Hamburg. Was der Vorschlag des Bundesfinanzministers für Hamburg bedeuten würde. Die Daten der Finanzbehörde zeigen extreme Ausschläge.

Sie hatten auf etwas mehr Klarheit gehofft. Tagelang hatten die Experten der Finanzbehörde das Programm aus dem Bundesfinanzministerium mit Hamburger Daten gefüttert. Hatten gehofft, dass die Ergebnisse eine belastbare Antwort auf die Frage liefern: Taugt der Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zur Reform der Grundsteuer etwas? Hält er seine Versprechen, dass es künftig gerechter zugehen und nicht zu Steuererhöhungen kommen soll und vor allem Mieter in Großstädten nicht stärker belastet werden sollen? Oder ist der große Gegenwind aus etlichen Bundesländern wie Bayern, Niedersachsen und NRW sowie aus der Unions-Fraktion im Bundestag berechtigt, die das Scholz-Modell als viel zu kompliziert ablehnen und – übrigens ebenso wie Hamburg – für ein einfaches Flächenmodell plädieren?

Um es vorwegzunehmen: Auch fast 300 Beispielrechnungen auf Basis realer Immobilien geben darauf keine klare Antwort. Es gibt in allen Immobilienklassen große Ausschläge in beide Richtungen. Dennoch gibt es einige Tendenzen, die angesichts der Größe der Stichprobe – 300 von rund einer Million Immobilien – mit Vorsicht zu genießen sind. So deutet sich an, dass Einfamilienhäuser nach dem Scholz-Modell deutlich stärker besteuert werden. Extremfall­­ ist das Haus im Stadtteil Ro­therbaum (Baujahr 1952, 210 Quadratmeter Wohnfläche und gut 1300 Quadratmeter Grundstück), für das die Grundsteuer um fast 5000 Euro steigen würde: von 1437 auf 6399 Euro. Hier dürfte vor allem der enorm gesteigerte Bodenwert, der im Scholz-Modell ebenso mit einfließt wie die potenziell erzielbare Miete (nach Mietenspiegel), zu Buche schlagen.

Unwuchten beseitigen

Bei Eigentumswohnungen ändert sich dagegen im Durchschnitt kaum etwas, aber im Detail: So müsste der Besitzer einer fast neuen, 175 Quadratmeter großen Wohnung in der Gemarkung Altstadt-Süd statt 1270 künftig nur noch 797 Euro Grundsteuer bezahlen. Umgekehrt würde aber die 120-Quadratmeter-Altbauwohnung auf der Uhlenhorst statt 251 künftig 827 Euro kosten. Allerdings sind solche Effekte durchaus gewollt: Denn dass ältere Immobilien – die in Großstädten besonders gefragt sind – zurzeit oft weit unterdurchschnittlich besteuert werden, ist eine der Unwuchten, die die Reform beseitigen soll. Das betrifft auch das Einfamilienhaus im feinen Nienstedten (Baujahr 1937/91 Quadratmeter), für das bislang nur 23 Euro Steuer fällig werden. Künftig wären es 364 Euro – das ist zwar mehr als das 15-Fache, erscheint aber doch angemessener als bislang.

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Bei Mehrfamilienhäusern fällt auf, dass Gebäude in weniger angesagten Stadtteilen wie Stellingen, Langenhorn oder auf der Veddel deutlich günstiger werden, während die Grundsteuer in noblen Gegenden wie Rotherbaum oder Othmarschen ansteigen würde. Insgesamt würde zumindest auf Basis der knapp 300 Beispiele die Grundsteuer für Mietshäuser um rund zwölf Prozent steigen – das wollte die Politik eigentlich unbedingt verhindern.

Modell entscheidet sich am 1. Februar

„Auch wenn das Ergebnis nicht repräsentativ ist und auf bestimmten Annahmen­ basiert, gibt es doch einen ersten Eindruck davon, wie sich die Grundsteuer für einzelne Objekte hamburgweit entlang des Modells entwickeln würde“, sagte Finanzsenator An­dreas Dressel (SPD) dem Abendblatt. Eine klare Tendenz könne er aber auch nicht erkennen: „Die Übersicht wirft die Frage auf, ob das versprochene Mehr an Grundsteuergerechtigkeit mit diesem Modell wirklich erreicht wird. Wie soll man erklären, dass in einem Mehrfamilienhaus auf einem Hausflur für eine selbst genutzte Eigentumswohnung aufgrund der Zugrundelegung der fiktiven Miete eine andere Grundsteuer fällig wird als für die Mietwohnung mit der echten Miete auf der anderen Seite?“

Wie berichtet, hatte das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung der Grundsteuer verlangt, die bis Ende 2019 beschlossen und fünf Jahre später eingeführt sein muss. Als Vorschläge im Raum stehen das Scholz-Modell, das darauf basiert, alle 36 Millionen Immobilien in Deutschland neu zu bewerten, sowie das Flächenmodell, das die Grundsteuer einzig von der Fläche von Grundstücken und Immobilien ableitet. Scholz hatte es als Hamburger Bürgermeister einst selbst vorgeschlagen. Es ist leicht verständlich und verursacht wenig Aufwand, hat aber die Schwäche, dass eine Immobilie in Blankenese ebenso besteuert wird wie eine Billstedt.

Am 1. Februar wollen die Finanzminister eine Richtungsentscheidung treffen. Als wahrscheinlich gilt, dass entweder das komplexe Scholz-Modell abgespeckt oder das einfache Flächenmodell um einige Faktoren erweitert wird, um Unwuchten auszugleichen.