschlands, aber auch ganz Europas. In einer aktuellen Studie des Anbieters Flixbus, bei der mehr als 40.000 Fahrgäste zur Nutzerfreundlichkeit befragt wurden, liegt der Fernbusbahnhof auf Platz drei. Maßgeblich für die Bewertung waren vor allem Sitzmöglichkeiten, Verpflegung und Abfahrtsinformationen. „Es ist uns wichtig, dass die Fahrgäste ein gutes Gefühl am ZOB haben“, sagt ZOB-Geschäftsführer Andreas Ernst.
Bettler halten Reisenden bei Ankunft Becher unter die Nase
Ein gutes Gefühl haben am Busbahnhof aber neben Fahrgästen insbesondere auch Bettler und Trinker. Nicht selten kommt es vor, dass Reisende bei Verlassen des Busses sofort einen Becher unter die Nase gehalten bekommen, mit der Aufforderung, doch wenigstens einige Cent hineinzuwerfen. Wer Nein sagt, muss in manchen Fällen auch mit Beschimpfungen rechnen. „Das wirft natürlich nicht das beste Licht auf die Stadt, wenn Touristen als Erstes mit einer Gruppe von Bettlern und Trinkern konfrontiert werden“, kritisiert ein Fahrgast.
„Es gibt Bettelei am ZOB“, bestätigt Geschäftsführer Ernst. Das sei aber für eine Großstadt und nahe dem Hauptbahnhof nicht ungewöhnlich. Bettler, die am ZOB für längere Zeit ihr Lager aufschlagen, gebe es nicht. „Diese Menschen machen ihre Runden und kommen auch bei uns vorbei.“ Besonders häufig anzutreffen sind sie am U-Bahn-Abgang zum Hauptbahnhof hin, in Höhe der Kreuzung Steintorplatz/Steindamm. Dieses Areal gehört nicht zum Gelände des Busbahnhofs, sodass die Mitarbeiter Trinkern gegenüber, die sich dort aufhalten, keinen Platzverweis aussprechen können. Das Thema Hausrecht ist generell problematisch. „Das Gelände ist offen zugänglich und für Reisende mit Koffern dadurch barrierefrei. Die konsequente Umsetzung eines Hausrechts würde beispielsweise eine Einzäunung erfordern“, erklärt Ernst. Das Aussprechen von Platzverweisen ist daher schwierig. Deshalb wird derzeit geprüft, ob es juristisch möglich ist, das ZOB-Areal durch eine optische Markierung einzugrenzen, um klare Verweise aussprechen zu können, so Ernst.
Der Geschäftsführer der ZOB Hamburg GmbH stellt klar: „Wir haben kein objektives Sicherheitsproblem.“ Im vergangenen Monat musste die zuständige Hochbahnwache in elf Fällen Personalien feststellen.
ZOB-Leitung will Streifen je nach Lage verstärken
Auch für die Polizei ist der ZOB kein Kriminalitätsbrennpunkt, allerdings ein Ort mit einer problematischen Szene. „Wir haben dort eine Häufung von Personen aus dem Randständigenmilieu, konkret aus der Trinkerszene“, sagt Polizeisprecher Timo Zill. Es handele sich hauptsächlich um Osteuropäer, vereinzelt um Deutsche. Die Zahl liege manchmal im einstelligen, immer wieder aber auch im zweistelligen Bereich. Dazu kämen Drogenkonsumenten, die sich aber aus polizeilicher Sicht unauffällig verhielten. „Es handelt sich um ein Phänomen, wie es bedauerlicherweise typisch für viele Bahnhofsviertel in Großstädten ist“, so Zill.
An Straftaten werden laut Zill seltener Raubtaten, häufiger dagegen einfache und gefährliche Körperverletzungen begangen. „Hierbei handelt es sich sehr oft um Taten, die von Personen der Randständigenszene untereinander begangen werden“, so Zill. So gab es im August dieses Jahres dort eine Messerstecherei, als mehrere Rumänen untereinander stritten und ein Russe (37) dazwischenging. Daneben werden am ZOB viele Diebstahlsdelikte registriert. „Dabei handelt es sich vor allem um Diebstähle von Taschen und Koffern“, so Zill. Das liege an den Tatgelegenheiten: Vom ZOB aus fahren viele Reisebusse ins Ausland. Auch der Zoll ist immer wieder am Busbahnhof im Einsatz, hat dabei aber die Fahrgäste und mögliche Schmuggelware im Visier.
Unabhängig von der objektiven Lage fühlen sich viele Fahrgäste am ZOB unsicher, insbesondere wenn es jetzt früher dunkel wird, wie eine Umfrage des Abendblatts an vier Abenden in der vergangenen Woche ergab. Einige Fahrgäste erzählen, dass sie sich im Dunkeln gar nicht mehr allein auf das Gelände trauten. Ein älteres Ehepaar beeilt sich, nach Hause zu kommen. „Wir sind froh, wenn wir hier weg sind.“ Ein Tereg-Mitarbeiter, der für die Sauberkeit vor Ort zuständig ist, berichtet, dass er erst kürzlich Zeuge einer Schlägerei wurde.
Neben der Polizei geht auch die Hochbahnwache Streife, dazu gibt es Überwachungskameras und Lichtspots, die das Gelände ausleuchten. „Die Kollegen der Hochbahnwache machen einen guten Job und sind bei Vorfällen schnell vor Ort“, sagt Ernst. Diese Maßnahmen sollen natürlich auch dem subjektiven Sicherheitsempfinden dienen. Auch Natalie Martin, bürgernahe Beamtin im Bereich St. Georg-Süd, kommt immer wieder vorbei. Sie spricht sowohl mit Passanten als auch mit Trinkern.
Dennoch halten viele Passanten die Präsenz von Sicherheitskräften für zu gering. Eine Streife, so berichtet auch der Tereg-Mitarbeiter, der seit einigen Jahren am ZOB tätig ist, sieht er auf dem Gelände nur selten. Eine junge Frau berichtet, sie wolle die Zeit, bis ihr Bus abfahre, auf keinen Fall am Busbahnhof verbringen. Dafür fühle sie sich zu unsicher. Zwei Damen, die direkt gegenüber des U-Bahn-Abgangs auf ihren Bus warten, sagen: „Mehr Licht wäre schön.“
Die Leitung der ZOB Hamburg GmbH, deren Hauptgesellschafter die Hamburger Hochbahn ist, nimmt die Sorgen der Reisenden ernst. Sie beobachte die Lage und tausche sich regelmäßig mit Polizei und Hochbahnwache aus, so Geschäftsführer Ernst. Gegebenenfalls würden die Streifen der Hochbahnwache verstärkt oder in die Abendstunden verlagert, wenn die Situation dies erfordere. Bislang sei dieses aber nicht geplant.
Während der Hochzeit der Flüchtlingskrise vor einem Jahr, als viele Menschen am ZOB auf ihre Weiterreise warteten, war die Bestreifung verstärkt worden, damit sich alle Fahrgäste sicher fühlten. „Im Moment sehen wir keinen Bedarf, das Sicherheitsaufgebot zu erhöhen“, sagt Ernst. „Wir werden aber auf jede Lageänderung flexibel reagieren.“