Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir prüfen, wie gut sie sind. Heute: Heimwerkerladen für Stadtbewohner.
Wer Schrauben, Dübel oder Wandfarben sucht, weiß, wo er schnell fündig wird: Obi, Bauhaus oder Hagebaumarkt sind bei Heimwerkern bestens bekannt. Aber wer bitte kennt Horst? So heißt ein völlig neuer Baumarkt, der vor wenigen Wochen in der Paul-Dessau-Straße in Bahrenfeld eröffnet hat. Ohne große „Oder bei ...“ und „Wenn’s gut werden muss“-Werbekampagne, ohne Grand Opening mit Showeinlagen eines B-Prominenten – dennoch ist der Laden an diesem trüben Vormittag um die Jahreswende gut besucht.
Horst ist völlig anders. Schrauben und Nägel findet man hier zwar auch. Zum gleichen Preis wie in anderen Baumärkten. Doch Porenbetonsteine oder einen Sack Zement sucht man hier vergebens. Stattdessen bietet Horst alles zum Renovieren und Verschönern der eigenen vier Wände. Eine große Auswahl an Farben, Holz, Elektrozubehör und Deko-Materialien. Mittendrin steht Philipp Möller. Mitinhaber und einer der kreativen Köpfe hinter dem neuen Baumarktkonzept. Möller ist auch für den ungewöhnlichen und ausgefallenen Namen verantwortlich. Horst ist eine Abkürzung und steht für Home Renovation Store, also Heim-Renovierungs-Geschäft.
Die Möllers führen Heimwerkerläden seit 1934 in nunmehr dritter Generation. Sie betreiben sieben Hagebaumärkte, vier davon in Hamburg, und sind Mitgesellschafter des Hagebauverbunds. Die Familie versteht also etwas vom Heimwerker-Markt, trotzdem war Horst auch für sie eine Herausforderung. „Als wir uns vor zwei Jahren zusammensetzten, war unser Ziel etwas Neues zu schaffen, mit den Leitgedanken Urbanität, Individualität und Flexibilität“, sagt Möller. Horst wendet sich an eine andere Zielgruppe als die herkömmlichen Baumärkte: junge Familien oder Singles, die in der Stadt leben und denen daran gelegen ist, ihr Heim zu verschönern.
Nur ein Zehntel so groß wie andere Baumärkte
Schon „Urbanität“ trifft auf viele Baumärkte nicht zu. Sie liegen oft am Stadtrand, haben riesige Parkplätze und sind ohne Auto kaum erreichbar. Horst liegt mitten im Wohnviertel, teilt sich den übersichtlichen Parkplatz mit Aldi – und wer kein Auto hat, kann sich ein Lastenfahrrad ausleihen. Auch „Individualität“ findet man in den meisten Baumärkten mit ihren hallenhohen Regalreihen eher selten.
Bei Horst betritt man einen lichten Verkaufsraum mit niedrigen Holzregalen. Verkäufer, die gerade nicht im Kundengespräch sind, sind daher sofort zu erkennen. „Warum müssen Baumärkte immer wie düstere Lagerhallen aussehen, haben wir uns gefragt“, sagt Möller. Die individuelle Ansprache der Kunden sei wichtig. „Die meisten Leute suchen doch einen ,Nupsi für das Dingsbums unter der Spüle‘ oder Ähnliches. Danach kann man nicht suchen. Da benötigt man eine Fachkraft, die weiß, was gemeint ist und einen zum Artikel bringt.“ Marktleiter Martin Rosenbohm führt insgesamt 19 Mitarbeiter.
Dass Horst so übersichtlich wirkt, hat mit der Größe der Verkaufsfläche zu tun. Es sind 700 Quadratmeter und damit nur etwa ein Zehntel der üblichen Baumarktfläche. Das geht nur mit Abstrichen beim Sortiment. So werden nicht alle Marken geführt. Manche Produkte gibt es nur von einem Anbieter. In großen Baumärkten können Kunden oft zwischen zehn verschiedenen Schlagbohrmaschinen wählen, bei Horst sind es nur drei.
Toilettendeckel mit individuellen Motiven
Insbesondere besonders preisgünstige Produkte aus Herstellung in Fernost finden Kunden bei Horst nicht. Der Preis der Schlagbohrmaschinen, die der Mini-Baumarkt im Sortiment hat, unterscheidet sich jedoch nicht von dem in anderen Baumärkten oder beim Onlinehändler Amazon.
Zudem finden Kunden an der Paul-Dessau-Straße manches, was die sehr viel größeren Konkurrenten nicht anbieten. So können Toilettendeckel mit individuellen Motiven bedruckt werden. In einer Werkstatt werden Hölzer mit Lasertechnik geschnitten und graviert. In der Malerabteilung kann man sich alles nach Wunsch zusammenmischen, außerdem werden Farben nicht nur nach kleinen Mustern ausgesucht, sondern nach großen bemalten Wandstücken, die aufzeigen, wie ein Farbton in einem Raum wirklich wirkt – unter der Lampe und bei natürlichem Tageslicht.
Schon in diesem Jahr, glaubt Möller, wird sich Horst finanziell tragen, die Entwicklungskosten nicht mit eingerechnet. „Horst ist ohnehin kein Modell für nur einen Laden“, sagt er. „Wir können uns diese Art Baumarkt auch an anderen Innenstadt-Standorten wie Schanzenviertel oder Eimsbüttel vorstellen.“ Es gebe bereits Gespräche über weitere Standorte, sagt Möller. Details möchte er derzeit nicht nennen. Nur eines: Bereits in diesem Jahr soll es einen zweiten Horst in der Hansestadt geben. „Und wer redet davon, dass wir nur in Hamburg bleiben? Das Konzept lässt sich auf viele andere Städte übertragen.“ Die Expansion ist bereits beschlossen.
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