Hamburg. Tim B. hat in Eißendorf drei Menschen mit Spiritus angegriffen – einer starb. Der 29-Jährige hat eine schizotypische Störung.

Er legte vor seinem Zimmer Glasscherben als sichtbare Grenze aus. Er verbarrikadierte sich in dem Raum. Er legte sich ein Messer mit langer Klinge bereit. Und schließlich besorgte er sich auch noch Spiritus. Diese Flüssigkeit, einmal in Brand gesetzt, sei „die mächtigere Waffe“, hat Tim B. überlegt. Der 29-Jährige hat sorgfältig geplant, was zu tun sei, um möglichst seine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik zu verhindern. Um jeden Preis.

Es sind tatsächlich entsetzliche Folgen, die Tim B. verursacht hat. Als am 24. September vergangenen Jahres drei Behördenmitarbeiter den wegen einer psychischen Erkrankung unter Betreuung stehenden Mann aus der Wohnung in Eißendorf abholen wollten, in der er mit seinem Vater lebte, schüttete der Mann brennenden Spiritus auf die arglosen Männer. Ein Mitarbeiter des Zuführdienstes versuchte noch, sich aus dem Haus zu retten, brach aber auf dem Rasen vor dem Gebäude tot zusammen.

Ein Opfer überlebte den Anschlag mit schwersten Verbrennungen, ein weiterer wurde ebenfalls schwer verletzt. Am Dienstag nun verurteilte das Schwurgericht den psychisch kranken Täter zu einer elfjährigen Freiheitsstrafe unter anderem wegen Mordes sowie versuchten Mordes. Darüber hinaus ordnete die Kammer die unbefristete Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

Täter starrte während Urteilsbegründung vor sich hin

„Sie haben etwas wirklich Furchtbares angerichtet“, sagte der Vorsitzende Richter an Tim B. gerichtet. Der Angeklagte habe „heimtückisch und grausam“ gehandelt, als er die arglosen Männer mit dem brennenden Spiritus übergoss. Etwaigen schwersten Verletzungen, zu erwartenden Qualen oder auch einem möglichen Tod der Opfer habe er „gleichgültig gegenübergestanden“ beziehungsweise sie als mögliche Folgen seiner Tat billigend in Kauf genommen. Der Übergriff sei von einer „gefühllosen und mitleidlosen Gesinnung getragen“.

Der 29-Jährige starrte während der gesamten Urteilsbegründung vor sich hin, ein schmaler, blasser Mann mit sehr kurz rasiertem Schopf und Drei-Tage-Bart. Nicht einmal bedachte er die Witwe des verstorbenen 50-Jährigen, die den Prozess als Nebenklägerin verfolgte und ihm gegenüber saß.

Die Tat sei auch für eine Schwurgerichtskammer „außergewöhnlich“ und weise mehrere „tragische Aspekte“ auf, sagte der Kammervorsitzende weiter. Tragisch sei die Tat unter anderem, weil der bei dem Übergriff getötete Mann an jenem Tag eigentlich gar keinen Dienst hatte, sondern für eine verhinderte Kollegin eingesprungen war. Tragisch sei es auch, dass Tim B. mit seiner Tat genau das hatte verhindern wollen, was jetzt die Folge seines Handelns ist: dass er dauerhaft in die Psychiatrie kommt.

Täter leidet offenbar an wahnhafter Schizophrenie

Diese Maßnahme sei erforderlich, weil der Hamburger auch in Zukunft für die Allgemeinheit gefährlich sei. Laut einem Sachverständigen leidet Tim B. an einer sogenannten schizotypischen Störung, sehr wahrscheinlich an einer wahnhaften Schizophrenie. Seine Steuerungsfähigkeit sei wegen dieser Erkrankung nicht aufgehoben gewesen, aber doch erheblich vermindert. Deshalb war eine sonst wegen Mordes übliche lebenslange Freiheitsstrafe nicht möglich.

Im Prozess, der weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wurde, hatte Tim B. angegeben, sich an die eigentliche Tat nicht erinnern zu können. Allerdings räumte er weitgehend ein, das Verbrechen wochenlang geplant zu haben. Tim B. habe demnach „Angst gehabt, in der Psychiatrie dauerhaft weggeschlossen zu werden“, sagte der Vorsitzende Richter. Der Angeklagte habe „alle Personen als Feindbild wahrgenommen“. Er schrieb auch einen Brief, in dem er eine „Vereinbarung mit dunklen Mächten“ einging, „damit er ein freies Leben führen“ könne.

Tim B. – ein tragisches Leben

Als Dreijähriger war Tim B., der auf dem Arm seiner Mutter war, eine Treppe hinunter gestürzt und hatte sich schwere Kopfverletzungen zugezogen. Im Alter von 14 besuchte er keine Schule mehr. Eine Lehre brach er ab, ebenso den Kontakt zu allen Familienmitgliedern, mit Ausnahme seines Vaters, bei dem er nun die meiste Zeit lebte. Vor etwa fünf Jahren begab er sich wegen zunehmender psychischer Störungen selber eine zeitlang in Therapie, wurde schließlich unter gesetzliche Betreuung gestellt.

Sein Betreuer bemerkte schließlich im vergangenen Jahr, dass sich der Zustand von Tim B. weiter verschlechterte, ein Arzt stellte eine halluzinatorische Psychose fest. Als Tim B. schließlich begriff, dass ihm eine Einweisung bevorstehen könnte, bestellte er sich im Internet zehn Liter Spiritus, füllte etwa die Hälfte davon in eine Schüssel, eine Kaffeekanne und einen Blumentopf, die er in seinem Zimmer bereitstellte, und deckte die Gefäße ab, damit kein verräterischer Geruch entweichen konnte.

Doch die drei Männer, die Tim B. am 24. September abholen wollten, wussten nichts von seinem Plan. Sie gingen davon aus, dass weder eine Eigen- noch eine Fremdgefährdung von dem 29-Jährigen ausging. „Eine verhängnisvolle, eklatante Fehleinschätzung“, wie der Vorsitzende Richter dazu sagte.

Die dramatischen Folgen für die Opfer

Als der Betreuer von Tim B. gemeinsam mit zwei Mitarbeitern des Zuführdienstes zur Wohnung kam, konnten sie die Tür mit einem Schlüssel, den ihnen Tim B.s Vater übergeben hatte, öffnen. Doch das Zimmer des 29-Jährigen war versperrt. Die Männer entschieden sich, die Tür einzutreten. In dem Moment schüttete der psychisch Kranke den brennenden Spiritus über ihnen aus. Ein Opfer erlitt ein akutes, thermisches Inhalationstrauma, dem er erlag. Ein Mann hatte leichte Verbrennungen und einen Schock. Er musste eine Traumatherapie absolvieren.

Und bei einem weiteren Opfer waren neben anderen Verletzungen 25 Prozent der Haut verbrannt. Seit dem Angriff wurde er allein am Kopf sechsmal operiert, sein gesamtes Gesicht musste transplantiert werden. Er hege aber „keinen Groll“ gegen den Täter, zitierte der Vorsitzende die Aussage des Opfers. Der Zeuge habe gesagt, er schätze die Tat als Folge der psychischen Erkrankung des Angeklagten ein. Diese Aussage des Opfers sei insbesondere angesichts seiner schwersten Verletzungen „bemerkenswert“, meinte der Richter. Vor dem Hintergrund der Tat erscheine zudem besondere Schutzkleidung bei bestimmten Einsätzen des Zuführdienstes erforderlich.