Hamburg. Gruppen von bis zu 300 Personen feuerten zu Silvester mit Pyrotechnik auf Polizisten. CDU: „Problem nicht mehr im Griff“.

Nach den Explosionen brauchte der Polizist ein kaltes Getränk. „Es wurde alles kreuz und quer auf den Streifenwagen gefeuert“, sagte er am Neujahrsmorgen zu Kollegen, „das habe ich so intensiv noch nie erlebt.“ Einigen war es ähnlich ergangen, sie erlebten einen Beschuss mit Böllern, Raketen oder Schreckschusspistolen. Sinnlose Gewalt in einer Menge von 10.000 Menschen an der Alster zu Silvester. Ein sechsjähriges Kind, das von einem Böller getroffen wurde, erlitt Verbrennungen an der rechten Wange.

Die Vorfälle an der Binnenalster beschäftigen die Polizei zwei Wochen nach Neujahr intensiv. Es liegen insgesamt 46 Strafanzeigen vor. Schon unmittelbar nach der Silvesternacht hatte sie von einer „aggressiven Stimmung“ durch Personen mit Migrationshintergrund gesprochen. Beamte gaben später zu Protokoll, aus zusammenhängenden Gruppen von 200 bis zu 300 Personen beschossen worden zu sein. Die Lage zwischen Böllerrauch und Menschenmassen war unübersichtlich.

Massiver Bewurf mit Pyrotechnik

Polizeisprecher Timo Zill spricht davon, dass viele Familien mit Kleinkindern vor Ort waren, die sich Hilfe suchend an die Beamten wandten. „Die Polizeikräfte schritten wiederholt und konsequent ein“, so Zill. Die öffentliche Sicherheit habe gewährleistet werden können. Jedoch hätten die Beamten „zum Teil unter massivem Bewurf von Pyrotechnik gestanden“ und Einsatzhelme tragen müssen. Fünf Polizisten wurden leicht verletzt. Zuvor habe sich das Verhalten der häufig am Jungfernstieg sitzenden Gruppen von jungen Männern mit Migrationshintergrund dank Videoüberwachung, Präsenz und Aufenthaltsverboten im Jahr 2018 deutlich verbessert. In Polizeikreisen wird die Silvesternacht als Rückschlag bei der Befriedung des Bereichs gesehen.

Für den innenpolitischen Sprecher der CDU in der Bürgerschaft, Dennis Gladiator, lassen die jüngsten Ereignisse befürchten, dass die Lage am Jungfernstieg erneut kippen könnte: „Hier ist etwas aus dem Ruder gelaufen, was der Senat nicht mehr im Griff hat.“ Die Maßnahmen der Polizei seien zwar temporär erfolgreich gewesen, mittlerweile hätten sich die Probleme mit Gruppen von jungen Männern mit ausländischen Wurzeln aber verfestigt. „Es kann und darf nicht sein, dass Horden junger Männer diese Plätze für sich einnehmen, für Straftaten missbrauchen“, so Gladiator. „Der Jungfernstieg gehört allen Hamburgern und Gästen.“ Senat und Bezirk müssten Ideen dafür entwickeln, dass dies wieder sichtbar werde.

Jungen Männern effektiver begegnen

Wie eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten an den Senat ergab, wurden in der Silvesternacht 20 Menschen in Hamburg vorläufig festgenommen – 14 hatten einen ausländischen Pass, darunter viele Iraner und Afghanen. Am Jungfernstieg wurde ein Afghane (21) festgenommen, der mit einer Schreckschusswaffe auf Beamte gefeuert hatte.

Mitte-Bezirksamtsleiter Falko Droßmann (SPD) sagt, dass trotz der schon ergriffenen Maßnahmen der Polizei noch Herausforderungen am Jungfernstieg warteten. „Wichtig ist, die Probleme weder zu bagatellisieren, noch unbegründete Ängste zu schüren.“ Dass es so viele junge Männer mit Migrationshintergrund zum Jungfernstieg ziehe, hänge wesentlich damit zusammen, dass es zu wenig passende Angebote in ihren Vierteln gebe. „Wer es sich nicht leisten kann, in eine Cocktailbar zu gehen, sitzt im öffentlichen Raum“, so Droßmann. Klar sei, dass bestimmtes Verhalten nicht geduldet werden darf. Auch über soziale Arbeit müsse den jungen Männern vom Jungfernstieg effektiver begegnet werden. „Wir sind dabei, die Strukturen deutlich zu verändern und zu verbessern“, sagte Droßmann.

Polizei setzt im Frühling auch auf Zivilfahnder

Vereinzelt klagten Gewerbetreibende in der Vergangenheit darüber, dass die Geschehnisse am Jungfernstieg insgesamt die Sicherheit in der Innenstadt in Verruf bringe. Laut der Makleragentur Jones Lang Lasalle (JLL) sei die Gesamtentwicklung aber positiv. „Vor etwa 15 Jahren war der Bereich sehr heruntergekommen. Heute hat er eine sehr große Anziehungskraft“, sagt der Hamburger Standortleiter von JLL, Richard Winter.

Die Gefahr sei groß, „dass es am Jungfernstieg knallt, sobald es an wärmeren Abenden dort voll wird“. Grundsätzlich sei wichtig, dass die Innenstadt abseits des Einzelhandels lebendiger werde. „Es ist ein Prozess eingeleitet worden. Mehr Wohnraum, Gastronomie, Hotels und Touristen können zur Befriedung beitragen.“ Polizeisprecher Timo Zill betont, dass es ein gültiges Sicherheitskonzept für den Jungfernstieg gebe, das ab Frühling wieder zur Anwendung komme. „Dies beinhaltet im Kern ein Maßnahmenmix von uniformierten und zivilen Einsatzkräften vor Ort“. Bei Bedarf solle es fortentwickelt werden.