Hamburg. Verband befürchtet, dass künftig weniger Wohnungen gebaut werden, falls die Stadt ihre Grundstücke nur noch über Erbpacht vergibt.
Die Begrüßung im angemieteten Ehrengastbereich des Volksparkstadions hätte freundlicher kaum sein können. Man fühle sich über den hohen Besuch beim Landesverbandstag sehr geehrt, sagte Sönke Struck am Donnerstag mit Blick auf die Ehrengäste aus der Politik, allen voran Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Dann aber wechselte Struck als Chef des Landesverbands Nord im Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) in den Abrechnungsmodus, vor allem in Richtung Tschentscher: „Mit Ihrer Politik sägen Sie den Ast ab, auf dem Sie und die Hamburger Mieter sitzen.“ Die Kritik richtete sich besonders gegen den neuen Verkaufskurs des Senats.
Wie das Hamburger Abendblatt bereits berichtete, will die Stadt ihre Grundstücke künftig vorrangig über Erbpacht vergeben und nicht mehr veräußern. Der Senat will damit die Spekulation um Grundstücke eindämmen und für bezahlbaren Wohnraum sorgen. Struck hält dies für einen großen Fehler. Erbpacht habe nur Sinn bei Grundstücken, die für die Stadt aus Sicht der Stadtentwicklung bedeutend seien. Grundsätzlich werde die neue Vergabepolitik den Wohnungsmarkt aber weiter anheizen. Denn für Investoren seien Erbpacht-Regeln extrem unattraktiv: „Bei einem Pachtvertrag über 75 Jahre zahlt man zwischen 150 und 200 Prozent des Kaufpreises. Und nach Ablauf dieser Frist muss neu verhandelt werden. Wahrscheinlich wird es dann noch teurer.“
Erbpacht „mit Augenmaß“ einsetzen
Und immer drohe die Gefahr, dass die Stadt am Ende das Grundstück wieder übernehmen werde. Dies würde auch die Verhandlungen mit den Banken über Kredite erschweren. Die Konsequenz ist laut Struck schon jetzt zu spüren: „Viele unserer Mitgliedsunternehmen denken über eine Verlagerung ihrer Bauaktivitäten auf den Gewerbeimmobilienmarkt nach. 40 Prozent wollen sich künftig verstärkt im Umland engagieren.“
Deshalb sei der Hamburger Neubau-Boom – 2018 bauten BFW-Unternehmen 5632 Wohnungen, was einer Steigerung gegenüber 2017 von 92,7 Prozent entspricht – in akuter Gefahr. Und nachlassende Bautätigkeit würde automatisch dazu führen, dass der Senat sein Ziel von 10.000 neuen Wohnungen im Jahr in Zukunft verfehlen werde.
Strucks Fazit: „Die Politik gefährdet den Neubau-Boom.“ Indirekt stellte er bei einer Pressekonferenz unmittelbar vor dem Landesverbandstag sogar das Bündnis für das Wohnen infrage, in dem seit 2011 Verbände aus der Wohnungswirtschaft und Vertreter der Stadt zusammenarbeiten. „Die Politik verspielt mit diesem Weg das über Jahre gewonnene Vertrauen. Da müssen auch wir uns Gedanken machen.“ Wohnungsbauunternehmen und Vermieter seien inzwischen völlig ungerechtfertigt in eine „Sündenbock-Rolle“ geraten – „wie die Banken vor zehn Jahren“.
Andreas Breitner schaltete sich ein
Tschentscher war in seiner Replik sichtbar bemüht, die Wogen zu glätten. Er versprach, dass man das Instrument der Erbpacht „mit Augenmaß“ einsetzen werde: „Sie müssen nicht gleich in den Graben springen.“ Der Senat wisse sehr wohl, was man an der privaten Bauwirtschaft habe. Das bekräftigte auch Daniel Günther (CDU). Unter dem Applaus der Wohnungsunternehmer versprach der Ministerpräsident, dass Schleswig-Holstein noch in diesem Jahr die Mietpreisbremse abschaffen werde: „Sie hat nichts gebracht.“
Bei der abschließenden Diskussionsrunde im Volkspark zeigte sich einmal mehr, welche große Rolle das Thema Wohnen in den anstehenden Wahlkämpfen spielen wird. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf verteidigte den neuen Kurs in der Verkaufspolitik städtischer Grundstücke: „Es gibt Auswüchse auf dem Wohnungsmarkt, diese müssen wir verhindern.“ Auch Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linken in der Bürgerschaft, plädierte für das Erbbaurecht: „Diese Regelung hat schon vor Jahrzehnten dazu beigetragen, dass wir heute noch günstige Wohnungen haben.“ Der Senat müsse viel stärker dafür sorgen, dass die Unternehmen Grundstücke erhalten, die günstige Mieten garantierten.
In die Diskussion schaltete sich auch noch Andreas Breitner ein. „Der mögliche Rückzug privater mittelständischer Wohnungsunternehmen ist eine beunruhigende Entwicklung, die die angespannte Lage auf Hamburgs Wohnungsmarkt weiter verschärfen könnte“, sagte der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), in dem die Hamburger Wohnungsgenossenschaften und die Saga organisiert sind. Sein Appell: „Die Politik ist gefordert, alles zu unternehmen, den Bau von Wohnungen in Hamburg zu erleichtern. Auch die im VNW organisierten Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften spüren im Alltag die Probleme bei der Erschließung von geeignetem Bauland. Es fällt ihnen immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“