Hamburg. Tausche Schreibtisch gegen Sonne: In der Serie übernehmen Reporter klassische Sommerjobs. Heute: Müllsammeln im Stadtpark.
Es ist 6 Uhr in der Frühe. Das allein ist ja erst mal nichts Besonderes. Aber dass ich um 6 Uhr morgens irgendwo anders bin als in meinem Bett, das schon. An diesem Morgen stehe ich um 6 Uhr jedenfalls auf der Festwiese im Stadtpark und kann mich nicht daran erinnern, wann ich jemals so früh auf den Beinen war.
Außerdem kann ich mich nicht daran erinnern, jemals so viel Müll gesehen zu haben. Zum Beispiel rechts neben mir. Da liegen Essensreste, leere Glasflaschen, Dosen und Verpackungsmaterial wie ein Kranz um den Mülleimer herum. Fast könnte man meinen, der Abfall wäre absichtlich um die Tonne herum drapiert worden. Die vorbeiziehenden Fahrradfahrer und Jogger aber haben keine Augen für den Abfall.
Wir dafür umso mehr. Wir, das sind die vier Jungs von der Stadtreinigung und ich. Das Büro habe ich heute gegen den Stadtpark eingetauscht und den Kugelschreiber gegen die Müllzange. Gemeinsam mit meinem neuen Kollegen Matze nehme ich mir für die nächsten Stunden die Festwiese vor. „Bei mir bleibt nichts lange liegen“, sagt Matze lachend. Bei unserer Arbeit werden wir von Enten und Krähen skeptisch beobachtet.
Bioabfall bis Einweggrill
Von Bioabfall bis Einweggrill finden wir nahezu alles in der weitläufigen Grünanlage. Wie immer, wenn die Temperaturen steigen, pilgern unzählige Grill- und Partylustige in den Park und lassen sich auf den Liegeflächen nieder. Doch was hindert sie daran, ihren Müll im Anschluss an ein nettes Picknick in die Mülleimer zu werfen? „Die Leute sind teilweise einfach zu faul oder gegen Abend auch gerne mal zu betrunken. Gerade bei schönem Wetter sammelt sich dann hier besonders viel an“, sagt mein Kollege.
Um möglichst schnell voranzukommen, teilen sich die Männer in kleine Gruppen auf. Sie bestücken jeden der 250 Mülleimer im Stadtpark regelmäßig mit einer neuen Mülltüte. Zwei unserer Kollegen räumen bereits in einem anderen Teil des Parks auf und ein weiterer fährt einmal den Bereich um den Stadtparksee mit einem Fahrrad ab.
Schon nach kurzer Zeit läuft mir der Schweiß die Schläfen herunter und mein Rücken tut weh. Das hier ist ein richtiger „Knochenjob“, wie Matze sagt. Die Abfallbehälter, von denen man alle 50 Meter einen finden könnte, wenn man denn wollte, müssten eigentlich alle leer sein, bei dem ganzen Verpackungsmüll und den leeren Flaschen, die im Park verteilt liegen. Mir erscheint das viel, doch Matze spricht von einer durchschnittlichen Menge: „Heute ist es relativ entspannt, am Wochenende gibt es deutlich mehr zu tun, dann kommen wir auch gerne mal mit fünf Mann.“ Das ist die durchschnittliche Menge? An einem ganz normalen Wochentag? Ich kann es kaum glauben.
Vier Kubikmeter Müll
An einem durchschnittlichen Wochenende sammeln sich sogar um die vier Kubikmeter Müll im Stadtpark an. Das entspricht 60 Müllsäcken, die sich aus den Inhalten der öffentlichen Abfalleimer und den liegen gelassenen Müllresten aus dem Park ergibt. An einem besonders heißen Wochenende kann sich das noch einmal auf sechs bis acht Kubikmeter steigern.
Als ich ihn frage, wie er zu seinem Beruf gekommen ist, muss Matze schmunzeln. Er erzählt, dass die Stadtreinigung 2017 über das Abendblatt nach 450 neuen Mitarbeitern für die Reinigung der Parkanlagen suchte. Erst habe er große Bedenken gehabt, sich zwei Tage später jedoch dazu entschlossen, das Bewerbungsformular auszufüllen. Er lüftet seine Käppi und wischt sich mit dem linken Arm über die verschwitzte Stirn. „Ohne das Abendblatt wäre ich heute nicht hier“, sagt Matze stolz und wir fahren mit dem „Abmüllen“ fort.
Während wir die Wiese nach Müll abgrasen, schwärmt Matze von seinem Beruf. „Man ist viel mehr als nur ein einfacher Müllsammler“, sagt er. „Ich bin zusätzlich auch noch Fremdenführer und auf gewisse Weise auch Tierschützer.“ Erst vor Kurzem musste er einen toten Schwan notdürftig aus dem See bergen. Durch die Müllreste im Park wird der Lebensraum der Tiere rücksichtslos verschmutzt, sagt er. „Die Vögel versuchen das Plastik zu essen oder verteilen es im gesamten Park. Das wiederum bedeutet noch mehr Arbeit für die Stadtparkreinigung“, erzählt Matze.
Passant lobt uns für unser Engagement
Er freut sich jeden Tag aufs Neue auf seine Arbeit. Warum? Einfach, weil er gerne an der frischen Luft und im Grünen ist. Und: „Nach einer heißen Woche mit der Stadtreinigung im Park muss niemand mehr in den Urlaub fahren, man wird auch bei der Arbeit schön braun.“ Matzes Begeisterung ist ansteckend und zu zweit vergeht die Zeit wie im Flug.
Frühstückspause im Transporter. Ich lasse kaltes Wasser in mich hinein- laufen und beiße in mein Brötchen, das ich schon um 5 Uhr morgens bei einem Bäcker ergattern konnte. Kaffee gibt es auch für alle. Obwohl es erst 8 Uhr ist, merke ich, wie die Hitze mir zu schaffen macht. Die Männer wirken gelassen. Vermutlich gewöhnt man sich dran, dass das T-Shirt am Körper klebt und der Schweiß von der Stirn perlt.
Unzählige Bierflaschen, Coffee-to-go-Becher, Wassermelonenschalen und Taschentücher sowie eine Menge Grillkohle später sind wir mit der Festwiese fertig und arbeiten uns zum Seeufer und den Kajak-Anlegern vor. Während unsere Zangen auf der Suche nach der nächsten zerbeulten Coladose über den Boden wandern, spricht uns ein Passant an. Er lobt uns für unser Engagement, sagt aber auch, dass das Säubern gar nicht nötig wäre, wenn jeder seinen Müll selbst entsorgen würde. Oder wenn die Besucher von vornherein ihr Essen in wiederverwendbaren Behältern mitbringen würden, ergänze ich im Geiste. Matze freut sich trotzdem über die Anerkennung.
Und es beginnt von Neuem
Und dann ist es so weit: Als wir uns wenig später um die eigene Achse drehen, sehen wir weit und breit keinen Müll mehr. Mit fünf vollen Säcken warten wir auf den Transporter, der sie in die Borsigstraße zur Verbrennungsanlage bringen wird. Ich verabschiede mich vom Team und verlasse den Park, als der gerade anfängt, sich mit Leben zu füllen. Auf dem Weg nach Hause sehe ich eine leere Plastikverpackung. Ich hebe sie auf und bringe sie zum nächsten Mülleimer. Wie wird es wohl morgen früh im Stadtpark aussehen? Dann beginnt das Aufräumen von Neuem.
Letzte Folge: Mit der Wasserschutzpolizei auf der Alster und in Kanälen