Hamburg. Vor 20 Jahren verschwand das zehnjährige Mädchen. Die Eltern richten sich direkt an den Täter: “Wir haben keine Kraft mehr“.

Vor genau 20 Jahren begann einer der rätselhaftesten Kriminalfälle der Hamburger Geschichte: Die erst zehn Jahre alte Hilal Ercan verschwand spurlos, nachdem sie sich nur Süßigkeiten in einem Einkaufszentrum nahe ihres Elternhauses in Lurup kaufen wollte. Zum Jahrestag hat sich die Familie des Mädchens nun offenbar entschlossen, sich in einem verzweifelten Appell direkt an den Unbekannten zu richten, der für ihr Verschwinden verantwortlich ist.

Die seit dem 27.01.1999 in Hamburg verschwundenen Hilal Ercan (undatiertes Polizeifoto).
Die seit dem 27.01.1999 in Hamburg verschwundenen Hilal Ercan (undatiertes Polizeifoto). © picture-alliance/ dpa/dpaweb

Auf der Facebook-Seite der Familie wurde am Sonntag ein Offener Brief veröffentlicht. "Wir können nicht trauern. Wir haben kein Grab", heißt es in dem Schreiben. Auch 20 Jahre nach dem Verschwinden raube das Verschwinden des Mädchens Ihnen die Kraft. "Der Unbekannte allein weiß von ihrem Versteck. Der Gedanke an sein Geheimnis lässt jeden Tag unsere Herzen brechen".

Familie geht selbst von einem Verbrechen aus

Auch wenn sie "immer noch ein bisschen Hoffnung" hegten, geht die Familie selbst von einem Verbrechen aus. In dem Brief heißt es an den möglichen Täter und sein Umfeld: "Bitte sagen Sie uns, wo unser kleines Mädchen ist. Sie sind doch jetzt ein anderer Mensch."

Eine Tafel der Polizei Hamburg mit der Überschrift
Eine Tafel der Polizei Hamburg mit der Überschrift "Vermisst! Wir suchen Hilal Ercan" ist an einem Einkaufszentrum im Stadtteil Lurup zu sehen. © dpa

Die Familie bedankt sich auch bei der Polizei und der Opferschutzorganisation Weisser Ring für ihre Unterstützung in den vergangenen 20 Jahren. Zuletzt hatte die Polizei einen erneuten Fahndungsaufruf veröffentlicht. Der Fall berühre auch die ermittelnden Beamten tief, wie die die LKA-Abteilungsleiterin Inge Pape sagte. „Es handelt sich um den einzigen Fall in Hamburg, bei dem ein Kind verschwunden ist und dessen Verbleib bislang ungeklärt ist.“

Ermittlungen in dem Fall dauern weiter an

Die Polizei interessiert sich besonders für einen rätselhaften Hinwweisgeber. Er habe sich am 3. Februar 1999 mit Hilals Familie an der Christuskirche in Eimsbüttel treffen wollen. Die Familie wartete stundenlang, aber der Hinweisgeber erschien nicht und bleibt bis heute verschwunden. „Wir bitten ihn, sich mit uns in Verbindung zu setzen“, sagte Pape.

Polizisten bei der Suchaktion im Volkspark im September 2018.
Polizisten bei der Suchaktion im Volkspark im September 2018. © HA | Michael Arning

Zuletzt hatte auch die Abteilung "Cold Cases" intensiv in dem Vermisstenfall ermittelt und den Volkspark erneut nach der Leiche des Mädchens durchsucht - erfolglos. Die Familie hofft mit ihrem Schreiben, den Täter dazu bewegen zu können, sich nun selbst zu melden.

Der Offene Brief im Wortlaut:

Vor 20 Jahren entriss uns ein Unbekannter unsere Enkelin, Tochter und Schwester.

Vor 20 Jahren beendete ein Unbekannter das Leben eines lachenden Mädchens.

Vor 20 Jahren stürzte uns ein Unbekannter in ein tiefes Loch.

Wir sehen seit 20 Jahren kein Licht mehr. Wir können nicht trauern. Wir haben kein Grab. Wir können nicht in die Zukunft gucken, weil wir jeden Tag zurückschauen.

Und weil immer noch ein bisschen Hoffnung da ist …

Von unserer Hilal bleibt uns nichts, nicht einmal ein Ort zum schönen Erinnern.

Die Hamburger Polizei hat uns nun 20 Jahre begleitet. Die Beamten haben uns versprochen alles zu tun, um Hilal zu finden und den Unbekannten zu finden.

Wir sind in den ersten Tagen zerbrochen. Wir haben seit der Tat nie wieder richtig Atmen können. Der Weiße Ring hat uns beigestanden und tut es immer noch.

Aber Hilal… ist irgendwo allein! Wir können nicht bei ihr sein, wir können sie nicht zu uns holen. Der Unbekannte allein weiß von ihrem Versteck.

Der Gedanke an sein Geheimnis lässt jeden Tag unsere Herzen brechen, seit 20 Jahren!

In den letzten zwei Jahren hatte die Polizei neue Ideen. Wir wurden viel besucht, wir wurden über Pläne informiert.

Eine Erinnerungstafel wurde an dem Ort angebracht, den wir zum Nachdenken besuchen. Dem Ort, an dem der Unbekannte Hilal entführte.

Wir schauten das erste Mal seit vielen Jahren wieder auf. Wir haben im letzten Herbst viele Polizisten bei der Suche nach Hilal im Volkspark gesehen.

Uns wurden behutsam die Arbeiten erklärt. Die Polizei stand uns bei. Wir Danken der Polizei für Ihre Arbeit. Dass die Polizei niemals aufgeben wird.

Und wir sagen dem Unbekannten oder seinen Freunden: Bitte sagen Sie uns, wo unser kleines Mädchen ist. Sie sind doch jetzt ein anderer Mensch.

20 Jahre… Wenn Sie Angst haben, sagen Sie es anonym. Wir haben keine Kraft mehr. Niemand kann das aushalten. Bitte teilen Sie Ihr Geheimnis mit uns. Wir wollen doch nur unser kleines Mädchen wieder haben! Wir wollen Hilal endlich im Kreise unserer Familie begraben dürfen.

Die Familie Hilal Ercan

Die Polizei bittet Personen, die Hinweise zum Verbleib von Hilal Ercan geben können, sich unter der Telefonnummer 040 42865 6789 zu melden.

Die Familie Ercan ist über ihre Facebook-Seite erreichbar (Link).