Hamburg. Intendant Christoph Lieben-Seutter über störendes Besucherverhalten und das riesige Interesse am Großen Saal.

Beim Elbphilharmonie-Konzert des Vijay Iyer Sextetts waren am vergangenen Mittwoch Hunderte Besucher vorzeitig gegangen. Seitdem wird darüber diskutiert, was zu diesem Massenexodus führte. War es zu laut? War es zu lang? Oder waren Touristen, die eine Busreise nach Hamburg inklu­sive Elbphilharmonie-Besuch gebucht hatten, gar nicht so sehr an der gespielten Musik interessiert, sondern eher an einem Blick in den Großen Saal? Veranstalter Karsten Jahnke erklärte hinterher, dies seien keine echten Jazzfans gewesen und nannte den Abend „niederschmetternd“. Im Abendblatt-Interview spricht Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter über die riesige Nachfrage der Reisebranche nach Tickets und rücksichtsvolles Verhalten im Konzertsaal.

Immer noch möchten viel mehr Menschen in die Elbphilharmonie, als Karten verfügbar sind. Das führt bisweilen dazu, dass Tickets „blind“ gekauft werden und sich jemand etwa in einem Jazzkonzert wiederfindet, der mit Jazz gar nichts anfangen kann. Wann wird das zum Problem?

Christoph Lieben-Seutter: Ich gehe davon aus, dass jeder, der Tickets für die Elbphilharmonie bucht, sich nicht nur den Saal ansehen, sondern auch ein tolles Konzert erleben will. Dass manchmal Leute im Laufe des Konzertes den Saal verlassen, weil ihnen die Musik zu anspruchsvoll ist, ist legitim, wenn auch auffälliger als anderswo, weil sie dabei von so vielen gesehen werden. Angesichts von Hunderttausenden begeisterten Konzertbesuchern nimmt man das doch gerne in Kauf.

Problematisch wird es, wenn Konzertbesucher während der Musik laufend und reihenweise den Saal verlassen, wie es bei ein paar überlangen Jazzkonzerten passiert ist. John Zorn etwa war trotzdem eines des besten Konzerte im Haus. Und dass beim Auftritt von Vijay Iyer viele Gäste vor Konzertende den Saal verlassen haben, soll auch an anderen Orten vorgekommen sein – ich glaube also, dass da einige Faktoren zusammenspielen, auf die wir in Zukunft noch mehr Augenmerk legen werden.

Zahlreiche Veranstalter bieten im Internet Busreisen nach Hamburg inklusive Elbphilharmonie-Besuch an. Leistet das nicht einem eigentlich unerwünschten „Saaltourismus“ Vorschub?

Lieben-Seutter: Die Nachfrage aus der Reisebranche ist tatsächlich riesig und kann nur zu einem Bruchteil erfüllt werden. Dies machen wir vor allem mit ein paar Konzerten, die nur dem Tourismus angeboten werden. Zudem geben einige Konzertveranstalter kleinere Kontingente an Kulturreiseunternehmen, insgesamt werden jedoch weniger als fünf Prozent der Konzerttickets über Reiseunternehmen vertrieben.

Wie oft gibt es Saalführungen? Könnte es mehr davon geben, um das Interesse am Großen Saal zu befriedigen?

Lieben-Seutter: Pro Jahr bieten wir etwa 3000 Konzerthausführungen à 30 Personen an. Mehr sind aufgrund der Saalauslastung nicht möglich.

In anderen großen Häusern gibt es vor den Konzerten kurze Ansagen vom Band oder direkt von der Bühne aus zum Verhalten beim Konzert (Fotografieren, Husten, Klatschen). Sie haben das zuletzt ebenfalls gemacht, machen Sie das jetzt häufiger?

Lieben-Seutter: Gelegentlich, wenn es noch einen anderen Grund für eine Ansage gibt. Dass ein Konzert nachhaltig durch Publikumsgeräusche beeinträchtigt wurde, habe ich zuletzt im April erlebt. Jetzt warten wir gespannt auf die nächste Erkältungswelle. Unsere Konzertbesucher bekommen übrigens vor dem Besuch per E-Mail Tipps zum rücksichtsvollen Verhalten im Konzert, im Internet auch zu finden unter elbphilharmonie.de/gebrauchsanweisung.