Hamburg. So demonstrierten die Hamburger in der City für mehr bezahlbare Wohnungen und gegen Spekulanten.
Muss sie bald raus aus ihrer 48-Quadratmeter-Wohnung im Schanzenviertel, weil die Miete zu teuer wird? „Noch wohne ich günstig, mein Vermieter ist fair“, sagt Monika Dwinger. „Aber ich habe Angst, dass sich die Lage ändern könnte.“ Denn in ihrer Nachbarschaft seien zuletzt Häuser verkauft und die Mieten dort seitdem angehoben worden. Und in einem Hinterhof-Idyll plant ein Investor einen Neubau – zum Leid der Anwohner. „Es ist eine traurige Entwicklung“, sagt Dwinger. „Irgendwann wohnen hier vielleicht nur noch Geschäftsleute und Touristen.“
Demo dauerte drei Stunden
Um Flagge zu zeigen, ging die 49-Jährige am Sonnabend beim „MietenMove“ auf die Straße. Insgesamt etwa 3000 Menschen, so schätzte es die Polizei, demonstrierten in der Innenstadt drei Stunden lang „für eine solidarische und soziale Wohnraumpolitik“ in Hamburg. Die Veranstalter sprachen von 8000 Demonstranten. Unter den Teilnehmern waren viele junge Erwachsene, aber auch Familien und ältere Menschen.
Mit ihren Lautsprecherdurchsagen, wummernden Bässen aus zwei Musikwagen und Treckern am Ende des Zuges erhielten die Demonstranten viel Aufmerksamkeit, als sie vom Spielbudenplatz auf der Reeperbahn zum Gänsemarkt zogen, den Jungfernstieg entlang bis zum Rathaus und von dort aus über die Mönckebergstraße zu den vier vom Abriss bedrohten City-Hof-Hochhäusern am Klosterwall.
Die Mietpreisbremse sei ein „zahnloser Tiger“, hieß es
Ein beliebtes Motiv im Protestzug war der Hai – als Sinnbild für Immobilienbesitzer, die sich skrupellos bereichern. Mit einer Hai-Maske auf dem Kopf und einem Pappschild mit der Aufschrift „Renditehunger“ in der Hand schnappte eine Frau nach Mitläufern. Andere Demonstranten trugen Schilder mit der Aufschrift „Miethaie zu Fischstäbchen“. Lustig gemeint waren solche Bekundungen nur bedingt. „In Hamburg werden Menschen durch steigende Mieten aus ihren Stadtteilen verdrängt“, rief Mit-Initiatorin Petra Barz vom Netzwerk „Recht auf Stadt“.
Zu dem Protest aufgerufen hatten 127 Organisationen, darunter Stadtteilzentren wie der Einwohnerverein St. Georg, das Obdachlosenmagazin „Hinz & Kunzt“, der Verein Mieter helfen Mietern, drei Uni-Asten sowie etliche stramm linke Gruppierungen. Seit die SPD in Hamburg regiere, werde zwar so viel gebaut wie schon lange nicht mehr, hieß es im Aufruf. „Noch stärker als Wohnungsbauzahlen ziehen jedoch die Mietpreise an.“ Der rot-grüne Senat überlasse die Wohnungspolitik dem Markt. Die Mietpreisbremse sei ein „zahnloser Tiger“.
Zwar verweise die Politik darauf, dass Mieter von Neubauwohnungen günstige Wohnungen frei machten, wovon Geringverdiener profitierten. Von seinem solchen „Sickereffekt“ könne aber keine Rede sein: „Das Einzige, was da sickert, ist Wasser – und zwar durch die Decke der Buden, die Abzock-Vermieter Menschen zu übertriebenen Preisen anbieten“, rief Petra Barz.
Die Stadt solle ihre Vorkaufsrechte nutzen, um Grundstücke sozial vergeben und nutzen zu können. So könne der Bau von Wohnungen an Bedingungen geknüpft werden, die steigende Mieten verhinderten, hieß es auf einer Zwischenkundgebung.
Die Bindungen für Sozialwohnungen dürften nicht länger zeitlich befristet sein, forderten Demonstranten. Hintergrund: Die Zahl der Sozialwohnungen in Hamburg sinkt seit Jahren, weil mehr Wohnungen aus der Sozialbindung fallen, als neue Sozialwohnungen gebaut werden. Andere Demonstranten forderten mehr Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben und ein Sommernotprogramm für Obdachlose.
Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) hatte sich zuletzt im Abendblatt dafür ausgesprochen, eine Bundesratsinitiative des Berliner Senats mit stärkeren Regulierungen für den Wohnungsmarkt zu unterstützen. „Es ist wichtig, dass wir zum einen die Mieter vor massiven Mieterhöhungen schützen, die schon lange in ihren Wohnungen leben. Dafür ist es nötig, dass Vermieter Modernisierungsumlagen nicht mehr dazu nutzen können, Mieter aus ihren angestammten Wohnungen zu verdrängen“, hatte Steffen gesagt. Zum anderen müssten Mietsteigerungen bei Neuvermietungen schärfer begrenzt werden.
Wege "in den Wohnungsnotstand"
Steffens Vorschläge führten „geradewegs in den Wohnungsnotstand“, erklärte am Sonntag der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, Andreas Breitner. „Sollte die ohnehin schon untaugliche Mietpreisbremse derart verschärft werden, werden in Hamburg künftig bezahlbare Wohnungen weder gebaut noch modernisiert werden.“ Auch die Grünen müssten verstehen, dass Wohnungsunternehmen, die dauerhaft rote Zahlen schrieben, keine Zukunft hätten. „Eine Senkung der Sanierungsumlage führt nur dazu, dass Arbeiten aufgeschoben oder unterlassen werden.“