Hamburg. Reformvorschlag: Grundsteuer soll nicht nach Wert, sondern nach Größe von Haus und Grundstück berechnet werden.

Im Ringen um die nötige Reform der Grundsteuer in Deutschland drängt Hamburg auf eine radikal vereinfachte Lösung. Demnach sollen einzig die Fläche eines Grundstücks sowie die Bruttogrundfläche (BGF) der darauf errichteten Gebäude in die Berechnung einfließen. Das geht aus einem Positionspapier der Finanzbehörde für die Finanzministerkonferenz hervor, das dem Abendblatt vorliegt. Dieses Gremium der Länder trifft sich Ende November, um das weitere Verfahren zu beraten.

Wie berichtet, hatte das Bundesverfassungsgericht im April die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form gekippt, weil sie in den westdeutschen Ländern auf Basis von „Einheitswerten“ ermittelt wird, die noch aus dem Jahr 1964 stammen – im Osten sogar von 1935. Die Karlsruher Richter haben Bund und Ländern auferlegt, bis Ende 2019 eine Neuregelung zu beschließen. Spätestens ab 2025 muss diese angewendet werden.

Während die Mehrheit der Länder ursprünglich dafür votiert hatte, die Werte der Grundstücke und Gebäude neu zu ermitteln, hatten Hamburg und Bayern dies abgelehnt: Eine solche Neuermittlung sei in der kurzen Frist kaum möglich, außerdem drohten steigende Belastungen für die Bürger vor allem in den Großstädten. In Hamburg würde die Grundsteuer sich im Schnitt verzehnfachen, in der Spitze sogar auf das 40-Fache steigen, hatte der damalige Finanzsenator und heutige Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gewarnt.

Andreas Dressel wirbt für ein Flächenmodell

Sein Nachfolger Andreas Dressel (SPD) setzt diesen Kurs fort und wirbt zusammen mit Bayern für ein Flächenmodell, in dem statt des Wertes die Größe des Grund- und Immobilienbesitzes entscheidend für die Besteuerung wäre – denn die unterliegt keinen Marktschwankungen. „Eine Regelung, orientiert an hohen und mitunter spekulativen Marktpreisen für Immobilien, wäre nicht vermittelbar“, heißt es im Positionspapier seiner Behörde. In stark nachgefragten Regionen würde sie nicht nur zu deutlichen Mehrbelastungen führen, sondern auch „absehbar die städtische Segregation befördern“.

Konkret schlägt Hamburg für die Berechnung zwei Faktoren vor: Einerseits solle die Fläche eines Grundstücks mit einer bundesweit einheitlichen Summe („Äquivalenzzahl“) „im niedrigen Centbereich“ multipliziert werden. Ein theoretisches Beispiel: Bei 1000 Quadratmetern und einem Multiplikator von 20 Cent wären 200 Euro Grundsteuer im Jahr fällig – für das Grundstück. Bei bebauten Grundstücken würde zusätzlich für die Gebäude deren Fläche mit einem etwas höheren Wert multipliziert. Beispiel: Bei 150 Quadratmetern Wohnfläche und einem Multiplikator von 40 Cent pro Quadratmeter wären weitere 60 Euro fällig – so käme eine Familie für Grundstück und Einfamilienhaus zusammen auf 260 Euro.

Das allerdings ist noch Theorie. Denn das Hamburger Papier nennt noch keine Werte und versteht sich ausdrücklich als „Diskussionbeitrag“ für die Finanzministerkonferenz. Zwar wird empfohlen, die Gebäudeflächen der Einfachheit halber nach der bebauten Fläche, multipliziert mit der Zahl der Vollgeschosse zu berechnen. Keller und Dachböden könnten dabei als halbes Geschoss gerechnet werden. Alternativ sei aber auch denkbar, die Wohn- oder Nutzfläche heranzuziehen. Außerdem solle den Bürgern ermöglicht werden, zu ihren Gunsten und abweichend von der pauschalen Ermittlung geringere Flächen nachzuweisen.

Kostensteigerungen vermeiden

Für die Land- und Forstwirtschaft, die bislang der Grundsteuer A unterliegt und vom Karlsruher Urteil nicht direkt betroffen war, schlägt die Finanzbehörde vor, Wohngebäude, Betriebswohnungen und Betriebsgebäude künftig nach denselben Regeln zu besteuern wie normale Immobilien. Land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen sollen im Gegenzug nicht mehr der Grundsteuer unterliegen.

„Gerade jetzt gilt: Wir dürfen bei der Entwicklung der Wohnkosten in den Großstädten nichts unversucht lassen, um weitere Kostensteigerungen für Mieter und Eigentümer zu vermeiden“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel dem Abendblatt. „Da ist die Grundsteuer eine wichtige Stellschraube – und da bleiben wir hartnäckig.“ Nachdem die Bürgerschaft den Senat fraktionsübergreifend ersucht habe, im Einsatz für ein einfaches und zeitnah umsetz­bares Grundsteuermodell nicht nach­zulassen, hätten die Steuerexperten der Finanzbehörde die Hamburger Über­legungen weiter konkretisiert, so Dressel „Diese Überlegungen habe ich jetzt bei den Finanzministerkollegen zur Diskussion gestellt. Jetzt warten wir auf Eckpunkte aus dem Bundesfinanzministerium. Die Zeit drängt.“

Wie berichtet, hat außer Hamburg und Bayern auch Niedersachsen Sympathie für das Flächenmodell erkennen lassen. Auch der Bundesverband der Deutschen Indus­trie (BDI), Grundeigentümerverbände und der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) unterstützen diesen Vorstoß. Unklar ist noch, inwiefern Bundes­finanzminister Olaf Scholz (SPD), der sich als Hamburger Bürgermeister ebenfalls für dieses einfache Modell eingesetzt hatte, bei seiner Haltung bleibt.

Immerhin: Grundsätzlich sind sich die Länder einig, dass das Grundsteueraufkommen von rund 14 Milliarden Euro im Jahr durch die Reform nicht steigen soll.