Hamburg. Wer auf Auto verzichtet, soll HVV-Jahreskarte für 365 Euro kaufen können, ebenso wie Schüler, Praktikanten, Azubis und Senioren.
Die Verkehrspolitik rückt immer stärker ins Zentrum der Hamburger Wahlkämpfe zu den Bezirksversammlungswahlen am 26. Mai 2019 und den Bürgerschaftswahlen am 23. Februar 2020. Vor nicht einmal zwei Wochen hat die SPD auf ihrem Parteitag die Einführung eines „Hamburg-Taktes“ beschlossen, nach dem jeder Hamburger an jedem Ort der Stadt von 2029 an binnen fünf Minuten per Bus, Bahn oder Shuttle abgeholt werden oder ein Mobilitätsangebot erreichen soll. Die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets, das die HVV-Nutzung für einen Euro pro Tag erlauben sollte, lehnten die Genossen nach langer Debatte ab.
Nun hat auch die CDU erste Vorschläge erarbeitet, mit denen sie mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) motivieren will – und die Bestandteil des Wahlprogramms für die Bürgerschaftswahl 2020 werden sollen. Dabei nimmt die CDU das von der SPD verworfene Modell auf. Zentraler Punkt ihrer Pläne: Wer sein Auto abmeldet, soll ein HVV-Jahresticket für 365 Euro erwerben können. Das Angebot soll für zwei Jahre gelten. Um Missbrauch durch Ummeldungen auf Ehepartner auszuschließen, müssen alle Autos im jeweiligen Haushalt abgemeldet werden. Dieser als Modellprojekt deklarierte Vorschlag wurde laut CDU-Verkehrspolitiker Dennis Thering jetzt von der Bürgerschaftsfraktion beschlossen.
Image der Autofahrerpartei abstreifen
Zudem wolle die CDU bereits in der kommenden Wahlperiode 365-Euro-Jahrestickets für „bestimmte Personengruppen (zum Beispiel Schüler, Praktikanten, Azubis, Senioren)“ einführen, heißt es in dem Fraktionsbeschluss. „Neue Angebote sollen als Anreiz dafür dienen, das Auto gegen den ÖPNV einzutauschen und neue Nutzergruppen für Busse und Bahnen zu gewinnen“, heißt es weiter.
Unter dem designierten CDU-Spitzenkandidaten Marcus Weinberg rückt die Partei also auch in der Verkehrspolitik stärker in die Mitte – und will das Image der reinen Autofahrerpartei abstreifen. „Wenn wir Hamburg zum europäischen Vorreiter einer Mobilitätswende machen wollen, brauchen wir Anreize mit einem hohen Wirkungsgrad zum Umsteigen auf den ÖPNV“, sagte Weinberg dem Abendblatt. „Unser Ziel muss es doch sein, die einzelnen Bereiche des Umweltverbundes – also Bus, Bahn, Fahrrad und Sharing – bis 2030 auf über 35 Prozent zu heben. Hier sind wir ehrgeiziger als der heutige Senat.“
„Nachhaltige Mobilitätswende“
Der „entscheidende Hebel“ für diese „nachhaltige Mobilitätswende“ sei der Preis im ÖPNV und „nicht eine festgeschriebene Taktung in zehn Jahren“, wie die SPD sie angekündigt habe, so Weinberg. „Die schrittweise Implementierung eines Tickets für einen Euro am Tag ist transparent, einfach und günstig. Es muss ein Ende haben mit den hohen und nicht nachvollziehbaren unterschiedlichen Preisen im ÖPNV. Dann steigen die Menschen um. Die Taktung hingegen muss zu allererst verlässlich sein, damit der Nutzer sich darauf einstellen kann.“
Schon bei seiner Nominierung hatte Weinberg klargemacht, dass die Verkehrspolitik der CDU mit ihm eine andere Richtung nehmen würde. „Machen wir Hamburg jetzt mit neuem, mutigem Denken zum Pionier einer nachhaltigen Mobilitätswende“, forderte er damals. Wenn die CDU regiere, ende „der Kampf zwischen den Verkehrsteilnehmern“.
Unpünktliche und ausfallende Bussen
Auch der Verkehrspolitiker der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Thering, bezeichnete den ÖPNV mit „täglich rund 2,5 Millionen Nutzern“ als „Rückgrat der Mobilität in Hamburg, das wir als CDU weiter stärken wollen“. Zuletzt hätten die Fahrgastzuwächse die Dynamik früherer Jahre leider eingebüßt, so Thering. „Neben überfüllten, unpünktlichen und ausfallenden Bussen und Bahnen, sind vor allem die regelmäßigen und zu hohen Fahrpreiserhöhungen dafür verantwortlich. Unser Ziel sind mittelfristige Fahrgastzuwachsraten von jährlich zwei Prozent und mehr.“
Um dieses Ziel zu erreichen, wolle die CDU „die Busse und Bahnen im ersten Schritt für Schüler, Azubis, Praktikanten und Senioren preislich deutlich attraktiver machen und ein 365-Euro-Ticket einführen“. Dadurch würden vor allem Familien mit Kindern und Senioren preislich entlastet, und es werde der Anreiz gesetzt, regelmäßig die Busse und Bahnen in Hamburg zu nutzen.
Weniger Staus
Auch das 365-Euro-Ticket für Hamburger, die ihre Autos abmelden, solle „einen positiven Beitrag für Klimaschutz und weniger Staus in Hamburg leisten“. Busse und Bahnen müssten durch „bessere Pünktlichkeit und höhere Taktfrequenzen so attraktiv werden“, dass die Menschen auch nach Ablauf der auf zwei Jahre befristeten Nutzung des 365-Euro-Tickets nicht wieder ein Auto anschafften. Die Kosten der geplanten Angebote ließen sich vorab schwer exakt beziffern, so Thering.
Sie hingen davon ab, wie viele Menschen die Angebote annähmen. Zudem müsse man gegenrechnen, dass es weniger Staus und daraus entstehende volkswirtschaftliche Schäden gebe – und die Luft sauberer werde. Nach einer ersten Überschlagsrechnung der CDU könnten die zusätzlichen Kosten bei bis zu 90 Millionen Euro pro Jahr liegen.