Hamburg. 1787 Übergriffe auf städtische Mitarbeiter im vergangenen Jahr. Im Rettungsdienst gehören Spuck- und Schubsattacken zum Alltag.
Beleidigt, geschlagen, in seltenen Fällen sogar schwer verletzt – Hamburgs Bedienstete leben mitunter gefährlich. 70-mal gingen Bürger im vergangenen Jahr mit Gegenständen und Waffen auf die Beschäftigten der Stadt oder die Einrichtung los, beispielsweise mit Messern, Brandbeschleunigern oder Schusswaffen-Attrappen. Häufiger noch setzten sie dabei allerdings Dinge des täglichen Gebrauchs ein – Flaschen, Besteck, Scheren oder Hämmer.
Auch das Mobiliar der Amtsstuben, Stühle und Tische etwa, fiel mitunter der Wut der Kunden zum Opfer. „In mehreren Fällen wurden Beschäftigte in Ausübung ihres Dienstes beinahe – in einem Fall tatsächlich – mit Pkw angefahren“, heißt es in der Senatsantwort auf eine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion.
22 Bedienstete mussten 2018 dienstunfähig geschrieben
Demnach ist es 2018 an jedem Arbeitstag im Schnitt zu rund sieben Übergriffen auf städtische Bedienstete gekommen – die Taten gegen Polizisten nicht mitgerechnet. Zwar sank die Gesamtzahl der Übergriffe im Vergleich zu 2017 leicht – um 65 Fälle bzw. vier Prozent auf 1787. Dafür meldeten die Beschäftigten deutlich mehr Fälle körperlicher Gewalt. 233-mal wurden sie im Vorjahr auf diese Weise angegriffen – teils auch mit Gegenständen und Waffen. 2017 hatte das Personalamt der Stadt lediglich 195 derartige Fälle registriert.
Das hatte Folgen: 22 Bedienstete mussten 2018 vorübergehend, zwei weitere dauerhaft dienstunfähig geschrieben werden, darunter ein Mitarbeiter des sogenannten Zuführdienstes. Als sein Kollege und er am 24. September einen 29 Jahre alten Mann aus seiner Wohnung in Eißendorf in eine psychiatrische Einrichtung bringen wollten, griff der mutmaßlich Verwirrte sie mit brennendem Spiritus an. Während der 59-Jährige, durch die Attacke dauerhaft entstellt, knapp überlebte, erlag sein Kollege (50) seinen Verletzungen am Tatort. Der Angreifer steht zurzeit wegen Mordes vor Gericht.
1382-mal wurden Männer übergriffig, aber nur 420-mal Frauen
Gegen 205 Bürger sprachen die betroffenen Ämter ein Hausverbot aus, 338-mal erstatteten die Opfer Strafanzeige. Mit Abstand am häufigsten mussten die Staatsdiener verbale Schmähungen über sich ergehen lassen. Beschimpfungen und Beleidigungen machen mit 985 Fällen mehr als die Hälfte aller Übergriffe aus. 519-mal gaben die Mitarbeiter außerdem an, bedroht worden zu sein, in 49 Fällen unter dem Einsatz von Gegenständen oder Waffen (2017: 44). Erstmals hat das Personalamt in der Statistik auch sexuelle Grenzverletzungen erfasst – 35 gab es im vergangenen Jahr.
Während sich auf Opferseite insgesamt Männer (1064) und Frauen (981) die Waage halten, fällt die Bilanz bei den Tatverdächtigen eindeutig aus: 1382-mal wurden Männer übergriffig, aber nur 420-mal Frauen. Unter den betroffenen Ämtern ragen einmal mehr die 16 Jobcenter von team.arbeit heraus – allerdings ist die Zahl der gemeldeten Übergriffe hier seit einigen Jahren rückläufig. 418 Anfeindungen wütender Kunden mussten die Mitarbeiter dort 2018 ertragen, sieben weniger als im Jahr davor. Jedoch meldeten sie 15 Fälle körperlicher Gewalt – fast doppelt so viele wie 2017.
Angreifer setzen "gefährliche Gegenstände" ein
Auffallend hoch ist der Anteil von Handgreiflichkeiten zum Nachteil von Feuerwehrleuten und Mitarbeitern des Landesbetriebes Erziehung und Bildung (LEB). Vor allem im Rettungsdienst gehören Spuck- und Schubsattacken inzwischen zum Alltag. 44 Vorfälle dieser Art meldete die Feuerwehr im Vorjahr, insgesamt erfasste sie 97 Übergriffe. 2017 waren es 77, im Jahr davor sogar nur 59 – ein besorgniserregender Trend?
Beim LEB, der im Vorjahr 305 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Obhut nahm, eskalierten Streitigkeiten 21-mal gewaltsam – bei nur 41 Übergriffen im gesamten Jahr (2017: 64). In weiteren sechs Fällen setzten die Angreifer „gefährliche Gegenstände“ ein.
Ein besorgniserregender Trend?
Auch die Justiz mit der Staatsanwaltschaft, den Gerichten und dem Strafvollzug hat mit Anfeindungen zu kämpfen. Im Vorjahr meldeten die Justizbediensteten 181 Übergriffe, 133 (2017: 157) von ihnen ereigneten sich in den Hamburger Gefängnissen. Positiv: Das Einwohnerzentralamt erfasste mit 72 Konflikten weniger als halb so viele wie im Jahr davor. Während die Zahl der Übergriffe in den Hamburger Bezirksämtern überwiegend zurückging, explodierte sie in Altona. Das dortige Bezirksamt verzeichnete 248 Übergriffe, davon 76 gewaltsame – 183 mehr als im Jahr davor. In Altona werden psychisch kranke Menschen zur amtsärztlichen Untersuchung zwangsvorgeführt, was nicht selten zu „Gefahrenlagen“ führt. Der Landesbetrieb Schulbau verbuchte mit 84 Übergriffen sogar ein Plus von 8300 Prozent – 2017 war nur ein Fall bekannt geworden.
Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, sieht den Senat in der Pflicht. „Wer die Mitarbeiter der Stadt angreift, greift uns alle an und muss dafür konsequent bestraft werden. Es ist die Fürsorgepflicht des Senats, alle Mitarbeiter zu schützen. Während der Bundestag dafür gesorgt hat, dass solche Taten härter bestraft werden, macht der Senat zu wenig.“ Die Hansestadt bietet seit Jahren Schulungen und Sicherheitstrainings, Kommunikationskurse und Übungen in deeskalierender Gesprächsführung an. Gladiator: „Diese Kurse müssen ausgeweitet werden.