Hamburg . Eindrücke vom Airport in Fuhlsbüttel: Was Passagiere, Gewerkschaft und Arbeitgeber sagen – und ein Ausblick auf Mittwoch.
Es ist kurz vor 9 Uhr und Vera Hansen und Susanne Kurz sind schon ein paar Stunden auf den Beinen. Um 6.34 Uhr sind sie in Tarp bei Flensburg in den Zug nach Hamburg gestiegen. Jetzt sitzen sie in der S1 Richtung Airport. Noch eine Station bis zur Endhaltestelle, die Spannung steigt. „Ich habe zuletzt um 5 Uhr im Internet nachgeschaut. Da stand der Flug noch im Plan“, sagt Vera Hansen. Die dänischen Freundinnen sind auf dem Weg nach Valencia. Eine Woche Wärme in Spanien. Abflug 11.35 Uhr mit Ryanair. Es ist kein guter Tag dafür.
Am Sonntag hat die Gewerkschaft Ver.di einen Streik des Sicherheitspersonals auf acht deutschen Flughäfen angekündigt. Am Montagabend hat Hamburg Airport mitgeteilt, dass dort von den 178 Abflügen am Dienstag mindestens 111 nicht stattfinden werden. Die Passagiere der anderen Verbindungen, hieß es, sollten frühzeitig da sein, weil es zu Verzögerungen bei der Fluggast- und Gepäckkontrolle kommen könne. Vera Hansen und Susanne Kurz wissen noch nicht, was sie erwartet: Findet ihr Flug wirklich statt? Müssen sie vor der Kontrolle lange, vielleicht sogar zu lange, warten? Was, wenn sie den Flieger nicht rechtzeitig erreichen?: „Dann fahren wir eben wieder nach Hause.“
Reisepläne Tausender Flugpassagiere durcheinander
15 Minuten später ist die leichte Anspannung der Däninnen Erleichterung und Vorfreude gewichen. Der Koffer ist bereits aufgegeben. Jetzt geht es zur Personenkontrolle. Auch das ist kein Problem: Einige der 24 Kontrollspuren sind geöffnet. Menschenschlangen davor? Keine Spur.
Das Sicherheitspersonal hat kaum zu tun. Nie ging es schneller die Handgepäck- und Körperscanner zu passieren als an diesem Tag des Warnstreiks, an dem ansonsten wenig geht auf dem Hamburg Airport.
Hier geht es zur Abflugtafel des Flughafens Hamburg
Es ist ein Warnstreik, der die Reisepläne Tausender Flugpassagiere über den Haufen geworfen hat, doch die allermeisten waren offensichtlich informiert und weichen auf Mietautos oder die Bahn aus.
Betreiber der Flughafen-Shops leiden ebenfalls
Am Hamburger Hauptbahnhof sammeln sich am Vormittag Betroffene, die ausweichen mussten – und verärgert sind. So wie der junge Mann, der morgens nach Frankfurt fliegen wollte, aber erst am Vorabend erfahren hat, dass sein Flug gestrichen ist: „Ich musste heute Morgen schon um 6 Uhr zum Lufthansa-Schalter, um mir mein Ersatzticket abzuholen.“ Jetzt fährt er per ICE nach Frankfurt. Neben ihm wartet ein Pärchen aus München. „So ein Mist“, sagt der junge Mann. „Wir waren nur drei Tage in Hamburg, und jetzt so eine lange Fahrt zurück.“ Der Zug wird 6,5 Stunden bis in die bayerische Landeshauptstadt brauchen, mit dem Flieger hätte es nur eine Stunde gedauert.
Am Flughafen sind es die Betreiber der Shops und Geschäfte, die am stärksten unter dem Warnstreik leiden. Ob Edeka-Markt, Zeitschriften- und Zigarettenladen oder Modeboutique – überall herrscht gähnende Leere. Die Geschäfte sind zu den üblichen Zeiten geöffnet, das Personal ist vollzählig – hat aber nichts zu tun. Draußen vor der Tür warten derweil Taxifahrer Sethi Gurbajan und seine Kollegen auf ankommende Passagiere. Weil auch mehr als die Hälfte der 179 geplanten Ankünfte gestrichen sind, warten sie ziemlich lange. Etwa zwei Stunden, schätzt Gurbajan. „Normalerweise sind es 30 Minuten.“
Ein Drittel der Sicherheitsleute bekommt 16 Euro Stundenlohn
Kurz darauf kommen Susanne Gatz, Bianca Feist und Kathrina Hakimyar vorbei. Sie tragen Warnwesten mit dem Ver.di-Logo und sind im Warnstreik. Um 4.30 Uhr hätte ihre Schicht in der Personen- und Handgepäckkontrolle begonnen. Sie sind nicht hingegangen, aber trotzdem seit 5.30 Uhr da. Dass vormittags doch etwa 50 Kolleginnen und Kollegen an den zu diesem Zeitpunkt sechs bis acht geöffneten Sicherheitskontrollen arbeiten, ärgert sie nicht. „Viele davon sind noch nicht unbefristet angestellt. Bevor sie Ärger mit dem Arbeitgeber bekommen, sollen sie lieber arbeiten“, sagt Susanne Gatz.
Sie und ihre Kolleginnen gehören zu den etwa zwei Dritteln der rund 1000 Sicherheitsleute auf dem Airport, die nach Ver.di-Angaben etwa 17 Euro Stundenlohn erhalten. „Das andere Drittel erhält inklusive Zulagen etwa 16 Euro“, sagt Peter Bremme von der Dienstleistungsgewerkschaft. Sie fordert für alle Beschäftigten der Branche bundesweit einheitlich 20 Euro Stundenlohn – egal welche Tätigkeit sie ausüben und egal, ob sie das auf einem west- oder ostdeutschen Flughafen tun.
BDLS: Forderungen der Gewerkschaft sind absurd
„Wir setzen mit der Aktion ein Zeichen“, sagt Bremme. Er ist einer der beiden Verhandlungsführer der Gewerkschaft in den festgefahrenen Tarifgesprächen. Ver.di wirft den Arbeitgebern vor, bislang kein verhandlungsfähiges Angebot unterbreitet zu haben.
Der Verhandlungsführer des Bundesverbands Deutscher Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) hält dagegen. Die Forderungen der Gewerkschaft seien absurd und wirtschaftlich nicht umsetzbar, sagt Rainer Friebertshäuser. Am 23. und 24. Januar wollen beide Seiten wieder verhandeln.
Auch Mittwoch werden Verzögerungen erwartet
Wird es vorher weitere Streiks in Hamburg geben? Der Gewerkschafter lässt das offen. „Wir warten jetzt ab, ob und wie die Arbeitgeber reagieren“, sagt er. Für die Aktion auf dem Helmut-Schmidt-Airport hat Bremme sich etwas Besonderes ausgedacht. Ein Protest-Aufkleber mit dem Porträt des rauchenden Altkanzlers und einem Schmidt-Zitat: „Natürlich muss auch mal gestreikt werden.“ Am Dienstagnachmittag sind nur noch zwei der 24 Kontrollspuren geöffnet. „Für die Fluggäste gibt es aber weiterhin keine großen Wartezeiten“, sagt Stephanie Flick, die Sprecherin der Bundespolizei auf dem Airport. „Die Lage ist ruhig und entspannt“, sagt eine Airport-Sprecherin.
Am Mittwoch könnte das anders sein: Wegen der vielen Umbuchungen werden besonders viele Passagiere erwartet. Sie sollten früher als üblich anreisen, rät der Flughafen. Es könnte Verzögerungen bei den Sicherheitskontrollen geben.