Delingsdorf. Tausche Schreibtisch gegen Sonne: Reporter übernehmen für einen Tag klassische Sommerjobs. Teil 2: Auf dem Himbeerfeld.
Es ist schon verrückt, denke ich. Warum mache ich das? Draußen herrschen tropische Temperaturen und während andere froh sind, wenn sie sich am Strand mit einem Eis in der Hand abkühlen können, mache ich genau das Gegenteil. Ich gehe freiwillig aufs Feld, um bei der Ernte von Himbeeren zu helfen. Wobei das mit dem „freiwillig“ auch so eine Sache ist. Da war diese Redaktionskonferenz vor gut drei Wochen. Ich, gerade die ersten Tage als Hospitant beim Abendblatt, wurde sozusagen direkt reingeworfen. „Wir brauchen dann noch einen Erntehelfer. Das ist immer gut. Simon du machst das doch bestimmt, oder?“ Was soll man da noch sagen? Kurz um, ich mache das.
Es ist früh. Sehr früh. Um 6 Uhr klingelt mein Wecker in Buchholz. Und dennoch bin ich bereit. Mit Sonnencreme, Sonnenhut, Sonnenbrille und einer Menge Wasser mache ich mich auf den Weg zum Erdbeerhof von Enno Glantz. Nach einem fast fünf Kilometer langen Fußmarsch vom Bahnhof Ahrensburg, erreiche ich verschwitzt den Hof. Dort bin ich verabredet mit Theresa Hallermann, von der PR-Agentur des Erdbeerhofes. Ich bin gespannt was mich heute erwartet.
Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Feld in der Nähe des Hofes. Auf der Fahrt erzählt sie mir, dass die Ernte der Himbeeren heute wohl nicht mehr so lange dauern wird. Ich gucke auf die Uhr. Es ist 9.45 Uhr. Das kann was werden! In der vollen Mittagssonne auf dem Feld arbeiten. Genau die Arbeit, die ich mir jetzt am meisten wünsche.
Die meisten Helfer kommen aus Polen
Wir steuern geradewegs auf das Himbeerfeld zu. Dort angekommen, wird es für mich ernst. Ich schaue mich um und erkenne auf den ersten Blick 40 bis 50 Helfer. Frauen und Männer, jung und alt. Theresa Hallermann sucht den Chef der Truppe. Slawek, Mitte 30, Pole. Und schon kommt meine erste Herausforderung des Tages: Wie soll ich ihm erklären, wer ich bin und was ich machen möchte? Da ich der polnischen Sprache nicht mächtig bin, versucht Theresa Hallermann Slawek auf dem Feld zu erklären, was ich machen will. Ob ich Selbstpflücker bin, fragt er. Er hat es also nicht verstanden was ich machen möchte.
Als eine Dolmetscherin hinzukommt, hat er es verstanden. Er gibt mir Einweghandschuhe und ein Gestell mit zwei leeren Plastikkisten mit jeweils acht Pappschalen für die Himbeeren. Mir wird schnell klar: Ohne polnisch werde ich hier heute wohl nichts. Mein Chef schickt mich zu den Himbeerfeldern am Ende des Feldes. Ich bin erleichtert. Die Felder stehen nicht in der prallen Sonne, sondern etwas im Halbschatten. Dennoch läuft mir der Schweiß schon von der Stirn. Und wieder frage ich mich. Was mache ich hier? Ich werde eingewiesen, von einer älteren polnischstämmigen Dame namens Franciszka. Sie versucht mir zu erklären, welche Früchte ich pflücken darf und welche nicht. Aber nicht jede Frucht ist auch gleich gut. Ich erfahre, dass es auch schlechte rote Früchte an den Sträuchern gibt.
Zur Abkühlung gibt es Eis
Ob ich das alles richtig behalten habe? Die ersten Früchte werden noch streng von Franciszka überwacht. Sie sortiert viele aus. Immer wieder weist sie mich darauf hin, dass die Früchte nicht gut sind. „Die ist Mist,“ sagt sie und zeigt auf eine Himbeere. Ich bin erstaunt. Eine rote Frucht und sehr fest. Eigentlich gibt es nichts zu bemängeln, aber den scharfen Augen der Dame bleibt die kleine weiße Stelle an der einen Ecke nicht verborgen. Ich bekomme meinen Teil der Sträucher zugewiesen. Zum Glück kann man die Himbeeren im Stehen und kniend ernten. Auf dem Feld herrscht trotz der Hitze eine gute Stimmung. Eis wird zur Abkühlung verteilt, neben mir klingen aus einer Bluetooth-Box die neusten Chart-Hits rauf und runter.
Und alle plaudern. Ohne Polnisch werde ich hier heute nichts. Ich pflücke also gemütlich meine Himbeeren. Immer wieder schaue ich dreimal nach, ob es verdorbene Stellen an den Früchten gibt. Während ich froh bin, nach knapp 20 Minuten drei Schalen einigermaßen gefüllt zu haben, sehe ich, dass ich alleine in der Reihe stehe. Vier Helfer geben bereits 16 gefüllte Schalen ab. Irgendwas mache ich wohl falsch. Aber was?
Rund 180 Erntehelfer arbeiten auf den Feldern
Ich würde gerne meine Miterntehelfer fragen, doch diese machen sich bereits fertig, um zum Erdbeerfeld zu fahren. Dieses Feld ist für mich zu weit weg, als dass ich sie begleiten könnte. Ich glaube ich stehe ihnen sowieso nur im Weg herum. Da kommt Slawek auf mich zu. Er guckt sich meine vollen Schalen an. Panik kommt in mir auf. Habe ich alle richtig gepflückt? Er zeigt sich sehr zufrieden. Bis auf zwei, drei Himbeeren sind alle ok. Ich bin erleichtert, denn Lob vom Chef tut immer gut.
Eines habe ich an diesem Tag, trotz meines kurzen Besuchs auf dem Feld mitgenommen: Was die etwa 180 Erntehelfer aus Polen und der Ukraine jeden Tag leisten (es wird täglich in Schichten gepflückt) ist harte Arbeit. Zumal nicht jede Frucht auf den ersten Blick auch wirklich gut ist. Geschulte Augen helfen dabei, und ich denke, dass ich am Ende wusste, welche Früchte gut oder schlecht waren. Man sollte daher jede einzelne Beere besonders genießen und dabei immer im Hinterkopf haben, wer die Früchte für einen gepflückt hat. So geht mein Dienst auf dem Feld zu Ende.
Glücklich, aber auch kaputt und verschwitzt begebe ich mich auf meinen Heimweg. Mein Lohn sind acht Schalen voller frisch gepflückter Himbeeren. Etwas Besseres kann es doch nach so einem Tag nicht geben, oder?
Nächste Folge: Ein Tag als Bademeister