Hamburg. Von Hexenschuss bis grippaler Infekt – Anruf genügt. Doch Hamburgs Ärztekammer zweifelt an der Legalität der neuen „Alpha-Ärzte“.

Lange Wartezeiten in den Notaufnahmen, ebenso in vielen Wartezimmern niedergelassener Ärzte: Gerade ältere Menschen empfinden das oft als Zumutung. Das neue Angebot „Alpha-Ärzte“ in Hamburg, bei dem der Arzt nach einem kurzen Anruf zum Patienten nach Hause kommt, dürfte deshalb bei vielen Menschen auf Interesse stoßen – zumindest bei jenen, die sich den Service leisten können oder die privatversichert sind.

Das Konzept ist einfach: „Alpha-Ärzte“ ist ein Zusammenschluss von nicht niedergelassenen Ärzten, die quasi auf Abruf bereitstehen. Behandelt wird alles: von Hexenschuss bis grippaler Infekt. Lebensbedrohliche Situationen sind ausgenommen – da gilt weiterhin die Notrufnummer 112.

Die Patienten sind hauptsächlich privatversichert

Laut Geschäftsführer Raphael Weiland sind alle Mediziner approbiert, und jede Behandlung wird für den Hausarzt dokumentiert. Abgerechnet werde nach der Gebührenordnung für Ärzte. Kassenpatienten müssen die Kosten allerdings selbst zahlen. Und die liegen pauschal bei 180 Euro. Laut Geschäftsführer Raphael Weiland würden allerdings einige Kassen die Kosten bezuschussen. Der Anteil der Selbstzahler ist seinen Aussagen zufolge gering: „Die Patienten der Alpha-Ärzte sind hauptsächlich privat versichert.“

Kern des Angebots sei, „den perfekten Zugang zu schaffen“, erklärt Weiland. Etwa für die alleinerziehende Mutter, die ältere Dame mit Gehbehinderung oder Freiberufler unter Zeitdruck. Das Angebotsspektrum sei das gleiche wie beim Hausarzt, der einen Hausbesuch macht, sagt Weiland. Aktuell seien acht bis zehn freiberufliche „Alpha-Ärzte“ in Hamburg tätig.

Hamburger Ärztekammer kritisiert Angebot

Doch das Angebot sorgt nicht nur für Begeisterung. Dr. Pedram Emami, Präsident der Ärztekammer Hamburg, sieht keine Notwendigkeit, dass Kassenpatienten sich an einen privatärztlichen Notdienst wenden: „Hamburg verfügt über ein hervorragend ausgebautes Notfallsystem: Neben der 112 für lebensbedrohliche Probleme gibt es die Notfallpraxen und den Arztruf der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, den man über 116117 erreicht.“

In Hessen, wo Alpha-Ärzte gegründet wurde, hatte die Landesärztekammer bereits Zweifel an der Legalität des Modells geäußert und verwies auf die ärztliche Berufsordnung, nach der Ärzte, die Hausbesuche durchführen, niedergelassen sein müssen. Dem schließt sich auch Hamburgs Ärztekammer an.

Weiland sagt zu dem Vorwurf, die Praxis der Alpha-Ärzte sei nicht legal: „Wir sehen keinen Vorwurf, sondern lediglich Unwissenheit. Wir sind kein Betreiber von Praxen, sondern organisieren die Dienste für die Ärzte. Der Betrieb von Alpha-Ärzten ist vollkommen legal.“

Roland Berger: Potenzial für digitale Medizin

Dienstleistungen für Privatversicherte und Selbstzahler seien im Kommen, sagt Thilo Kaltenbach, Gesundheitsexperte bei der Unternehmensberatung Roland Berger. „Sicherlich ist der Markt für diese Art von Diensten momentan noch sehr klein, doch dahinter steckt noch Potenzial.“ Es gebe zum Beispiel Apps, mit denen Patienten einen Arzt rufen können. „Wenn die Digitalisierung des Gesundheitswesens in den kommenden zwei bis drei Jahren weiter voranschreitet, werden sich solche Dienstleistungen in Verbindung mit der digitalen Gesundheitskarte auf dem Markt verstärkt etablieren.“

So setzen die Alpha-Ärzte auch auf Video-Sprechstunden. Seit das sogenannte Fernbehandlungsverbot gelockert wurde, ist es unter bestimmten Bedingungen erlaubt, Patienten zu behandeln, ohne sie persönlich zu treffen. Das Angebot soll Weiland zufolge in Zukunft stark ausgebaut werden.

Digitale Praxis: Aus Dr. Ed wurde Zava

Dass sich der Markt wandelt, zeigen auch Beispiele wie die Internetpraxis „DrEd“, die jetzt Zava heißt, gegründet von dem Hamburger David Meinertz. Das ist eine Arztpraxis, die komplett ohne physischen Kontakt auskommt (das Abendblatt berichtete).

Die Online-Praxis kann im Grunde alles, was eine normale Praxis auch kann: Rezepte ausstellen, Begutachtungen vornehmen (über Fotos), an andere Spezialisten vermitteln etc. Die Seite wird zwar von London aus betrieben, bietet den Service aber auch in Deutsch (und anderen Sprachen) an. Die meisten Kunden nutzen die Videokommunikation allerdings nicht, sondern bevorzugen Telefon oder Mail.