Hamburg. SPD-Finanzsenator Dressel fürchtet bei der von Scholz favorisierten Berechnung nach Immobilienwert Nachteile für Hamburg.
Die Reform der Grundsteuer soll auch in Großstädten wie Hamburg nicht zu flächendeckend höheren Belastungen von Mietern und Eigenheimbesitzern sorgen. Das hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bei der Finanzministerkonferenz in Berlin betont. „Ich möchte, dass diejenigen Grundeigentümer belohnt werden, die eine geringe Miete nehmen“, sagte der frühere Hamburger Bürgermeister am Donnerstag. Nachdem Anfang der Woche Berichte für Wirbel gesorgt hatten, wonach Scholz ein Modell favorisiert, das die Grundsteuer in Großstädten stark erhöhen könnte, riss die Kritik aber auch nach seinen Erklärungen nicht ab.
Ohnehin ist auch nach dem Treffen in Berlin noch unklar, ob und wie das Ziel, die Bürger nicht über Gebühr zu belasten, erreicht werden kann. „Die Zeit drängt, und viele Fragen sind nach wie vor offen“, sagte Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Das Bundesfinanzministerium (BMF) habe zwei mögliche Modelle vorgelegt: Zum einen das von Hamburg und Bayern favorisierte Flächenmodell, in dem die Grundsteuer allein nach der Fläche einer Wohnung oder eines Grundstücks berechnet wird. Dieses Modell hatte Scholz zu seiner Zeit als Bürgermeister noch vertreten.
Und zweitens ein wertabhängiges Modell, in dem die Werte aller Grundstücke und Immobilien bundesweit neu berechnet werden müssten. Dabei soll auch der „Ertragswert“ eine Rolle spielen, also die Einnahmen, die mit einem Mietshaus erzielt werden. Bei selbst genutzten Wohngebäuden würde eine „fiktive Miete“ angesetzt, abgeleitet aus Daten der Statistikämter.
So will Scholz teurere Mieten verhindern
Damit diese Neuberechnung nicht zu exorbitanten Steigerungen der Grundsteuer führt, will Scholz im Gegenzug die sogenannte Steuermesszahl, mit der der Wert der Immobilie multipliziert wird, „radikal“ absenken, wie es in einem Papier aus seinem Haus heißt. Zu prüfen sei ferner, ob für Großstädte mit besonders stark steigenden Mieten „eine zusätzliche Ausgleichskomponente“ nötig ist, so das Papier, aus dem klar hervorgeht, dass Scholz’ Ministerium dieses Modell präferiert.
Ob das aber praktikabel und in der vorgegebenen Zeit umsetzbar ist, sieht Dressel skeptisch: „Wie genau die Auswirkungen der Modelle – insbesondere des wertabhängigen Modells – auf Hamburg sind, wird noch genau zu untersuchen sein. Dass die Auswirkungen der Neuregelung nach dem wertabhängigen Vorschlag für Hamburg per Saldo kaum ins Gewicht fallen sollen, so das BMF, wird sehr detailliert zu hinterfragen und konkret nachzurechnen sein.“
Hamburg und andere Länder plädierten daher dafür, auch das einfach umsetzbare Flächenmodell weiter zu verfolgen, so der Finanzsenator – „auch wenn der Bundesfinanzminister eine Präferenz für das wertabhängige Modell hat erkennen lassen“.
Mieter zahlen Grundsteuer indirekt mit
Die Reform ist nötig, weil das Bundesverfassungsgericht die bisherige Grundsteuer – die auf Basis von völlig veralteten Einheitswerten aus den Jahren 1935 (Ost) und 1964 (West) berechnet wird – kassiert und eine Neuregelung angeordnet hatte. Diese muss bis Ende 2019 beschlossen sein und spätestens von 2025 an gelten.
Leitartikel: Nur dann hat Scholz’ Grundsteuerreform eine Chance
Eigenheimbesitzer zahlen die Grundsteuer direkt, Mieter indirekt über die Miete. Die Einnahmen fließen den Kommunen zu – in einer Einheitsgemeinde wie Hamburg also der Stadt. Einig sind sich Scholz und die Länder, dass das Gesamtaufkommen von zuletzt rund 14 Milliarden Euro im Jahr – davon rund 500 Millionen in Hamburg – nicht erhöht werden soll. Da die Reform gerade die Aufgabe hat, bisherige Ungerechtigkeiten zu beseitigen, wird es aber in jedem Fall für einige Bürger teurer und für einige günstiger.
Besonders umstritten ist Scholz’ Hinweis, die Länder könnten ja durch eine Senkung des Steuerhebesatzes die Bürger entlasten. Das Problem daran: Die Kommunen können den Satz zwar individuell festlegen, doch da für den Länderfinanzausgleich ein Durchschnittssatz zugrunde gelegt wird, müssten Länder mit niedrigem Hebesatz eventuell Steuern abführen, die sie gar nicht eingenommen haben.
„Scholz hat schnell vergessen, wo er herkommt“
Farid Müller, Haushaltsexperte der Grünen, hält das für ein Unding: „Hamburg und seine Mieterinnen und Mieter werden bei dieser Grundsteuerreform massiv draufzahlen. Die Stadt könnte das Schlimmste nur verhindern, wenn sie die Hebesätze für die Grundsteuer senkt. Das jedoch würde zu einer Milliardeneinzahlung in den Länderfinanzausgleich führen, und Hamburg müsste dafür seinen Haushalt mit unabsehbaren Folgen kürzen.“ Ohne Änderung des Finanzausgleichs könne Hamburg der Reform nicht zustimmen.
Kritik kommt auch vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen: „Mein erster Eindruck: Olaf Scholz hat schnell vergessen, wo er herkommt“, sagte VNW-Direktor Andreas Breitner. Hamburg und Schleswig-Holstein müssten nun darauf achten, dass das Wohnen bezahlbar bleibe, so Breitner: „Dafür scheinen Scholz’ Vorschläge keine geeignete Grundlage zu sein. Im Gegenteil.“ CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer machte eine einfache Vorgabe: „Die notwendige Neugestaltung der Grundsteuer darf das Wohnen in der Großstadt nicht weiter verteuern. Das ist für uns der klare Maßstab.“