Hamburg. Mehr als 5000 Menschen protestierten gegen die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt. Aktivisten besetzten die Soul-Kitchen-Halle.

Die Spruchbänder waren so vielfältig wie die Organisationen, die zu der Demonstration aufgerufen hatten. Mit Slogans wie „Miete frisst Leben“, „Stadt für alle – statt für Profit“, „Renditen auf Mieten verbieten“ oder „Wohnen ist ein Menschenrecht“ zogen am Sonnabend 3000 Teilnehmer (laut Polizeiangaben, die Veranstalter sprachen von 6000) beim „MietenMove“ durch die Hamburger Innenstadt. Zum Protest gegen den „Mietenwahnsinn“ hatte ein breites Bündnis aufgerufen – von der Gewerkschaft Ver.di über Mieterorganisationen bis zu linksextremen Gruppierungen.

„Das Wetter hat uns ein bisschen einen Strich durch die Rechnung gemacht“, sagte Steffen Jörg vom Netzwerk Recht auf Stadt, das die Demons­tration mitorganisiert hatte. Er hatte im Vorfeld mit rund 8000 Protestierenden gerechnet. Bemalte Wagen und hupende Traktoren gehörten zu der bunten, friedlichen Parade mit lauter Musik. Neben dem gezielten Protest gegen Immobiliengesellschaften wie Akelius, die von vielen Teilnehmern als „Miethaie“ bezeichnet wurden, kritisierten viele „MietenMove“-Teilnehmer die generelle Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt.

Wolfgang Mey und Jochen Fischer aus St. Pauli (beide 74) beobachten mit Sorge, wie in ihrem Stadtteil ein Haus nach dem anderen verkauft wird und Miet- zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden. „Noch gilt für unsere Wohnungen die Mietpreisbindung. Aber was kommt dann?“, fragen sie.

550 Euro für ein Zimmer mit 13 Quadratmetern

Sein Sohn, so Fischer, sei nach dem Studium wieder nach Hamburg zurückgezogen. Jetzt zahle er 550 Euro für ein 13-Quadratmeter-Zimmer. „Das ist doch Wahnsinn“, sagt der Vater wütend. „Vermieter – geht arbeiten, wenn ihr mehr Geld verdienen wollt“ und „Renditen auf Mieten verbieten“, fordern sie auf ihren Schildern.

Die Jurastudentinnen Ina, Nioka, Marie und Emma (18 und 19 Jahre alt) zahlen sogar zwischen 600 und 800 Euro für ihre Zimmer und Wohnungen in Hohenfelde, Bahrenfeld, Eilbek und der Schanze. „Die BAfög-Sätze sind angesichts der hohen Mieten nicht mehr realistisch“, sagen sie. „Für Wohnen und Lebenshaltungskosten werden pauschale Sätze von etwa 450 Euro berechnet, die weit unterhalb unserer Mieten liegen.“

Ein Paar Anfang 30 ist mit seinem fünfjährigen Sohn gekommen. „Wir würden gerne eine Wohnung oder ein Haus kaufen. Für das Kind, aber auch als Vorsorge fürs Alter. Aber Eigentum wird immer unerschwinglicher“, sagt die Frau. In Wandsbek, wo sie wohnten, sei es „noch okay“. Viele andere Familien aber müssten dort wohnen, wo man mit Kindern eigentlich nicht leben wolle.

Aktivisten besetzen Soul-Kitchen-Halle in Wilhelmsburg

Am Abend besetzten Aktivisten mit Bauwagen die Brachfläche um die Soul-Kitchen-Halle in Wilhelmsburg. Die Halle, Drehort des gleichnamigen Films von Fatih Aktin, ist seit 2012 aus Sicherheitsgründen gesperrt, laut Stadt ist sie marode. Die Polizei forderte die Initiatoren in der Nacht mit Erfolg auf, das Gelände zu räumen.

Unterdessen hat der Bundesverband der privaten Immobilienwirtschaft (BFW) die Forderungen der Organisatoren – mehr geförderte Wohnungen sowie eine Deckelung der Mieten und Erbpacht statt Verkauf von städtischen Grundstücken – kritisiert.

„Schon heute ist Hamburg in Deutschland Spitzenreiter beim Verhältnis der Einwohnerzahl zur Anzahl geförderter Neubauwohnungen. In der Regel wird bei jedem größeren Neubauprojekt ein Drittel der Wohnungen öffentlich gefördert erstellt“, so Sönke Struck, Vorstandsvorsitzender des BFW Nord. Ein noch höherer Anteil würde laut Struck den frei finanzierten Wohnungsbau weiter verteuern.

Der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Andreas Breitner, nannte eine „Enteignung von Wohnungsunternehmen eine populistische Scheinlösung, die keines der aktuellen Probleme auf dem Wohnungsmarkt löst“. Auch wenn die Lage auf Hamburgs Wohnungsmarkt in einigen Segmenten angespannt sei, gebe es keine Wohnungsnot, sagte er.