Hamburg. Haushalt überarbeitet: Weil die Stadt für Altschulden weniger bezahlen muss, wird Geld für U- und S-Bahnen frei.
Für viele Bürger sind die historisch niedrigen Zinsen ein echtes Ärgernis. Ihr Geld auf dem Sparbuch bringt praktisch keine Rendite mehr ein, bald könnten sogar Strafzinsen fällig werden. Für Bund, Länder und Kommunen, fast allesamt hoch verschuldet, eröffnen sich jedoch ganz neue Möglichkeiten – weil ihre Zinsausgaben seit Jahren kräftig zurückgehen.
Auch Hamburg gewinnt dadurch nun neuen Spielraum: Der rot-grüne Senat hat am Dienstag eine Fortschreibung des Haushalts 2019 beschlossen und dabei unter anderem den Ansatz für Zinszahlungen erneut um 100 Millionen Euro gesenkt. Gut 400 Millionen Euro dürfte die Stadt am Jahresende für die Bedienung ihrer Altschulden aufwenden müssen. Zum Vergleich: 2002 hatte Hamburg noch mehr als eine Milliarde Euro für Zinsen ausgegeben – und das aus einem halb so großen Etat.
Weitere 148 Millionen Euro an zusätzlichem Spielraum entstehen, weil sich der Bund stärker an den Integrationskosten beteiligt – indirekt, indem er den Ländern einen etwas größeren Anteil am Umsatzsteueraufkommen überlässt. Drittens lagen die Steuereinnahmen der Stadt trotz der Anzeichen einer Konjunkturflaute im ersten Halbjahr 2019 erneut über den Erwartungen: Mit gut 6,7 Milliarden Euro hatte die Stadt zum Ende Juni bereits 57 Prozent des für das Gesamtjahr prognostizierten Aufkommens (11,9 Milliarden) in der Kasse.
Überarbeitung des laufenden Haushalts
Alles zusammen veranlasste den Senat nun zu einer Überarbeitung des laufenden Haushalts. So soll die Tilgung der Altschulden, die allein im Kernhaushalt der Stadt knapp 24 Milliarden Euro betragen, intensiviert werden: Statt 393 sollen in diesem Jahr 635 Millionen Euro zurückgezahlt werden. Seit 2014 erzielt die Stadt bereits Überschüsse und nutzt diese teilweise zur Schuldentilgung. „Die Altschulden, die wir mit uns herumschleppen, sind eine Last“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) im Rathaus. „In einer Niedrigzinsphase wie dieser merkt man das nicht so. Aber wenn sich die Lage ändert, stehen wir mit Gepäck voller Steine da.“ Er wolle daher die Altschulden reduzieren.
„Investieren, konsolidieren und Hamburgs Wachstum gestalten – das bleibt der rote Faden unserer Finanzpolitik“, sagte Dressel. Daher werde der neue Spielraum unter anderem auch genutzt, um das „Sondervermögen Finanzierung Schnellbahnausbau“ aufzustocken. Wie berichtet, handelt es sich dabei um eine Rücklage für den geplanten Bau neuer S- und U-Bahn-Strecken, vor allem der U 5, S 4 und S 32. Nachdem 2018 erste 50 Millionen Euro eingezahlt worden waren, kommen nun weitere 115 Millionen hinzu.
Bis Mitte der 2020er-Jahre wolle er 500 bis 900 Millionen Euro zu diesem Zweck zurückgelegt haben, sagte Dressel. Geld zu sparen mache derzeit zwar keinen Spaß, habe aber den Vorteil, dass es nicht für andere Dinge ausgegeben werden könne. Einem ähnlichen Zweck dient die Aufstockung der „Zentralen Reserve“ im Etat um 50 Millionen Euro.
Im Herbst wird Finanzierung der „U 5 Ost“ vorgestellt
In dem Zusammenhang kündigte Dressel an, dass der Senat noch im Herbst die Finanzierung der „U 5 Ost“, das ist der 5,8 Kilometer lange Abschnitt von Bramfeld bis in die City Nord, vorstellen werde. Das Papier werde auch eine Verpflichtungsermächtigung über rund 1,7 Milliarden Euro enthalten, also die Zusage, diese Summe zu investieren. „Wir wollen den Point of no Return noch in dieser Wahlperiode überschreiten“. Dressel betonte: „Wir meinen es ernst mit der U 5.“
Weitere Änderungen im Haushalt: Der 2018 geschaffene „investive Quartiersfonds“, aus dem Stadtteilarbeit in der Bezirken gefördert wird, wird um sechs Millionen Euro erhöht. Außerdem wird die Risikovorsorge für Verluste aus den städtischen Beteiligungen sowie für steigende Schülerzahlen und Pensionslasten um 200 Millionen Euro erhöht. Wie berichtet, sind die Pensionsverpflichtungen der Stadt aufgrund des hohen Tarifabschlusses stark gestiegen, sodass der Senat zusätzliche 480 Millionen Euro zurückstellen musste.
Die Opposition kritisierte die Umschichtungen im Haushalt: „Trotz Abschwächung der Konjunktur will der Senat die Ausgaben weiter erhöhen und damit den maximal zulässigen gesetzlichen Finanzrahmen ausschöpfen“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. „Das ist nicht nachhaltig, zumal bereits mit dem aktuellen Haushaltsplan für 2019 die jährlichen Ausgaben strukturell um rund eine Milliarde Euro ausgeweitet wurden.“ Kleibauer störte sich auch daran, dass der Senat diverse „Sammelpositionen“ aufstocke, ohne etwas zur konkreten Verwendung der Mittel zu sagen.
Schulden der Vergangenheit tilgen
„Hier drängt sich der Verdacht auf, dass sich Senator Dressel und die SPD für die nächsten Monate eine Wahlkampfkasse schaffen wollen.“ Auch FDP-Haushaltspolitikerin Jennyfer Dutschke mahnte: „Es ist nicht die Zeit für teure Wahlgeschenkversprechen. Hamburg ist dazu von einem ehrlich und nachhaltig ausgeglichenen Haushalt noch immer zu weit entfernt.“ Ihre Partei begrüße es aber, dass der Senat mehr Schulden tilgen wolle: „Angesichts neuer Schulden durch Rot-Grün im Zuge des HSH-Desasters und dunkler Wolken am Konjunkturhimmel ist das jedoch das Gebot der Stunde.“
Der Haushaltsexperte der Grünen, Farid Müller, räumte ein, dass die Anpassung des Haushalts „finanzielle Spielräume“ schaffe: „Wir geben das Geld allerdings nicht sofort wieder aus, sondern bleiben unserer soliden und vorausschauenden Haushaltsführung treu.“ Auch SPD-Finanzexperte Jan Quast betonte: „Wir nutzen die guten Steuereinnahmen, um Schulden der Vergangenheit zu tilgen und um Aufgaben der Zukunft zu finanzieren, wie etwa den Ausbau des U-Bahn-Netzes. Zudem betreiben wir Vorsorge für schlechte Zeiten.“