Hamburg. Exklusiv: Tabelle vergleicht Scholz- und Flächen-Modell. Bericht zu Beispielen der neuen Grundsteuer löst heftige Kritik an Scholz aus.

Der Widerstand gegen die Grundsteuer-Reformpläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nimmt zu. Nachdem das Abendblatt über knapp 300 Beispielrechnungen der Finanzbehörde berichtet hatte, aus denen sich ableiten lässt, dass das Scholz-Modell teilweise zu großen Mehrbelastungen der Bürger führen würde, wurde scharfe Kritik laut.

„Die schlimmsten Befürchtungen werden durch die Fallstudie der Finanzbehörde zur neuen Grundsteuer bestätigt“, hieß es beim Mieterverein zu Hamburg. „Was nutzen insbesondere Mieterhaushalten mit geringem oder durchschnittlichem Einkommen Mietpreisbremsen, Begrenzungen der Mieten durch die Reduzierung der Kappungsgrenzen und soziale Erhaltungsverordnungen auf der einen Seite, wenn auf der anderen Seite die zum Teil um das Vielfache erhöhte Grundsteuer von diesen Haushalten aufgebracht werden muss?“, hieß es in einer Stellungnahme des Mietervereins.

Dessen Vorsitzender, Siegmund Chychla, forderte: „Die Zahlen zeigen, dass die vermögensbezogene Steuer der Grundstückseigentümer nicht länger auf Mieter im Rahmen der Betriebskosten abgewälzt werden darf.“ Die Politik müsse daher auch die Betriebskostenverordnung anpassen. Wie berichtet, hatte das Bundesverfassungsgericht die bestehende Grundsteuer gekippt und eine Neuregelung gefordert, die bis Ende 2019 beschlossen sein muss. Gelingt das nicht, entfällt die Steuer – das wollen alle Bundesländer vermeiden.

Grundsteuer: "Scholz-Modell verteuert Kosten für das Wohnen massiv"

Auch die CDU übte Kritik. „Die jetzt vorgelegten Berechnungen bestätigen deutlich unsere Befürchtung, dass das Scholz-Modell bei der Grundsteuer die Kosten für das Wohnen in der Großstadt massiv verteuert“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. Nach den vorgelegten Beispielen der Finanzbehörde komme es in jedem dritten Fall zu einer Mehrbelastung von mehr als 100 Prozent, das betreffe Wohnungen in ganz unterschiedlichen Stadtteilen. „Das ist definitiv nicht akzeptabel“, so Kleibauer.

Ähnlich kritisch äußerte sich die FDP: „Die Berechnungen widerlegen die Aussage von Hamburgs früherem Bürgermeister und jetzigem Bundesfinanzminister, wonach sein Grundsteuermodell für mehr Gerechtigkeit sorgen würde“, sagte Finanzexpertin Jennyfer Dutschke. „Wir erwarten von Finanzsenator Dressel eine klare Haltung gegen das Scholz-Modell.“ Ziel müsse „eine Berechnungsgrundlage sein, die ausschließlich Grundstücks- und Gebäudefläche heranzieht und je nach Nutzungsart die Steuerhöhe gewichtet“, so Dutschke.

Bürgermeister Tschentscher favorisiert Flächenmodell

Dressel und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) favorisieren genau so ein Flächenmodell. Dabei würde die Grundsteuer allein nach der Fläche einer Immobilie oder eines Grundstücks bemessen. Die vor allem in Großstädten stark gestiegenen Immobilienpreise hätten – anders als im Scholz-Modell – keinen Einfluss.

Wie aus neuen Berechnungen der Finanzbehörde hervorgeht, würde beim Flächenmodell die Belastung für Hamburgs Steuerzahler ganz überwiegend sinken. Während die Einnahmen nach dem Scholz-Modell zumindest auf Basis der 300 Beispielfälle um 20 Prozent steigen würden, gingen sie im Flächenmodell um 20 Prozent zurück. Ähnlich sähe es in den anderen Stadtstaaten Berlin und Bremen aus.

Konkrete Grundsteuer-Beispiele aus Hamburg

Lesen Sie hier einige konkrete Beispiele aus Hamburg: Für ein Einfamilienhaus in Bahrenfeld (Baujahr 1911, 157 Quadratmeter Wohnfläche, 1447 Quadratmeter Grundstück) liegt die Grundsteuer derzeit bei 1174 Euro pro Jahr. Nach dem Modell von Bundesfinanzminister Olaf Scholz würde sie auf 1610 Euro steigen, nach dem Flächenmodell aber auf 553 Euro sinken.

Für eine Eigentumswohnung in Othmarschen (Baujahr 1981, 137 Qua­dratmeter) würde die Belastung von derzeit 726 Euro nach dem Scholz-Vorschlag auf 1839 Euro steigen, im Flächenmodell aber auf 82 Euro sinken.

Und für ein Altbau-Mehrfamilienhaus in Ottensen (1919, 224 Quadratmeter) würde die Grundsteuer von jetzt 2445 Euro nach dem Scholz-Modell auf 4599 Euro steigen, nach dem Flächenmodell auf 713 Euro sinken.

Es gibt aber auch etliche Beispiele, bei denen die Entwicklung umgekehrt oder in beiden Modellen gleich wäre. Etwa das Mehrfamilienhaus auf der Veddel von 1929 mit 1557 Quadratmeter Wohnfläche: Hier würde die Steuer von jetzt 9469 Euro im Scholz-Modell auf 3836 Euro sinken und im Flächenmodell auf fast identische 3858 Euro.

Bis zu 5000 Euro mehr Grundsteuer bei Scholz-Modell

Aus dem Vergleich beider Modelle wird vor allem deutlich, wie krass die von Olaf Scholz geplante Neuermittlung der Werte von Grundstücken und Immobilien die Grundsteuer verändern würde. Ein extremes Beispiel: Für ein Einfamilienhaus in Rotherbaum (Baujahr 1952, 210 Quadratmeter Wohnfläche auf 1300 Quadratmeter Grundstück) würde die Grundsteuer nach dem Scholz-Modell von derzeit 1437 auf 6399 Euro steigen – ein Anstieg um fast 5000 Euro. Nach dem Flächenmodell, in dem der Wert keine Rolle spielt, würde die Steuer hingegen auf 653 Euro sinken.

Zu beachten ist allerdings: Bund und Länder wollen das Aufkommen aus der Grundsteuer von rund 14 Milliarden Euro jährlich zwar nicht steigern – aber sie wollen auch nicht auf Einnahmen verzichten. Wenn also in Hamburg das Steueraufkommen um 20 Prozent zurückginge (entspricht etwa 100 Millionen Euro im Jahr), würde die Stadt das wahrscheinlich durch Anpassung des Hebesatzes, den jedes Land individuell festlegt, ausgleichen. Eine flächendeckenden Entlastung der Bürger ist also nicht zu erwarten.

Am 1. Februar wollen die Länder-Finanzminister eine Vorentscheidung treffen, ob sie die Reform auf Basis des Scholz-Modells oder auf der des Flächenmodells vorantreiben.