Es ist nun die Aufgabe der Länder, durchzurechnen, was das Modell für die Bürger und die öffentlichen Kassen bedeuten würde.

Hamburg. Wir Deutschen sind ja manchmal ein putziges Völkchen. Da leben wir Jahrzehnte mit einer völlig absurden Regelung, die viele von uns sogar finanziell massiv benachteiligt, doch kaum jemand regt sich auf. Aber wenn die Absurdität beendet werden soll, ist die Aufregung plötzlich groß.

Es geht um die Grundsteuer, die Mieter wie Eigenheimbesitzer gleichermaßen betrifft, also im Prinzip alle Bürger. Sie wird bislang auf Basis von Einheitswerten aus den Jahren 1935 und 1964 ermittelt, die allen Pflichten zum Trotz niemals aktualisiert wurden. Um dieses Versäumnis zu heilen, werden die veralteten Werte erst mit einer Steuermesszahl und dann noch mit einem Steuerhebesatz multipliziert, den jede Kommune individuell festlegt – versteht kein Mensch und wird durch das Ergebnis auch nicht besser.

In Hamburg zum Beispiel kostet das Einfamilienhaus in Allermöhe 65 Euro im Jahr, das gleich große Haus in Volksdorf aber 436 Euro, die Etagenwohnung im angesagten Eimsbüttel 126 Euro, die im weniger hippen Barmbek aber 650 Euro. Für die Nachbarhäuser können völlig andere Werte gelten. Logik und Gerechtigkeit? Sucht man in diesem Regelwerk vergebens.

Scholz hat seine Meinung geändert

Dass das Bundesverfassungs­gericht dem einen Riegel vorgeschoben und eine Neuregelung gefordert hat, war überfällig. Dass die Republik nun endlich aufwacht und über die Grundsteuer debattiert, ist allerdings ebenfalls begrüßenswert. Denn es gilt zu verhindern, dass eine schlechte Regelung durch eine noch schlechtere abgelöst wird. Das wäre dann der Fall, wenn die neue Grundsteuer das Wohnen weiter verteuern würde. Vor allem in Großstädten wie Hamburg, die verzweifelt gegen steigende Mieten kämpfen, hätte das verheerende Folgen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat nun seinen Vorschlag für eine Neuregelung präsentiert und klargestellt, dass genau das nicht passieren darf und soll. Nachdem er als Hamburger Bürgermeister jahrelang als Vorkämpfer für die Bezahlbarkeit der Städte aufgetreten war, wäre alles andere auch merkwürdig gewesen. Dass Scholz diese Diskussion zuvor tagelang laufen ließ, war schon irritierend, ließ sie ihn doch wie einen Umfaller dastehen.

Seine Meinung geändert hat er zwar, aber in einem anderen Punkt. Zu Hamburger Zeiten hatte Scholz für ein Flächenmodell plädiert, bei dem die Grundsteuer unabhängig von Werten allein anhand der Fläche von Grundstücken und Immobilien berechnet wird. Das ist verständlich und leicht umzusetzen. Allerdings hat dieses Modell, das Hamburg und einige andere Länder immer noch favorisieren, einen entscheidenden Nachteil: 100 Quadratmeter in Billstedt kosten dann genauso viel Grundsteuer wie 100 Quadratmeter in Harvestehude. Auch das ist natürlich ungerecht.

Nun liegt der Ball bei den Ländern

Daher schlägt Scholz nun ein Modell vor, für das alle Immobilienwerte neu ermittelt werden müssten und in dem Unwuchten weiterhin durch Messzahlen, Hebesätze und eventuell noch weitere neue Hebel ausgeglichen werden sollen. Aufwendiger und komplizierter geht es kaum, Kritiker sprechen von einem „Bürokratiemonster“. Das mag stimmen. Aber es könnte dennoch die beste Lösung sein.

Es ist nun die Aufgabe der Länder, durchzurechnen, was das Modell für die Bürger und die öffentlichen Kassen bedeuten würde. Sollte sich Scholz’ Aussage bewahrheiten, dass sein Vorschlag für Rechtssicherheit und mehr Gerechtigkeit sorgt und gleichzeitig das Wohnen nicht flächendeckend verteuern würde, hätte er eine Chance verdient. Aber nur dann.