Die Juristin und dreifache Mutter Dagmar Entholt-Laudien lernte schon in der Kindheit, sich sozial zu engagieren.
Passender könnte der Ort nicht sein. Die Büros der BürgerStiftung Hamburg befinden sich unweit der Keimzelle der Stadt. Schopenstehl 31. Direkt gegenüber liegt die Ausgrabungsstätte der alten Hammaburg, der Domplatz. Hinter den Türen des schönen alten Gebäudes ist Deutschlands mit Abstand größte Bürgerstiftung zu Hause. Gegründet vor 20 Jahren, beträgt das Stiftungskapital inzwischen 35 Millionen Euro, ausgeschüttet wurden allein im vergangenen Jahr 2,52 Millionen Euro. Das Gesicht dieser großen Gemeinschaftsstiftung ist die Juristin Dagmar Entholt-Laudien.
Sie ist kurz mit der U-Bahn aus der HafenCity herübergekommen. „Das sind zwei Stationen von meiner Kanzlei, das kann man wunderbar machen“, sagt sie und bereitet zwei Becher mit Tee zu. Zumal es gerade kein eigenes Büro hier am Domplatz für sie gebe. „Wir wachsen so schnell, dass wir unter akutem Platzmangel leiden.“ Mehr als 20 fest angestellte Mitarbeiter betreuen das Vermögen und die geförderten Projekte, helfen Stiftern und Spendern. „Und es werden immer mehr.“ Da sei es ein großes Glück, dass die Stiftung gerade eine Immobilie nur zwei Häuser weiter geerbt habe. „Die werden wir jetzt renovieren und dann unser Platzproblem lösen.“
Im Sommer 2018 stieg sie in den Vorstand der Stiftung ein
Dagmar Entholt-Laudien freut diese Entwicklung außerordentlich. „Die Stiftung leistet so wertvolle Arbeit in der Stadt. Und der Zuwachs an Spenden und Treuhandstiftungen zeigt, dass das anerkannt wird.“ Außerdem gebe es nach wie vor viel zu tun. Sie erzählt von einem Beispiel, das sie bewegt habe. Im Rahmen eines besonderen Mentoring-Projektes für Kinder mit türkischen Wurzeln habe ein Mentor einen Viertklässler zu den Gymnasien im Umkreis begleitet, damit er sich dort umsieht. „Die sind zum Tag der offenen Tür bei mehreren Schulen gegangen.“ Der Mentor habe den Jungen ermuntert, sich auf einer der Schulen anzumelden. „Und dieser Junge besucht heute ein Gymnasium.“ Solche Geschichten gebe es zuhauf, sagt Entholt-Laudien.
Die freundliche Frau mit dem gewinnenden Lachen ist froh, diese Aufgabe übernommen zu haben. „Vor etwa eineinhalb Jahren bin ich angesprochen worden, ob ich mir vorstellen könne, mich zu engagieren“, sagt sie. Konnte sie, „denn es passte wunderbar mit meiner Idee zusammen, in der Kanzlei Taylor Wessing ein wenig kürzerzutreten.“ Also stieg sie im Sommer 2018 mit in den Vorstand der Stiftung ein. Das Ziel war, ein halbes Jahr später den Vorsitz zu übernehmen. „Mir war es ausgesprochen wichtig, mich erst einmal in die Materie einzuarbeiten, bevor ich die Verantwortung übernehme.“ Besonders hilfreich sei dafür die Zusammenarbeit mit ihrer Vorgängerin Birgit Schäfer gewesen.
Die Juristin ist auch Mitglied im Zonta-Club
Für Entholt-Laudien ist ehrenamtliches Engagement selbstverständlich. „Ich bin damit aufgewachsen“, sagt sie. Ihr Vater, Vorstand einer Bank in Bremen, habe verschiedene Aufgaben nebenbei wahrgenommen. Und ihre Mutter habe jedes Jahr unzählige Pakete für die Ostzone gepackt, wie die DDR damals nicht nur in ihrer Familie genannt wurde. „Sie war dann ganze Nachmittage weg, um zu packen.“ Ihr sei von frühester Kindheit an vermittelt worden: „Das macht man so.“
Aber in den Jahren als junge Mutter habe sie zu wenig Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten gehabt. „Nur im Zonta-Club war ich schon die ganze Zeit aktiv.“ Die Förderung und Unterstützung von Frauen, das sei ihr einfach zu wichtig gewesen. Der Zonta-Club ist ein Zusammenschluss berufstätiger Frauen in verantwortungsvollen Positionen, die sich dafür einsetzen, die Lebenssituation von Frauen zu verbessern. Allerdings, ein latent schlechtes Gewissen habe sie immer begleitet. „Ich konnte ja selbst in den Schulen meiner Töchter nicht wirklich helfen, weil ich immer gearbeitet habe.“ Das wollte sie, seitdem die drei Töchter aus dem Haus sind, dringend ändern. Deshalb kam die Anfrage für die Bürgerstiftung genau zur richtigen Zeit.
Die junge Mutter wurde 1995 Partnerin bei der Kanzlei Taylor Wessing
Entholt-Laudien ist in Bremen aufgewachsen. Nach dem Abitur begann sie ein Jura-Studium. Auch wenn die 60-Jährige es nicht so richtig zugibt, eine gewisse berufliche Prägung erlebte sie zu Hause. In ihrer Familie gibt es unzählige Juristen, viele Generationen zurück. Einer davon ihr Vater.
Die junge Frau ging zum Studium nach Freiburg – „weil ich richtig selbstständig werden wollte“ – und kam erst zum Referendariat nach Hamburg. Hier lernte sie auch ihren Mann Bernd kennen. Gründete mit ihm eine Familie. 1991 wurde die erste Tochter geboren, es folgten 1993 und 1996 zwei weitere Mädchen. Doch die junge Mutter war zu dieser Zeit gerade erfolgreich bei der Kanzlei Taylor Wessing eingestiegen, wurde 1995 sogar schon Partnerin, und wollte ihre Karriere nicht riskieren. „In den 90er-Jahren war man schnell weg vom Fenster, wenn man ein Jahr oder länger ausgestiegen ist, erst recht in einer solchen Kanzlei“, sagt sie heute.
Also arbeitete Entholt-Laudien während allen drei Schwangerschaften bis zum Tag der Geburt. „Ich war ja nicht krank.“ Außerdem habe sie es zumindest bei den Töchtern zwei und drei zu Hause beinahe anstrengender gefunden, sagt sie und lacht. Einige Monate, maximal ein halbes Jahr blieb sie dann nach den Geburten der Kanzlei fern, bevor sie zumindest in Teilzeit wieder als Anwältin einstieg.
Unterstützung von Au-Pair-Mädchen und Haushälterin
Funktioniert habe das alles nur, weil sie vor allem von ihrem Mann so unterstützt wurde. Der ist auch Jurist „und konnte zumindest verstehen, warum gewisse Dinge einfach nicht warten konnten“. Wo er konnte, habe er ihr geholfen. „Zur Geburt meiner ersten Tochter hat er mir beispielsweise ein Telefaxgerät geschenkt, damit ich besser mit der Kanzlei kommunizieren konnte.“ Vorwürfe habe sie nie zu hören bekommen, ganz im Gegenteil. „Und er hätte sicherlich hin und wieder sagen können: Warum ist schon wieder keine Milch mehr im Kühlschrank?“ Dazu ein toller Kindergarten. Au-pair-Mädchen, die die drei Kleinen auch mal von Kita oder Schule abholen konnten. Und eine Haushälterin, „die zu Hause nicht selten den Laden geschmissen hat“.
Fast noch schwieriger sei es geworden, als alle in die Schule gingen. „Dass ich da beinahe nie mithelfen konnte, war ja nur das eine“, sagt Entholt-Laudien. Von nun an seien die Mädchen mittags hungrig nach Hause gekommen – Verpflegung in der Schule gab es noch nicht. „Also habe ich dann nachts vorgekocht, damit am nächsten Mittag das Essen warm gemacht werden konnte.“ Und dabei sei sie nicht einmal eine besonders gute Köchin, sagt Entholt-Laudien.
Zwei Töchter studieren Medizin, eine Jura
Im Rückblick, sagt die Juristin, würde sie es genauso wieder machen. „Ich wäre nicht der Typ dafür gewesen, ganz zu Hause zu bleiben. Und hinterher erinnert man sich ja auch eher nur an die schönen Zeiten.“ Allerdings, so sagt sie, plage sie bis heute hin und wieder das schlechte Gewissen ihren Töchtern gegenüber. Was die allerdings gar nicht so sehen. „Sie haben sich nie beschwert, ganz im Gegenteil. Alle drei stehen vollkommen hinter unserem Familienmodell.“ Seien früh selbstständig geworden, was sich auch heute als Erwachsene auszahle.
Und außerdem, sagt Entholt-Laudien – und bei ihr klingt es wirklich nicht nach einer Ausrede – habe sie den dreien ein gutes Rollenbild vermitteln können. Was ihr sehr wichtig sei. Alle drei wohnen nicht mehr zu Hause. Nur die älteste Tochter schlägt den gleichen beruflichen Weg ein, wie ihre Eltern. Die anderen beiden studieren Medizin.
Etwa zwei Jahre lang wird Dagmar Entholt-Laudien noch in ihrer Kanzlei arbeiten, wo sie für Firmenübernahmen und Joint Ventures zuständig ist. „Die Möglichkeit, kürzerzutreten, ist auf drei Jahre befristet, und das ist auch gut so.“ Dann habe sie ein Alter erreicht, wo es Zeit sei, ganz auszusteigen und den Jüngeren das Feld zu überlassen.
Singen im Chor ist ihre Leidenschaft
Und dann? Eine Weltreise vielleicht? Nein, sagt Entholt-Laudien bestimmt. So etwas sei in Zeiten der Klimadiskussion nicht mehr angebracht, ganz zu schweigen davon, dass es sie nicht interessiert, verschiedene Strände weltweit zu besuchen. Wenn, dann lieber die eine oder andere ausgewählte Kulturreise. „Wir waren vor kurzem beispielsweise im Iran, so etwas finde ich großartig.“
Dann finde sie vielleicht auch einfach noch mehr Zeit für ihr großes Hobby, das Singen. Derzeit engagiert sie sich im Festivalchor des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Und im Alumni-Chor des Christianeums, der ehemaligen Schule ihrer Töchter. Oder sie engagiert sich noch mehr für die BürgerStiftung und andere soziale Einrichtungen. „Aber ganz so viele Gedanken mache ich mir jetzt noch nicht darüber. Ich bin ein Mensch, der im Moment lebt. Und dieser Moment, das sind die Kanzlei, die Stiftung, die Familie und das Singen.“
Was danach kommt, das könne sie sich dann ja noch rechtzeitig überlegen. „Gerade habe ich gar keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen.“ Spricht es und packt ihre Tasche. Sie muss zurück in die Kanzlei. Die nächsten Akten wälzen. „Diese Abwechslung ist einfach toll.“
Drei Fragen
1
Welches ist Ihr wichtigstes persönliches Ziel für die nächsten drei Jahre?
Eine gesunde und glückliche Familie.
2
Was wollen Sie in den nächsten drei Jahren beruflich erreichen?
Dazu beizutragen, dass die BürgerStiftung in Hamburg noch sichtbarer wird und ihre Basis in der Stadt weiter verbreitert.
3
Was wünschen Sie sich für Hamburg in den nächsten drei Jahren?
Dass diese schöne S
Nächste Woche: Julius Thole, Vize-Weltmeister im Beachvolleyball