Hamburg. Abendblatt-Bericht zu Beispielrechnungen der Finanzbehörde löst heftige Kritik am Bundesfinanzminister aus.
Der Widerstand gegen die Grundsteuer-Reformpläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nimmt zu. Nachdem das Abendblatt über knapp 300 Beispielrechnungen der Finanzbehörde berichtet hatte, aus denen sich ableiten lässt, wie sich das Scholz-Model auf Hamburg auswirken würde, wurde scharfe Kritik laut.
„Die schlimmsten Befürchtungen werden durch die Fallstudie der Finanzbehörde zur neuen Grundsteuer bestätigt“, hieß es beim Mieterverein zu Hamburg. Mieter mit niedrigem Einkommen in attraktiven Stadtteilen würden besonders stark belastet. Damit werde die Wohnungspolitik des Senats regelrecht konterkariert.
„Was nutzen insbesondere Mieterhaushalten mit geringem oder durchschnittlichem Einkommen Mietpreisbremsen, Begrenzungen der Mieten durch die Reduzierung der Kappungsgrenzen und soziale Erhaltungsverordnungen auf der einen Seite, wenn auf der anderen Seite die zum Teil um das Vielfache erhöhte Grundsteuer von diesen Haushalten aufgebracht werden muss?“, hieß es in einer Stellungnahme des Mietervereins.
CDU befürchtet Belastungen für Mieter und Eigentümer
Dessen Vorsitzender, Siegmund Chychla, forderte: „Die Zahlen zeigen, dass die vermögensbezogene Steuer der Grundstückseigentümer nicht länger auf Mieter im Rahmen der Betriebskosten abgewälzt werden darf. Aus diesem Grunde muss die Politik nicht nur die Grundsteuer verfassungskonform reformieren, sondern auch die Betriebskostenverordnung anpassen.“
Auch die CDU übte Kritik. „Die jetzt vorgelegten Berechnungen bestätigen deutlich unsere Befürchtung, dass das Scholz-Modell bei der Grundsteuer die Kosten für das Wohnen in der Großstadt massiv verteuert“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. Nach den vorgelegten Beispielen der Finanzbehörde komme es in jedem dritten Fall zu einer Mehrbelastung von mehr als 100 Prozent, das betreffe Wohnungen in ganz unterschiedlichen Stadtteilen. „Das ist definitiv nicht akzeptabel und führt zu einer neuen Unsicherheit über die künftigen Belastungen für Mieter und Eigentümer“, so Kleibauer. „Damit ist der Vorschlag von Olaf Scholz keine geeignete Basis für einen Kompromiss bei der Grundsteuer-Reform.“
FDP erwartet klare Haltung von Finanzsenator Dressel
Ähnlich kritisch äußerte sich die FDP: „Die Berechnungen widerlegen die Aussage von Hamburgs früherem Bürgermeister und jetzigem Bundesfinanzminister, wonach sein Grundsteuermodell für mehr Gerechtigkeit sorgen würde“, sagte Jennyfer Dutschke, Finanzexpertin der FDP-Bürgerschaftsfraktion. „Stattdessen wäre ein massiver Anstieg der Wohnnebenkosten für viele Eigentümer und Mieter in unserer Stadt die Folge. Wir erwarten von Finanzsenator Dressel eine klare Haltung gegen das Scholz-Modell.“
Ziel müsse „ eine Berechnungsgrundlage sein, die ausschließlich Grundstücks- und Gebäudefläche heranzieht und je nach Nutzungsart die Steuerhöhe gewichtet“, so Dutschke. Bürgermeister Peter Tschentscher und Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) müssten sich jetzt mit Nachdruck auf Bundesebene und in ihrer eigenen Partei für eine praktikable Neuregelung einsetzen, bei der die Kosten für das Wohnen nicht weiter in die Höhe getrieben werden.
Vorentscheidung der Länder-Finanzminister am 1. Februar
Das Pikante daran: Tschentscher und Dressel favorisieren ein anderes Modell, nämlich das Flächenmodell, für das Scholz früher als Hamburger Bürgermeister selbst geworben hatte. Dabei würde die Grundsteuer allein nach der Fläche einer Immobilie oder eines Grundstücks bemessen. Die vor allem in Großstädten stark gestiegenen Boden- und Immobilienpreise hätten keinen Einfluss.
Daher hatte auch der Finanzsenator sehr skeptisch auf die Berechnungen nach dem Scholz-Model reagiert: „Die Übersicht wirft die Frage auf, ob das versprochene Mehr an Grundsteuergerechtigkeit mit diesem Modell wirklich erreicht wird“, sagte Dressel. Es gebe „weiter viele offenen Fragen“, Hamburg werde „für ein bezahlbares und machbares Grundsteuermodell streiten“. Dressel: „Ganz ohne Belastungsverschiebungen wird es nicht gehen, aber sie müssen sich in Grenzen halten und sie dürfen das Wohnen in Hamburg insgesamt nicht noch teurer machen.“
Am 1. Februar wollen die Länder-Finanzminister eine Vorentscheidung treffen, ob sie die Reform auf Basis des Scholz-Modells oder auf der des Flächenmodells vorantreiben. Die Zeit drängt: Ist die vom Bundesverfassungsgericht angeordnete Neuregelung nicht bis Ende 2019 beschlossen, fällt die Grundsteuer ganz weg – und damit Einnahmen von 14 Milliarden Euro pro Jahr. Das wollen alle Bundesländer auf jeden Fall vermeiden.