Hamburg. Finanzbehörde hat 935 reale Beispiele anhand von mehreren Modellen durchgerechnet. Welche Immobilien nun teurer werden.

Die Debatte um die Reform der Grundsteuer bekommt neue Nahrung. Die Hamburger Finanzbehörde hat anhand von 935 realen Beispielen die zur Diskussion stehenden Modelle durchgerechnet – wobei der Fokus vor allem auf dem von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf und dem von Niedersachsen ins Spiel gebrachten Flächen-Lage-Modell (FLM) liegt. Vor weiteren Verhandlungen der Länderfinanzminister heute und morgen in Berlin deutet sich an, dass auch Hamburg auf diesen Reformvorschlag setzen könnte.

Die Entscheidung betrifft alle Bürger in Deutschland, denn die Grundsteuer zahlt jeder – entweder direkt als Immobilienbesitzer oder indirekt als Mieter. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die auf völlig veralteten Werten basierende alte Grundsteuer gekippt und bis Jahresende eine Reform gefordert hat, steigt der Druck auf Bund und Länder, sich auf ein neues Modell zu einigen.

Vorschlag aus Niedersachsen hat zwei Vorteile

Aus Sicht der Finanzbehörde hat das Flächen-Lage-Modell zwei entscheidende Vorteile: Erstens ist es leicht und mit relativ geringem Verwaltungsaufwand umzusetzen, da es, wie der Name sagt, nur auf die Faktoren Fläche (der Immobilie und des Grundstücks) und Lage setzt. Hier wurden zunächst nur drei Lage-Faktoren verwendet: 1, 1,5 und 2. Theoretisch wäre eine weitere Differenzierung möglich. Dem entgegen steht das deutlich kompliziertere Scholz-Modell, das im Kern eine Neubewertung aller Immobilien in Deutschland vorsieht und viele weitere Faktoren einbezieht.

Zweitens sprechen auch die Berechnungen der Finanzbehörde für den Vorschlag aus Niedersachsen. Denn in dem Modell sind die Ausschläge nach oben und unten deutlich geringer als im Scholz-Modell und auch als in dem reinen Flächen-Modell, das Bayern bevorzugt und für das auch Hamburg lange geworben hatte.

„Die Überlegungen aus Niedersachsen finden wir interessant“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) dem Abendblatt. „Eine reformierte Grundsteuer darf weder zu erheblichen Mehrbelastungen noch zu großen Verwerfungen durch exorbitante Belastungsverschiebungen führen, das ist und bleibt unser oberstes Ziel.“ Und das Lage-Modell habe den Vorteil, dass „nicht in Billstedt und Blankenese dieselbe Grundsteuer bezahlt wird“, so Dressel. Das sei im Sinne der Gerechtigkeit vertretbar.

Hamburg und andere Länder kämpfen gegen „Bestrafung“

Dennoch könne Hamburg sich noch nicht festlegen, ob es am Ende wirklich auf ein eigenes Modell setzen wird. Zwar gesteht eine Öffnungsklausel den Ländern diese Möglichkeit zu. Doch wie berichtet besteht das Bundesfinanzministerium bislang darauf, dass jedes Land mit abweichendem Modell dennoch für den Länderfinanzausgleich sämtliche Daten auch nach dem Scholz-Modell erhebt. Dressel hatte das als „Strafe“ kritisiert, die CDU als „Giftpille“. Daher kämpfen nun CDU-regierte Länder und das rot-grüne regierte Hamburg gemeinsam gegen diesen Passus.

grundsteuer.png

Wäre dieser Kampf erfolgreich, könnte sich eine Allianz aus Hamburg, Niedersachsen und Unions-regierten Ländern wie Nordrhein-Westfalen und eventuell Bayern dafür einsetzen, das Flächen-Lage-Modell als zweites Standbein neben dem Scholz-Gesetz zu etablieren – zu dem die meisten SPD-regierten Länder neigen. Hamburg schert aus dieser Gruppe der „A-Länder“ aus, weil in der Hansestadt das Scholz-Modell die größten negativen Auswirkungen hätte.

Konkret zeigen die Berechnungen, dass insbesondere für ältere Einfamilienhäuser, aber auch für vor 1948 erbaute Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäuser von wenigen Ausnahmen abgesehen mehr Grundsteuer fällig wird. Das liegt daran, dass die für die Steuerermittlung zugrunde gelegten Immobilienwerte völlig veraltet waren und ihre Wertsteigerung nun erstmals einfließt.

So würde für ein vor 1948 erbautes Einfamilienhaus in Marienthal mit 114 Quadratmeter Wohnfläche und 498 Quadratmeter Grundstück statt bislang 227 Euro Grundsteuer im Scholz-Modell 702 Euro fällig, nach dem Flächen-Lage Modell wären es 418 Euro. Für ein zwischen 1949 und 1978 erbautes Mehrfamilienhaus in Wohldorf-Ohlstedt (388 Quadratmeter Wohnfläche, bislang 435 Euro) würden im Scholz-Modell 9160 Euro fällig, nach dem Flächen-Lage-Modell immerhin 5959 Euro. Es gibt aber auch Gegenbeispiele: So würde ein Mehrfamilienhaus auf der Veddel (vor 1948 erbaut, 1557 Quadratmeter Wohnfläche, bislang 9.470 Euro Grundsteuer) künftig nur noch 5.053 Euro (Scholz) oder 3.116 Euro (FL-Modell) kosten.

Tendenziell gilt: Je neuer die Gebäude, desto geringer die Ausschläge und desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Grundsteuer sogar sinkt. Für eine nach 2001 erbaute Eigentumswohnung auf der Uhlenhorst (118 Quadratmeter) würde sie etwa von 854 auf 544 (Scholz) oder 419 Euro (FLM) sinken, für ein nach 2001 erbautes Einfamilienhaus in Poppenbüttel von 1.620 auf 1.334 (Scholz) oder 822 Euro (FLM).

Besonders krass: Für ein relativ neues Mehrfamilienhaus in der Altstadt (5.127 Quadratmeter) wären statt bislang 39.158 Euro nur noch 16.839 (Scholz) oder 18.099 Euro (FLM) fällig.

Dazu muss man wissen: Da Bund und Länder vereinbart haben, dass das Gesamtaufkommen der Grundsteuer gleich bleiben soll (Hamburg nimmt rund 480 Millionen Euro im Jahr ein, alle Kommunen zusammen 14 Milliarden), hat die Finanzbehörde für ihre Berechnungen bereits testweise den Hebesatz angepasst: Im Scholz-Modell auf 510 Prozent (statt der in Hamburg geltenden 540 Prozent), im Flächen-Lage-Modell auf 1700 Prozent – diese Stellschraube wurde also bereits gedreht.