Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir prüfen, wie gut sie sind. Heute: Mini-Geldbörsen von Fritzvold.
Das Portemonnaie von Martin Eckardt enthält: Führerschein, Personalausweis, zwei Kreditkarten, eine EC- und eine Krankenkassen-Karte, die ebenfalls aus Plastik sind, sowie eine Postvollmacht und eine Pro-Vegetarier-Karte aus Pappe, zudem einige Geldscheine und -münzen. Für einen Minimalisten wie ihn ist das schon eher viel. Das sieht der 35-Jährige, der sich dem Konzept der schlanken Geldbörse verschrieben hat, genauso. „Noch minimalistischer ginge vielleicht auch“, sagt Eckardt.
Mit jedem der von ihm entworfenen Portemonnaies verschickt der Mann hinter der Marke Fritzvold schließlich ein Merkblatt mit Tipps, wie sich die Geldtasche verschlanken lässt: kleine Münzen jeden Tag aussortieren, nur die allerwichtigsten Karten einstecken, alles andere digitalisieren, als App nutzen oder schlicht aussortieren.
„Deine Hosentasche wird es Dir danken“, lautet das Versprechen. Und damit das in Erfüllung geht, gibt der Hamburger noch eine durchaus eigennützige Empfehlung. Wer eine seiner Geldbörsen benutzt, komme gar nicht erst in Versuchung, sie mit unnützem Kram vollzustopfen. Der passe nämlich dort gar nicht hinein.
Portemonnaies sind besonders leicht
Mit 21 bis 50 Gramm Leergewicht sind die Fritzvold-Portemonnaies besonders leicht. Selbst wenn jedes Kartenfach belegt ist, sind sie besonders flach. Und besonders ungewöhnlich ist das Material, aus dem sie bestehen – Papier. Genauer gesagt aus einer Mischung von Zellulose aus nachhaltiger Forstwirtschaft und Latex. Der Fachbegriff dafür lautet Papier-Kunstleder.
Ein Portemonnaie aus Papier? Kann das funktionieren? „Die Geldbörsen sind reißfest und sogar waschbar. Das Material ist anfangs etwas steif, wird mit der Zeit aber geschmeidiger“, sagt Eckardt. Die Idee zu einem Mini-Portemonnaie, das nicht aus Leder besteht, hat viel mit seinem eigenen Lebensstil zu tun. Er ist Veganer und versucht nur das Notwendigste mit sich zu führen. Damit ist er nicht allein.
Die sogenannten Mini-Wallets sind in den USA seit Jahren ein Trend und finden auch hierzulande zunehmend Anhänger. Das Angebot an Wallets, in die alles hineinpasst, was man im Urlaub, an einem Ausgehabend oder als Minimalist im Alltag wirklich braucht, und die trotzdem bequem in die vordere Hosentasche passen, ist groß. Nur sind die allermeisten eben aus Leder.
Vier unterschiedlich große Modelle
Für Eckardt kam das nicht infrage. Im Frühjahr 2016 machte sich der Produktionsingenieur der Tagesschau auf die Suche nach einem geeigneten Material, holte sich in einer Facebook-Gruppe von Gleichgesinnten Anregungen, wie die Geldbörse aussehen sollte und suchte nach Antworten auf die Frage: Was an einem Portemonnaie ist wirklich unverzichtbar, was ist überflüssiger Schnickschnack? Vor gut zwei Jahren kam das vegane Mini-Portemonnaie auf den Markt. „Am ersten Tag habe ich 200 verkauft.“ Alle an die Mitglieder der Facebook-Gruppe.
Vier unterschiedlich große Modelle in jeweils mehreren Naturfarben und wahlweise mit Schutz vor dem kontaktlosen Auslesen der Kartendaten sind inzwischen auf dem Markt. Das größte taugt als Handtasche für Minimalistinnen. Smartphone- und iPad-Hüllen aus Papier gibt es auch, sie spielen im Verkauf aber keine große Rolle.
Firmenname stammt aus Zufallsgenerator
Das Papier-Kunstleder wird in Deutschland produziert, genäht werden die Wallets in China, verkauft im deutschsprachigen Raum und neuerdings in den USA über Amazon, den Fritzvold- und mehreren anderen Onlineshops. Den Versand an die Kunden erledigt ein Dienstleister. Eckardt führt die Geschäfte aus seiner Wohnung im Schanzenviertel. „30.000 bis 40.000“ Papierportemonnaies, sagt er, seien mittlerweile verkauft. Es reicht fürs Leben und läuft so gut, dass er in diesem Frühjahr die Festanstellung bei der Tagesschau aufgegeben hat. „Mehr Zeit haben“ – auch das war ein Ziel.
Und was soll der Name Fritzvold bedeuten? Die minimalistische Antwort lautet: nichts. „Er stammt aus einem Zufallsgenerator. Es ist der Vorschlag, der am besten klang“, sagt Eckardt. „Alles, was ich mir vorher selbst ausgedacht hatte, hätte markenrechtlich nicht funktioniert.“ Außerdem klingt Fritzvold nicht nach Geldbörse.
Das ist Absicht, der Markenname soll ihn nicht auf eine bestimmte Produktgruppe festlegen. Das könnte zumindest mittelfristig wichtig werden. Martin Eckardt denkt über neue, andere Artikel nach. Es wird wohl auf minimalistische Schuhe (nicht aus Papier) und T-Shirts aus recycelten PET-Getränkeflaschen hinauslaufen. Was das Sortiment angeht, da will der Hamburger kein Minimalist sein.
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