Hamburg. Tausche Schreibtisch gegen Sonne: Reporter übernehmen für einen Tag klassische Sommerjobs. Teil 1: Im Kaifu-Kiosk.
Zwei Pommes Schranke macht sieben Euro, dann noch ein Flutschfinger für 1,50 Euro und drei Speckmäuse à 20 Cent. Oder waren es doch 3o Cent? Jetzt doch lieber dreimal Pommes und zweimal „ohne nichts“ und einmal mit Ketchup, aber bitte in eine Extratüte tun und doch nur zwei Speckmäuse und dafür noch drei Lutscher. Wie viel macht das dann?
„Verdammt!“, denke ich. Oder sage ich es sogar? Mir rinnt etwas Schweiß von der Stirn. In diesem Moment erinnere ich mich wieder daran, dass es gute Gründe dafür gibt, dass ich normalerweise einen Job habe, in dem ich mit Zahlenjongliererei nichts zu tun habe. Und wenn ich doch mal rechnen muss, dann habe ich mehr Zeit als ein paar Sekunden und dann schauen mir dabei auch nicht 20 Leute zu, denen es nicht schnell genug gehen kann – so wie heute.
Einfach machen, was Chef sagt
Für einen Tage habe ich meinen Schreibtisch gegen den Kiosk im Kaifu-Freibad getauscht. Hier verkaufe ich Pommes, Eis, Softdrinks, Süßigkeiten und Kaffee, wische Tische und Stühle ab, kümmere mich darum, dass immer genug Ware im Kühlschrank ist und muss auch mal „mehr Pommes“ zum Frittiermeister rüberbrüllen. Ein echter Sommerjob für einen Tag! Sommerjob, allein das Wort klingt nach Jugend, nach Sommerferien, nach großen Plänen, nach Geld sparen für eine Reise oder nur für die nächste Partynacht am Wochenende. Mein letzter Sommerjob ist 20 Jahre her, damals habe ich Eis verkauft. Falsch! Ich sollte Eis verkaufen. Aber weil ich mich so ungeschickt angestellt habe, stand ich nach kurzer Zeit am Spülbecken. Mir war das im Grunde egal – Hauptsache es gab am Ende 25 Mark für das T-Shirt, das ich zwei Tage vorher schon gekauft hatte, nachdem ich das Prinzip Dispo verstanden hatte.
Abgesehen von möglicherweise kleineren mathematischen Ungenauigkeiten würde ich sagen, dass ich mich heute besser schlage als damals in der Eisdiele. Vielleicht auch, weil ich die wichtigste Regel für Neulinge beachte: Einfach machen, was Chef sagt. Und das wäre: Hände nicht vor der Brust verschränken, immer freundlich sein (Der Kunde hat immer recht) und (diesen Satz sagt er sehr oft an diesem Tag): „Always prepare for the worst case scenario.“
Frank Heldt betreibt den Kiosk seit drei Jahren
Mein Chef Frank Heldt betreibt den Kiosk seit drei Jahren. Und er öffnet nur, wenn es wärmer ist als 22 Grad. „Sonst geht keiner ins Freibad.“ Im vergangen Sommer sind so 40 Öffnungstage zusammengekommen. In dieser Saison könnte das knapp werden. Der Sommer kam spät in die Gänge, und oft musste er von Tag zu Tag entscheiden, ob er öffnet oder nicht. Sein Team – größtenteils Schüler und Studenten – muss also flexibel sein und im Zweifel auch mal kurzfristig einspringen können. Die kommenden Tage aber kann er verlässlich planen. Angesichts der Hitzewelle sagte er: „Wir werden die umsatzstärkste Woche überhaupt machen.“
Wenn es hart auf hart kam, dann hat Frank (man duzt sich hier) den Laden auch schon alleine geschmissen. Aber der 54-Jährige lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Er war schon Betriebsleiter in diversen Clubs, außerdem Barkeeper im legendären Traxx und kennt nach eigenen Angaben „alle und jeden“. Ist so ein Freibad-Kiosk gegen einen Technoclub nicht pillepalle? Frank schüttelt den Kopf. „Das ist nicht pillepalle, das ist nur anders.“
Pommes machen 50 bis 70 Prozent des Umsatzes aus
Aber es gebe auch Dinge, die sowohl im Club als auch am Freibad-Ausschank wichtig sind: lockere Sprüche und ein bisschen Entertainment. Wenn jemand enttäuscht ist, dass es im Kaifu-Kiosk keine Würstchen, sondern nur Pommes gibt, sagt Frank Sachen wie: „Das sind die besten Pommes der Welt, da brauchst du nichts anderes.“ Dass er außerdem das größte Eis der Welt und die längste Gummischlange für die bunte Tüte verkauft, versteht sich von selbst.
Bis zum Mittag ist für einen so schönen Sommertag noch recht wenig los. Frank meint: „So richtig geht es am Mittag los. Wenn sich die ersten ihre Pommes geholt haben und das die anderen Gäste mitbekommen, dann geht es hier schnell richtig ab.“ Pommes machen hier 50 bis 70 Prozent des Umsatzes aus. Und damit ihm keiner nachsagen kann, dass das mit den „besten Pommes der Welt“ nur ein Schnack ist, hat Frank das Frittieren zur Chefsache gemacht.
Kaifu-Kiosk erwartet die umsatzstärkste Woche
Dass Pommes hier noch vor Eis auf Platz eins liegen, wundert mich nicht. Für mich steht jedenfalls fest: Ein richtiger Sommer muss nach Freibad-Fritten riechen! Ganz einfach weil sie zusammen mit dem Duft von Chlor, Sonnencreme und Schweiß eine Mischung ergeben, die an früher erinnert und es tut gut, dass ein Sommer auch heute nicht anders riecht als damals.
Gegen 13 Uhr stellt sich heraus, dass der Chef – natürlich – recht hatte. Nachdem die ersten Pommes rausgegangen sind, geht es im Akkord weiter. Frank frittiert ein paar Meter neben den Verkaufsfenstern – wir haben inzwischen ein zweites aufgemacht – bergeweise Fritten, mein Kollege Anton steht neben mir und bereitet die Portionen nach Wunsch zu, und ich nehme die Bestellungen entgegen und kassiere. Ob das die richtige Aufteilung war? Aber ich will ja nicht meckern und irgendwann merke ich, dass das Rechnen mir leichter fällt, was aber wohl vor allen Dingen daran liegt, dass im Grunde fast alle dasselbe bestellen: Pommes!
Nur die Kinder, die sich gruppenweise mit zitternden Unterlippen und auf Zehenspitzen vor dem Verkaufsfenster drängeln, die müssen erst mal überlegen. Meist blicken sie eine Weile lang wie gebannt auf die Eistafel und entscheiden dann basisdemokratisch, wofür sie den nassen Fünf-Euro-Schein und die 73 Cent am klügsten verprassen können. Und wenn sie dann wenig später ganz beseelt auf einer Bank sitzen, an ihrem Eis am Stiel schlecken und die Lakritzschnecken verteilen, dann fühlt es sich an, als wäre Kiosk-Verkäufer – nach Arzt und Feuerwehrmann – im Grunde der sinnvollste Job der Welt.
Der Kaifu-Kiosk braucht noch Unterstützung. Bei Interesse bitte unter 0160-93 11 17 15 bei Frank Heldt melden.
Nächste Folge: Unterwegs als Erntehelfer