Hamburg. Abendblatt-Reporter übernehmen für einen Tag klassische Sommerjobs. Teil 4: Hinter dem Tresen einer Eisdiele.
Höchstens bis 15 Uhr könne ich bleiben, hat mir Eisdielen-Besitzer Alexander Kowski am Telefon gesagt. Dann kämen richtig viele Kunden, zudem weitere Mitarbeiterinnen, und dann stünde ich doch nur im Weg. Ich muss schlucken, diese Bedenken vom Chef sind keine optimalen Voraussetzungen, um selbstbewusst an die Sache heranzugehen und bei der „Eisliebe“ am Eppendorfer Weg in Hoheluft-West einen Tag oder eben auch nur einen halben Eis zu verkaufen. Jetzt erst recht!
Die Sonne scheint, der Himmel ist blau, und es ist sehr warm. Ein perfekter Tag, um im Lieblingseisladen um die Ecke hinter statt vor der Eistheke zu stehen. Alexander Kowski ist in den vergangenen sechs Jahren mit der „Eisliebe“ zur Institution geworden. Gefühlt gibt es im Viertel niemanden, der sein Eis nicht mag. Es ist das Beste und kommt vom Fachmann: Der 29-Jährige aus Volksdorf ist gelernter Speiseeishersteller.
Hinter dem Verkaufsraum ist Kowski seit zehn Uhr dabei, Eis zu produzieren. Frischer geht es nicht. Er verzichtet dabei auf Schnickschnack-Sorten und setzt auf Altbewährtes. „Einen guten Eishersteller erkennt man an der Qualität seines Vanille- und Schokoladeneises“, verrät er. Während der Pasteurisator den Mix aus Milch, Sahne und Bindemittel auf 85 Grad erhitzt und die Eismaschine Gianduia, ein Nuss-Nougat-Eis, ausspuckt, führt mich Birgit Hassel in die Kunst der perfekten Eiskugel ein.
Das Auge isst mit
Von vorn zu mir nach hinten soll ich das Eis mit dem Kugelformer ziehen, und zwar so, dass das Eis im vorderen Teil der Behälter noch schön aussieht und nicht wie eine Kraterlandschaft. Denn das ist der Bereich, der dem Kunden ins Auge springt. Deshalb soll es dort möglichst lange dekorativ sein.
Während der Kunde die Beschriftungen an den Eisbehältern sieht, muss ich mir die 13 Sorten von der anderen Seite aus schnell so einprägen: Vanille, Gianduia, Limone-Biscotti, Maracuja gehe ich im Kopf durch. Das klappt. Meine Lieblingssorte Joghurt-Johannisbeere ist auch dabei. Das Sortiment wechselt und ist nicht jeden Tag gleich.
70 bis 80 Gramm soll eine Kugel wiegen, sagt Birgit noch. Sehr witzig, wie soll ich das denn erfühlen? Und dann kommt schon die erste Kundin. Keine Zeit zum Ausprobieren. Zum Glück ist es ein kleines Mädchen, von dem ich annehme, dass es eine unkomplizierte Kundin sein wird. „Ich mache das schon“, sage ich zu Birgit. Von wegen im Weg stehen und den Verkauf behindern, lieber Alexander Kowski! Ich packe das.
Serotonin oder Erleichterung
Gut, das kleine Mädchen und ihre Mutter sind die einzigen Kunden. Von einem Ansturm kann noch keine Rede sein, zum Üben perfekt. „Eine Kugel Erdbeer in der Waffel mit bunten Streuseln“, sagt die Kleine. Süß ist sie, und ich bin froh über die professionelle Bestellung. Nachfragen nicht nötig. Denn das muss ich im Laufe dieses halben Tages ständig: In der Waffel oder im Becher? Wenn im Becher, dann mit Waffel?
Das kleine Mädchen mit den bunten Streuseln ist glücklich über sein Eis, und das macht mich sehr glücklich. Ist das gerade Serotonin, das freigesetzt wird? Oder nur Erleichterung, es gemeistert zu haben? Allerdings nicht perfekt: Birgit, wir duzen uns unter Kollegen, weist mich darauf hin, dass die Kugel zu flach war. „Runterheben, dann werden sie schön rund.“ Theoretisch sicherlich, in der Praxis passiert es mir immer wieder, dass ich nachjustieren muss. Und lieber gebe ich dem Kunden ein wenig mehr Eis mit auf den Weg. Nichts ist schlimmer als Knauserigkeit, oder? Aber nicht zu groß, ermahnt mich Birgit. Denn der Umsatz muss stimmen, er verringert sich – logisch – mit der Größe der Kugel.
Bedenken habe ich beim Kassieren, meine Kopfrechenkünste sind womöglich eingerostet. Aber die meisten bestellen an diesem Tag ohnehin nur eine Kugel für 1,30 Euro. Das ist leicht. Zwei gehen auch noch. Komplizierter wird es mit Krokant (plus 40 Cent) oder mit einer kleinen Portion Sahne (plus 50 Cent) oder Schokoglasur (plus 30 Cent). Pssst, ein Geheimnis: Hinter dem Tresen hängt ein Spickzettel mit den Preisen bis zehn Kugeln. Das ist hilfreich, wenn man außer dem Rechnen noch mit dem richtigen Abspülen des Löffels beschäftigt ist.
Beim Eisverkauf sind alle gut drauf
Am Nachmittag, als zwei Aushilfen kommen, ist doch nicht so viel los wie sonst. „Die sind alle im Freibad“, sagt Aushilfe Amy. Es sind Ferien und das Wetter zu heiß. „Dann meiden die Leute die Mittagshitze“, sagt Eismann Kowski. Ideales Eiswetter sind Sonne und 25 Grad. Ein Missgeschick bleibt nicht aus: Einmal tunke ich das Eis in bunte Streusel statt in Schokostreusel. Die Kugeln werden mal mehr, mal weniger rund, sind mal größer und selten kleiner.
Die Kundin, die einen Erdbeerbecher mit Cappuccino bestellt, schicke ich zu Birgit. Das ist etwas für Fortgeschrittene. Ich muss ängstlich aussehen, jedenfalls sagt die Erdbeerbecher-Kundin: „Keine Panik, ich bin Psychotherapeutin.“ Und dann lacht sie. Beim Eisverkauf sind alle gut drauf. Eis beflügelt, aber Eis verkaufen, das weiß ich, noch viel mehr. Was gibt es Schöneres, als andere Menschen fröhlich zu machen?
Nächste Folge: Müll sammeln im Stadtpark