Hamburg . Im Pro und Contra äußern sich zwei Abendblattautoren zu den steigenden Mieten – und möglichen Gegenmaßnahmen.

Pro

Ja – sonst wird aus sozialem bald politischer Sprengstoff

Man kann den in Hamburg seit acht Jahren wieder regierenden Sozialdemokraten wirklich nicht vorwerfen, das Problem verkannt zu haben. Die Wohnungsbaupolitik war und ist ihr zentrales Vorhaben. Der Senat hat gewaltige Anstrengungen unternommen, um mehr Wohnraum zu schaffen und die Explosion der Mieten zu stoppen.

Gut 10.000 Wohnungen pro Jahr werden gebaut, eine Mietpreisbremse wurde eingeführt, und in immer mehr Stadtteilen gibt es soziale Erhaltensverordnungen, um alteingesessene Mieter zu schützen. Doch so richtig all dies auch ist, muss man feststellen: Es reicht leider nicht. Immobilienpreise und Mieten steigen weiter, scheinbar unaufhörlich. Was also tun? Wenn sich die gewöhnlichen Methoden als unzureichend erweisen, muss man zu ungewöhnlichen greifen. Und daher sollte die Stadt gesetzliche Mietobergrenzen einführen und die Mieten für einige Jahre einfrieren. Trotz aller Schwierigkeiten, die das mit sich brächte.

Sven Kummereincke
Sven Kummereincke © HA / A.Laible | Andreas Laible

Die massive Verteuerung des Wohnens ist ja längst kein Problem mehr, das nur die einkommensschwachen Schichten trifft. Selbst überdurchschnittlich verdienende Hamburger können sich die Mieten schlicht nicht mehr leisten. Die Krise erreicht also weite Teile der Gesellschaft – entsprechend groß ist der soziale Sprengstoff. Wenn die nächste Wirtschaftskrise kommt – mit steigenden Arbeitslosenzahlen –, ergibt das eine tickende politische Zeitbombe. Deshalb sollten jetzt radikal anmutende Maßnahmen getroffen werden; es wäre ein Akt politischer Weitsicht. Ja, die Immobilienbranche würde lauter aufschreien denn je. Sie würde von „Sozialismus“ und massiven Eingriffen in das Eigentumsrecht reden.

Doch diese Debatte ließe sich aushalten. Zumal ein solcher Eingriff in den Markt nichts grundlegend Neues wäre – der Staat tut es an anderer Stelle dutzendfach. Die Rechte von Betriebsräten, der Mindestlohn, sämtliche Arbeitsschutzgesetze, das gesamte Sozialversicherungssystem sind im Prinzip nichts anderes. Also: Traut euch! (Sven Kummereincke)

Contra

Nein – denn Gesetze schaffen keine einzige neue Wohnung

Es ist so einfach, vom politischen Versagen zu fabulieren, die Verantwortung für ungebremst steigende Mieten der Rathausregierung zuzuschreiben – aber es ist in Hamburg aktuell nicht redlich.

Über viele Jahre hinweg haben es Landesregierungen versäumt, (sozialen) Wohnungsbau voranzutreiben: Der Neubau kam nahezu zum Erliegen, statt Grundstücke in verantwortungsvolle Hände zu geben, wurde mit dem Bestpreisgebot Kasse gemacht, statt auf einen sozial ausgewogenen Mix in neuen Großprojekten zu achten, wurde Luxus pur angeboten. Nur: Diese Fehler wurden erkannt und behoben. Viel war es nicht, was Olaf Scholz 2011 angekündigt hatte. Das zentrale Versprechen wurde gehalten – 6000 neue Wohnungen jährlich zu genehmigen. 83.000 Genehmigungen seither und mehr als 45.000 fertiggestellte Wohnungen stehen auf der Habenseite. Das ist eine gute Bilanz. Nur will das niemand hören, erst recht nicht, wer eine Wohnung sucht. Und das sind durch die Attraktivität Hamburgs und den ungebremsten Zuzug Tausende.

Stephan Steinlein
Stephan Steinlein © HA / Mark Sandten | HA

Unsere Flächen sind endlich. Hamburg kann nicht im Tempo der vergangenen Jahre weiterwachsen, ohne sich radikal zu verändern. Die Frage lautet schon heute oft: Grün oder Grau? Naherholung oder Wohnraum?

Wer fordert, „Miethaie“ zu enteignen oder Obergrenzen einzuführen, erreicht das Gegenteil des vielleicht gut Gedachten. Wer investiert, will Geld verdienen, wer nichts mehr verdienen kann, sucht sich andere Investitionsmöglichkeiten. Neubau im großen Stil käme zum Erliegen, denn Hamburg ist nicht in der Lage, Wohnungsbau in dieser Größenordnung zu finanzieren. Auch würde schon die Ankündigung einer Obergrenze zu massenhaften Mieterhöhungen führen. Was würde passieren, wenn eine gesetzlich befristete Obergrenze ausläuft? Die Mieten würden explodieren. Und wo sollten die Regeln gelten? Im ach so begehrten Eimsbüttel, nicht aber in Rothenburgsort? Forderungen dieser Art sind populistisch und gaukeln eine Wirklichkeit vor, die es nicht gibt. Sie schüren unerfüllbare Erwartungen. (Stephan Steinlein)