Hamburg. Firmen wie HHLA und Lufthansa Technik setzten auf Drohnen, Hamburg ist Testregion. Airbus präsentiert sein Flugtaxi.
Plötzlich stand Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer unter Beobachtung von Big Brother. Der CSU-Politiker war auf einer Dachterrasse, vor ihm tauchte eine Drohne auf, blinkte ein bisschen und verschwand wieder. Als „nicht ganz witzig“ habe er diese Situation empfunden, sagte der Politiker, als er Ende Februar die Anekdote bei einer Veranstaltung in seinem Ministerium in Berlin erzählte. Der Schutz der Privatsphäre sei ihm daher ebenso wichtig wie die Sicherheit des Luftraums und die Erschließung neuer Geschäftsfelder – und die Bundesrepublik solle vorn dabei sein.
„Wir wollen Drohnen und Lufttaxis aus dem Labor in die Luft bringen – im Sinne eines starken Innovationsstandortes Deutschland“, sagte Scheuer und sprach von einer „Riesenchance für Kommunen, Unternehmen und Start-ups“. Der Verkehrsminister legte ein Förderprogramm über 15 Millionen Euro auf, das vier Jahre lang läuft. Fünf deutsche Region wurden zu Pilotregionen für innovative Luftmobilität ernannt. Neben dem Grenzgebiet Enschede-Münster, der Region Nordhessen, Ingolstadt und Aachen gehört auch Hamburg dazu. Das Abendblatt gibt einen Überblick über den Stand der Entwicklung in der Hansestadt sowie über die Technologie.
Was passiert in Hamburg?
Die Hansestadt gehört seit vergangenem Juni zur europäischen Modellregion Urban Air Mobility – als zweite Stadt überhaupt. Mittlerweile sind 42 Städte vertreten. Die Städte sollen sich vernetzen, voneinander lernen und Demonstrationsprojekte durchführen. „Das Modellprojekt in Hamburg ist der Transport von Gewebe, welches während einer Operation entnommen und zur Analyse in ein externes Labor geflogen wird (Schnellschnitte)“, sagt Susanne Meinecke, Sprecherin der Wirtschaftsbehörde. Bisher seien zwei Krankenhäuser, mehrere Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus dem Drohnen-Netzwerk WinDroVe (Wirtschaftliche Nutzung von Drohnen in Metropolregionen) beteiligt. Die Vorbereitungen liefen, ein regelmäßiger Testbetrieb außerhalb der Sichtweite einer Steuerfrau oder eines Steuermanns werde frühestens im nächsten Jahr starten, sagte Meinecke.
Ein DAX-Konzern siedelte erst vor wenigen Wochen sein Drohnen-Kompetenzzentrum bei seiner Hamburger Tochter an. Lufthansa Technik übernimmt für die gesamte Kranich-Gruppe zum Beispiel die Strategieentwicklung der unbemannten Luftfahrtgeräte (UAV) sowie die Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle. Etwa ein halbes Dutzend Mitarbeiter sollen sich am Flughafen mit dem Thema befassen, an anderen Standorten kommen noch zwei Dutzend Beschäftigte hinzu. „Je nach Ausprägung der zukünftigen Strategie und der Marktentwicklung könnte sich diese Zahl aber noch erhöhen“, sagte Sprecher Michael Lagemann.
Aktiv ist die Firma schon in ihrem Kerngebiet: Flugzeuge werden mit Hilfe von Drohnen auf Beschädigungen untersucht. Zudem werden Windenergieanlagen mit ihnen kontrolliert. Zukünftig soll der Fokus darauf liegen, die Fluggeräte ohne Sichtkontakt nur mit eingebauten Kameras und Navigationsinstrumenten entlang von festgelegten Routen zu steuern – das bedarf einer Regeländerung, denn noch dürfen die meisten unbemannten Fluggeräte nur auf Sicht geflogen werden. Mit dieser Technik könnten Offshore-Windanlagen sowie Strom- und Eisenbahntrassen über große Distanzen inspiziert werden. Ein interessantes Geschäftsfeld wäre der Einsatz unbemannter Fluggeräte in der Logistik.
Auch andere Firmen in der Hansestadt heben bereits ab. Schon vor Jahren ließ die Hamburg Port Authority (HPA) mit Drohnen die Köhlbrandbrücke auf Beschädigungen überprüfen. Im Hafen nutzt seit zwei Jahren der Terminalbetreiber HHLA die Fluggeräte im alltäglichen Geschäftsbetrieb. So werden beispielsweise Sichtwartungen von Containerbrücken mit Drohnen durchgeführt, Sicherheitszäune kontrolliert und die Flächen der automatisch fahrenden Containertransporter auf dem Terminal in Altenwerder regelmäßig inspiziert. Zwei bis drei Mitarbeiter seien in Vollzeit damit beschäftigt. Das Unternehmen besitzt drei eigenen Drohnen und arbeitet zudem mit Subunternehmen zusammen. „Der Einsatz von Drohnen wird bei der HHLA in Zukunft mit Sicherheit zunehmen“, sagte Sprecherin Annette Krüger und spricht von einem Erfolgsmodell. „So ist beispielsweise geplant, Drohnen auch für Wartungsflüge entlang der Speicherstadt-Fassaden einzusetzen.“ Ende 2018 beteiligte sich der Konzern an dem Start-up Spherie, das in der HafenCity Drohnen inklusive Hard- und Software entwickelt und herstellt.
Die Hamburger Polizei startete im vergangenem September ein Drohnen-Pilotprojekt mit zwei verschieden großen Drohnen. Eine rund fünf Kilo schweres Modell wird zum Beispiel von der Wasserschutzpolizei für die Überwachung von Schifffahrtsrouten, bei der Personensuche und zum Entlarven von Umweltsündern eingesetzt. In der Kriminaltechnik sollen Drohnen Aufnahmen von Tatorten liefern. Die Feuerwehr macht seit 2017 Testflüge mit einem Quadcopter mit vier Propellern und einer Ultra-HD-Kamera. So sind Aufnahmen aus bis zu 100 Meter Höhe möglich. Hilfreich sind Drohnen bei großen Bränden oder der Suche nach Vermissten. Die Wirtschaftsbehörde überwacht mit den Fluggeräten die Ausbreitung von Unkraut, andere öffentliche Stellen prüfen den Zustand von Gebäuden.
Wie häufig stören Drohnen den Flugverkehr?
Alle Drohnen, die mehr als 250 Gramm wiegen, müssen gekennzeichnet sein. Die „Piloten“ brauchen zumeist eine zusätzliche Haftpflichtversicherung und müssen teilweise Kenntnisse nachweisen. Die Zahl der Meldungen von Drohnen ist – analog zu den steigenden Verkaufszahlen, es soll mittlerweile rund 600.000 Drohnen in Deutschland geben – kontinuierlich gestiegen. 2015 meldeten Piloten der Deutschen Flugsicherung (DFS) lediglich 14 Drohnen, 2017 waren es 88 und im vergangenen Jahr 158. 125 davon fanden im Umfeld eines Flughafens statt.
Mit 31 Sichtungen und Behinderungen war der größte deutsche Flughafen Frankfurt am stärksten betroffen. Es folgen Berlin-Tegel (17), München (14) und Hamburg. In Fuhlsbüttel wurden zwölf Drohnen gesichtet, im Jahr zuvor waren es vier. In den vergangenen Jahren habe es ein oder zwei sehr kurze Unterbrechungen des Flugverkehrs wegen einer Drohne am Flughafengelände gegeben, sagte eine DFS-Sprecherin. Gefährliche Vorfälle an deutschen Airports habe es bisher nicht gegeben. In London-Gatwick sorgten Drohnen hingegen kurz vor Weihnachten gleich an mehreren Tagen für Chaos. Etwa 1000 Flüge wurden gestrichen oder umgeleitet, betroffen waren 140.000 Passagiere.
Wie weit sind Hersteller bei Lufttaxis?
Auf dem Markt für Lufttaxis wollen eine Reihe von Firmen aus verschiedenen Branchen mitmischen. Natürlich mit dabei sind die beiden weltweit führenden Flugzeugbauer. Boeing feierte Ende Januar den Erstflug des Prototyps eines Autonomen Passagier-Luftfahrzeug in Manassas im US-Bundesstaat Virginia. Das elektrisch angetriebene Fluggerät sei abgehoben, in der Luft geschwebt und wieder sicher gelandet, so Boeing. Die Maschine werde sowohl für zwei als auch für vier Personen an Bord designt.
Airbus ließ seinen Einsitzer Vahana schon Anfang 2018 erstmals abheben. Die Augen ruhen momentan aber eher auf dem Cityairbus. Eigentlich sollte dieser schon Ende 2018 in die Luft gehen, der Start wurde allerdings mehrfach verschoben. „In den nächsten Wochen wird er das erste Mal abheben, hoch und wieder runterfliegen“, sagte Airbus-Sprecher Gregor von Kursell. Stattfinden soll das ganze in Donauwörth. In dem Hubschrauberwerk der bayerischen Stadt wird das Lufttaxi gebaut. Am Montag präsentierte Airbus das Fluggerät erstmals in Ingolstadt der Öffentlichkeit. Mehr als 2500 Zuschauer zeigten sich sehr interessiert, hieß es. „Schaut ziemlich cool aus, jetzt muss er nur noch fliegen“, sagte Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) über das von Airbus als „Demonstrator“ bezeichnete Fluggerät.
Der Cityairbus bietet bis zu vier Personen Platz. Anfangs soll noch ein Pilot in ihm sitzen, später soll er autonom fliegen. Die Reisegeschwindigkeit liegt bei 120 Kilometer pro Stunde. Die ideale Strecke ist 30 Kilometer lang, ehe es zurück zum Ausgangspunkt geht. Dort werden die Batterien wieder aufgeladen. 30 Minuten sollen dafür reichen. Mit Außenmaßen von acht mal acht Meter ist er kleiner als der kleinste Helikopter. Mehrere Bodentests liefen bisher erfolgreich. Nach dem Premierenflug in Donauwörth wird der Cityairbus zum Flughafen Manching transportiert, um dort seine ersten Testflüge zu absolvieren.
Einige Start-ups sind weiter: Volocopter aus Bruchsal erhielt 2016 als global erstes Unternehmen die Fluglizenz für den bemannten Betrieb eines elektrischen Zwei-Sitzers. Im September 2017 gab es die Weltpremiere eines autonom fliegenden Lufttaxis im urbanen Raum. Acht Minuten lang flog der Volocopter in bis zu 60 Meter Höhe über Dubai. In der zweiten Hälfte dieses Jahres ist eine Testserie in Singapur geplant. Die Stadt sei als Pionier in Technologie und Stadtentwicklung ein logischer Partner, sagte Volocopter-Chef Florian Reuter: „Wir stehen in den Startlöchern, die ersten festen Flugtaxi-Strecken in Städten umzusetzen.“ Für 2021 erhofft er sich die Zertifizierung durch die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA. „Dann wollen wir den Volocopter auf den ersten Routen einsetzen“, sagt Reuter.
An Volocopter beteiligt sind unter anderem der Chipgigant Intel und der Autobauer Daimler. In den potenziellen Milliardenmarkt drängen auch Volkswagen und Porsche sowie der Fahrdienstvermittler Uber. Und der chinesische Internetkonzern Tencent investierte rund 100 Millionen Dollar in das Start-up Lilium, den zweiten deutschen Vorreiter. Das Ziel von Lilium mit Sitz in Weßling (Bayern) umreißt ein Firmensprecher: „Wir wollen bis 2025 in mehreren Städten fliegen.“ Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) setzt große Hoffnungen auf die einheimischen Firmen. Sie sagte der „Rheinischen Post“, das Ziel sei, „dass Deutschland in dieser Technologie Weltmarktführer wird“.
Wird es Lufttaxis in Hamburg geben?
Zunächst einmal müssen die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. In seinem Ministerium werde schon über Flugrouten zum Münchner Airport diskutiert, sagte Scheuer. Die Gesetze dürften nicht erst geschaffen werden, wenn die Ingenieure die Fluggeräte fertig entwickelt haben. Beides müsse zeitgleich passieren, so Scheuer. Als weitere große Hürde gilt das Wohlwollen der Bevölkerung. „Wahrscheinlich müssen Luftautobahnen entstehen, um willkürliche Flüge über Wohngebieten zu verhindern“, sagt Flugzeugexperte Michael Ramsey vom Marktbeobachter Gartner.
Auf der Kickoff-Veranstaltung im Berliner Ministerium sagte Andreas Richter von der Hamburger Wirtschaftsbehörde in einer Talkrunde: „Die Akzeptanz müssen wir in den Städten herstellen.“ Auf europäischer Ebene könne nur der Rahmen gesetzt werden. Wenn man frage, wolle man bei Stau auf den Straßen in die Luft abheben, würde man ein begeistertes „ja“ hören. Wenn die Lufttaxis aber vor der eigenen Haustür starten und landen sollen, „hören sie ein deutliches Nein“, so Richter. Der Frankfurter Flughafen verkündete vor Kurzem ein Gemeinschaftsprojekt mit Volocopter, um zu überprüfen, inwiefern der Betrieb von Flugzeugen und Lufttaxis am Airport vereinbar ist. Am Hamburger Flughafen sei so etwas derzeit nicht geplant. Man beobachte, was sich tue, sagte Sprecherin Katja Bromm: „Grundsätzlich stehen wir Innovationen offen gegenüber.“
Was könnten Lufttaxi-Strecken in Hamburg kosten?
Die Beratungsgesellschaft Porsche Consulting hält den kommerziellen Einsatz von Lufttaxis ab 2025 für möglich. Erste Verbindungen würden wohl von Flughäfen zu viel besuchten Orten oder in größere Städte der Metropolregion führen. Der Luftraum müsste per Verkehrsmanagementsystem überwacht werden.
Für das Abendblatt berechnete Porsche Consulting für verschiedene Hamburger Strecken die Preise. Bei einem Flug vom Flughafen in Fuhlsbüttel zur Elbphilharmonie müssten rund zehn Kilometer Luftlinie überwunden werden. Dort müsste noch eine Start- und Landestelle gebaut werden. Die Strecke könnte in drei Minuten zurückgelegt werden, hinzu kommt allerdings noch die Zeit für das senkrechte Auf- und Absteigen des Lufttaxis. Der Preis pro Flug läge bei 30 Euro. Auf den Straßen wäre man gut zwölf Kilometer unterwegs, die Fahrt würde knapp 30 Minuten dauern.
Allerdings gelten innerstädtische Flugstrecken als zu kurz, um einen deutlichen Vorteil gegenüber Auto, Bus und Bahn zu erzielen. Die Distanz sollte bei mindestens 20 Kilometer liegen. Die 52 Kilometer vom Helmut-Schmidt-Flughafen in die Lübecker City könnten für 156 Euro in 16 Minuten bewältigt werden. Mit dem Auto wären es rund 66 Kilometer und man mehr als eine Stunde unterwegs. Den größten Effekt gäbe es beim Sprung über die Elbe. Die 35 Kilometer Luftlinie von Fuhlsbüttel nach Stade wären zum Preis von 105 Euro in elf Minuten überwunden. Mit dem Auto würde man für die gut 60 Kilometer mehr als eine Stunde brauchen – wenn der Stau nicht all zu schlimm ist. Vielleicht ist es ja bald Zeit, in die Luft zu gehen.