Hamburg. Ziel: Schnellere Notfalleinsätze. Nach Vergleich vor Gericht wird GARD in die Akut-Versorgung eingebunden. Ein Millionengeschäft.
Es ist eine enorme Aufgabe für die Sanitäter: Mehr als 250.000-mal rücken jährlich Rettungswagen in Hamburg zu Notfällen aus. Nun aber kann die Feuerwehr die Masse der Einsätze offenbar nicht mehr allein bewältigen. Nach Abendblatt-Informationen werden von sofort an Wohlfahrtsträger stärker eingebunden – und erstmals sollen sich künftig auch die Krankenwagen eines Privatunternehmens systematisch beteiligen.
Es geht um viel Geld: Zuletzt erstatteten die Krankenkassen für Rettungsdienste in Hamburg mehr als 60 Millionen Euro pro Jahr. Die Wohlfahrtsorganisationen betreiben seit Längerem auch eigene Rettungswagen, hatten jedoch schwere Vorwürfe erhoben: Die Feuerwehr missbrauche ihre Macht in der Leitstelle, um sie auszubooten. „Das ist fahrlässig und gefährdet das Patientenwohl“, sagte etwa Michael Sander, Geschäftsführer des ASB.
Dienstleister GARD rückt an
Nun sind seit dem 1. November insgesamt 13 Rettungswagen von Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutschem Roten Kreuz (DRK), den Johannitern und den Maltesern regelhaft als Notfallretter unterwegs, bestätigte ein Sprecher der Feuerwehr. „Gleichzeitig bleiben alle Rettungswagen der Feuerwehr im Dienst.“ Die Entscheidung, welcher Wagen zu welchem Einsatz geschickt wird, liege weiter allein bei der Leitstelle der städtischen Retter.
Die noch größere Neuerung: Wenn Hamburger die Notfallnummer 112 wählen, müssen sie offenbar bald auch damit rechnen, dass die Wagen des Dienstleisters GARD anrücken. Das Unternehmen hatte versucht, sich eine Beteiligung vor dem Verwaltungsgericht zu erstreiten. Nun gab es nach Abendblatt-Informationen einen Vergleich: Acht Fahrzeuge der Firma werden für die Versorgung von Patienten in bestimmten Gebieten eingebunden. Im Gespräch war zuletzt, dass sie vom Dezember an im Bereich der GARD-Wachen in Langenhorn, Poppenbüttel, Lohbrügge, Barmbek, Rothenburgsort und Bahrenfeld regelhaft eingesetzt werden sollen.
Sorge vor Privatisierung
Bislang durfte die Firma nur dann etwa als Notfallretter auftreten, wenn sich Patienten aus dem Bereich Krankentransport plötzlich zu Notfällen entwickelten. Die GARD-Wagen sollen jedoch nicht direkt in das Funksystem der Feuerwehr eingebunden werden. Es gebe sowohl fachliches Misstrauen als die Sorge vor einer Privatisierung der Rettung, heißt es aus dem Umfeld der Wohlfahrtsverbände. Man habe „extreme Bauchschmerzen“.
Seit Jahren wird um die Verteilung der Rettungseinsätze gestritten. Wie das Abendblatt berichtete, kam es in Einzelfällen sogar zu Streitigkeiten zwischen Sanitätern von Trägern und Feuerwehr am Einsatzort darum, wer den jeweiligen Patienten transportieren durfte.
Die Krankenkassen erhoffen sich nun von der Neuordnung, dass Patienten im Notfall weniger lange auf die Retter warten müssen. Bislang werden dafür in Hamburg bei jedem dritten Einsatz – also in rund 70.000 Fällen jährlich – die selbs gesteckten Ziele verfehlt. „Wir sind mit der jetzt eingeschlagenen Strategie einverstanden, weitere Träger und weitere Standorte einzubinden, damit die Hilfsfrist öfter eingehalten werden kann“, sagt Stefanie Kreiss, Sprecherin des Verbands der Ersatzkassen in Hamburg (Vdek).
Feuerwehr wollte mehr Geld
Die Einbindung der anderen Träger kam dabei für die Feuerwehr nicht ganz freiwillig. Wie es aus Teilnehmerkreisen heißt, forderte die Feuerwehr in den jährlichen Verhandlungen mit den Krankenkassen zusätzliches Geld für weitere Rettungswagen – ihnen wurde jedoch signalisiert, dass zunächst auf die Kapazitäten der Wohlfahrtsorganisationen zurückgegriffen werden solle. Mit ihnen wurden nun zunächst Verträge über ein Jahr geschlossen. Die Vereinbarung mit GARD soll sogar über vier Jahre gelten – es ist auch die Laufzeit einer rechtlichen Zulassung für den Notfalldienst, die GARD erworben hat.
Auch bei der Behandlung von Patienten wird es künftig möglicherweise Unterschiede geben. Für die städtischen Rettungswagen und die Mitarbeiter anerkannter Hilfsorganisationen gibt der ärztliche Leiter der Feuerwehr weiterhin verbindlich vor, welche Befugnisse die Sanitäter im Einsatz haben – und welche Aufgaben einem Notarzt überlassen bleiben. Dabei sieht die Linie vor, dass auch den besser ausgebildeten Notfallsanitätern etwa Injektionen und das eigenständige Verabreichen bestimmter Medikamente verboten sind.
Notfallsanitäter mit mehr Befugnissen
Die Sanitäter von GARD können dagegen ihren eigenen Regeln folgen. Erst im September wurde den Mitarbeitern in einem neuen Richtlinienkatalog die Gabe von Notfallmedikamenten in bestimmten Fällen freigegeben, heißt es aus dem Unternehmen. Das wird auch bei einigen Beamten der Feuerwehr als Vorteil der Konkurrenz gesehen. „Es ist wichtig, dass Notfallsanitäter auch anwenden dürfen, was sie gelernt haben“, sagt Daniel Dahlke von der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft.
Mittelfristig könnte der Rettungsdienst jedoch noch einmal völlig neu aufgeteilt werden. Seit mehr als fünf Jahren wird in der Innenbehörde an einem neuen Rettungsdienstgesetz gearbeitet. „Es musste eine Interimslösung geben, weil es keine verlässlichen Rahmenbedingungen gibt“, heißt es in Feuerwehrkreisen. Parallel zu dem neuen Gesetz wird an einer Ausschreibung gearbeitet, die die Aufteilung des Rettungsdienstes in der Hansestadt dauerhaft regeln soll.