Hamburg . Fahrten für einen Euro pro Tag für alle vom Tisch. Finanzsenator Dressel: Hamburg würde sich mit solchem Versprechen übernehmen.

Die Hamburger SPD hat auf einem Landesparteitag in den Messehallen Grundlagen für ihre künftige Verkehrspolitik beschlossen – und sich zugleich auf den Endspurt des Bezirks- und Europawahlkampfs eingestimmt. Bürgermeister Peter Tschentscher kündigte dabei das Ziel an, einen „Hamburg-Takt“ im HVV einzuführen, der Fahrpläne letztlich überflüssig machen soll.

Demnach solle jeder Hamburger sicher sein können, bis 2029 an jeder Haltestelle, aber auch jedem anderen Punkt der Stadt, binnen fünf Minuten von Bus, Bahn oder einem Shuttle abgeholt zu werden. Daran arbeite der Senat derzeit gemeinsam mit der Hochbahn. „Das wird einmalig sein und ist durch kein anderes Verkehrssystem möglich“, sagte Tschentscher.

Fünf-Minuten-Versprechen bis 2029

In dem dazu beschlossenen Leitantrag des Landesvorstandes heißt es, man wolle „das 5-Minuten-Versprechen bis 2029 überall in der Stadt einhalten können“. Tschentscher betonte in seiner Rede, dass der Senat die Angebote im öffentlichen Personennahverkehr bereits durch größere Busse und Bahnen und bessere Taktungen stetig ausbaue.

Durch die U5 bekämen künftig weitere 150.000 Menschen direkten Zugang zum Schnellbahnsystem, so der Bürgermeister. Es sei sinnvoll, den Verkehr in den Untergrund zu verlegen, denn so entstehe oberirdisch Platz für Radfahrer, Fußgänger, den Wirtschaftsverkehr und die Verkehrsteilnehmer, die noch auf das Auto angewiesen seien.

Vereinfachte Tarife im HVV

Dabei sorge die SPD dafür, dass der HVV nicht nur besser, sondern auch günstiger werde. Dieses Ziel verfolge der Senat mit Verbesserungen bei Senioren-, Schüler- und Azubi-Karten. Neben dem „Hamburg-Takt“ sei auch ein „Hamburg-Tarif“ geplant. Laut beschlossenem Leitantrag strebt die SPD an, die HVV-Preise innerhalb eines Jahrzehnts für alle zu vereinfachen.

Als zweites großes Thema, das die Hamburgerinnen und Hamburger umtreibe, nannte Tschentscher das Wohnen. Mit ihrem Bauprogramm sei die SPD auf dem richtigen Kurs. Die „mehr als 80.000 Baugenehmigungen“, die die Stadt in den vergangene Jahren erteilt habe und der massive Wohnungsbau hätten dazu geführt, dass der Mietanstieg bei Neuvermietungen in Hamburg im Durchschnitt deutlich niedriger ausfalle als im Bundesdurchschnitt oder in Städten wie Berlin.

Menschen nicht aus der Stadt verdrängen

Dabei seien Hamburg und die SPD insgesamt gut auf das Wachstum der Stadt eingestellt, etwa auch durch den Bau neuer Schulen und Kitas. Wenn Hamburg in den kommenden zehn Jahren um 180.000 Einwohner wachse, dann sei das ein „mäßiges Wachstum“ und „ein lösbares Problem“, so Tschentscher. Wichtig sei es, dass Menschen, „die Jahrzehnte hier gelebt haben, nicht aus der Stadt herausgedrängt werden“, sagte der Bürgermeister. „Zehn Prozent Wachstum kann man abbilden. Wir bekommen das hin.“

Auch auf die am 26. Mai parallel zu den Bezirksversammlungswahlen stattfindende Europawahl stimmte Tschentscher das Parteivolk ein und sagte dabei Europaskeptikern und Populisten den Kampf an. „600.000 Menschen mit Migratonshintergrund leben in Hamburg“, sagte der Bürgermeister. „Liebe Populisten, habt ihr damit ein Problem? Wir nicht!“ Hamburg sei eine internationale Stadt und solle das auch bleiben.

Kritik am neuen Urheberrecht in der EU

"Europa ist die Antwort“, zitierte Tschentscher den Wahlkampfslogan seiner Partei – und fügte dann noch hinzu: „Und keine Uploadfilter!“ Damit kritisierte er das vom Europaparlament beschlossene neue europäische Urheberrecht, über das seit Wochen intensiv diskutiert wird.

Die SPD habe Hamburg zur „familienfreundlichsten Stadt Deutschlands“ gemacht, so der Bürgermeister. „Wir versprechen, wir planen und wir liefern“, so Tschentscher, der nach seiner Rede minutenlang von den rund 300 Delegierten mit stehenden Ovationen gefeiert wurde.

Große Debatte über 365-Euro-Ticket

Parteichefin Melanie Leonhard hatte bei der Begrüßung bereits das grundsätzliche Ziel ihrer Partei ausgegeben. „Wir wollen uns so aufstellen, dass auch in zehn Jahren alle sagen, Hamburg ist die Metropole der Zukunft, Hamburg geht voran“, so Leonhard. „Ziel ist eine Stadt in der alle gut leben, gut von A nach B kommen, in der es echte Bildungsgerechtigkeit gibt und jeder für sich die besten Zukunftschancen findet, in der Unternehmen Fachkräfte finden und gleichzeitig gerechte Löhne zahlen“. Dabei sei es zugleich elementar, die Demokratie so zu stärken, „dass wir sie erhalten und weiterentwickeln“, sagte Leonhard.

Intensiv debattiert wurde allerdings auch auf diesem Parteitag – und zwar über die mögliche Einführung eines 365-Euro-HVV-Jahrestickets. Einen Antrag, ein solches Ticket nach Wiener Vorbild langfristig einzuführen, bei dem der HVV netzweit also für einen Euro pro Tag nutzbar wäre, hatte der Kreisverband Altona eingebracht.

Dressel: Günstige Tickets nicht finanzierbar

Finanzsenator Andreas Dressel warnte davor, mit einem solchen Versprechen würde man sich übernehmen – zumal das Ganze 400 Millionen Euro pro Jahre kosten würde. Wien habe überdies die Parkgebühren massiv erhöht und eine zusätzliche Steuer eingeführt. Hamburg solle sich auf das „Fünf-Minuten-Versprechen“ konzentrieren, dessen Umsetzung ein großer Kraftakt sei.

Altonas Kreischef Mathias Petersen plädierte dagegen für die langfristige Einführung des 365-Euro-Tickets – innerhalb eines Jahrzehnts. „Wir brauchen ein Zeichen, wir müssen den Menschen sagen: Wir denken an alles, auch an den sozialen Bereich“, sagte Petersen. Dieses Signal sei auch im Wahlkampf für die SPD wichtig. Es sei „unredlich“ mit unbelegten Zahlen gegen dieses Angebot zu argumentieren. „Ich möchte, dass wir Visionen auch mal nach außen darstellen“, sagte Petersen – und erhielt dafür viel Applaus.

Keine Bezuschussung von Gutverdienern

Gegenredner betonten, dass es nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun habe, wenn die SPD auch Gutverdienern die HVV-Preise massiv senke. Es wurde auch argumentiert, dass der Ausbau der Angebote und die Umstellung auf Barrierefreiheit Vorrang vor so massiven Preissenkungen haben müsse. Am Ende einer langen Debatte stimmte die Mehrheit der Delegierten gegen das 365-Euro-Ticket.

Der Leitantrag des Vorstandes wurde gleichzeitig in wesentlichen Punkten geändert – und schließlich von den Delegierten beschlossen. Zuvor war das Ziel in den Antrag aufgenommen worden, die Preiserhöhungen beim HVV künftig auf Höhe der allgemeinen Preissteigerung, also der Inflation, zu begrenzen.

Profi-Ticket für Kleinstfirmen

Zudem soll die Einführung eines echten Sozialtickets geprüft werden. Und das vergünstigte Profiticket soll künftig nicht erst für Firmen mit mindestens 20 Mitarbeitern verfügbar sein, sondern für alle Firmen, also bereits von einem Mitarbeiter an.

Mit diesem Gesamtpaket konnten offenbar alle anwesenden Genossen gut leben: Der modifizierte Antrag wurde nach fast dreistündiger Debatte einstimmig angenommen – was bei rund 300 Delegierten eine große Geschlossenheit der SPD vor den anstehenden Wahlkämpfen dokumentierte. Im Laufe des Nachmittags sollten auf dem Parteitag zahlreiche weitere Anträge zur Verkehrs-, Bildungs- und Wohnungsbaupolitik und zu Satzungsfragen diskutiert und abgestimmt werden.