Hamburg. Zwei Mitarbeiter des Zuführungsdienstes Altona sollten Tim B. in eine Psychiatrie bringen. Einer bezahlte den Einsatz mit seinem Leben.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit, im März erfolgreich von seiner Verteidigerin beantragt, hat der Angeklagte Tim B. an 14 Verhandlungstagen mitverfolgen können, wie sich die Justiz bemüht, einen so vertrackten wie grausamen Fall wie den seinen aufzuklären. Vertrackt deshalb, weil hier vor allem die Frage der Schuldfähigkeit im Raum steht – und damit die Frage, ob Tim B. für seine entsetzlichen Verbrechen überhaupt bestraft werden kann.
Tim B. ist psychisch krank. Im Frühherbst 2018 hat er zwei Behördenmitarbeiter in Brand gesetzt. Einer starb, sein Kollege wurde lebensgefährlich verletzt. Der 29-Jährige steht wegen eines grausamen, heimtückischen und mit gemeingefährlichen Mitteln verübten Mordes vor Gericht. Außerdem wirft ihm die Staatsanwaltschaft versuchten Mord, schwere Körperverletzung und schwere Brandstiftung vor. Jetzt neigt sich die Verhandlung dem Ende zu – am Donnerstag plädierten die Prozessbeteiligten.
Staatsanwaltschaft begründet Strafforderung
Die Staatsanwaltschaft fordert 13 Jahre Haft, wie das Abendblatt erfuhr. Sie schließt zwar eine Schuldunfähigkeit aus, hält den Angeklagten aber zum Tatzeitpunkt für vermindert schuldfähig. Deshalb beantragte sie keine lebenslange Haftstrafe. Zusätzlich fordert sie, dass Tim B. in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht wird. Grund: Sie stuft den Mann infolge seiner psychischen Erkrankung als für die Allgemeinheit anhaltend gefährlich ein. Aus dem gleichen Grund hat auch die Verteidigerin von Tim B. eine Unterbringung beantragt. Sie plädierte aber gleichzeitig auf Freispruch, da der 29-Jährige im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt habe.
Männer mit brennendem Spiritus überschüttet
An jenem 24. September 2018 betreten Tim B.’s Betreuer und zwei Mitarbeiter des Zuführungsdienstes Altona, 50 und 59, die Wohnung von Tim B. an der Weusthoffstraße (Eißendorf), um ihn in eine psychiatrische Einrichtung zu bringen. Ihr Vorgehen ist durch einen Gerichtsbeschluss gedeckt. Der 29-Jährige hat sich in einem Zimmer eingeschlossen. Als die Mitarbeiter die Tür eintreten, überschüttet Tim B. sich und die beiden Männer mit bereits brennendem Spiritus. Während er aus dem Fenster springt und drei Stockwerke tief fällt, stehen die Behördenmitarbeiter in Flammen.
Überlebender ist dauerhaft entstellt
Der 50-Jährige reißt sich die Jacke vom Leib, rennt durch das Treppenhaus nach draußen; der 59-Jährige kann sich im Badezimmer selbst löschen. Der Betreuer, von einer Druckwelle getroffen, kommt mit leichten Blessuren davon. Die Bilanz ist verheerend: Der 50-Jährige stirbt noch am Tatort, sein Kollege und Tim B. haben lebensgefährliche Verletzungen erlitten. Zudem ist der 59-Jährige durch Verbrennungen am Oberkörper und im Gesicht dauerhaft entstellt.
Die beiden Nebenkläger stellten gestern keinen konkreten Antrag. Das Urteil wird am kommenden Dienstag erwartet.