Hamburg. Neue, fest installierte Poller versperren Rettungswagen Zufahrt am Elbwanderweg. Helfer wurden über die Barriere nicht informiert.
Es geht um etwa 120 abgesperrte Meter. Wenige Meter, die einen Mann das Leben gekostet haben könnten. Denn eine Wandertour endete für einen 50-Jährigen am 3. Dezember tödlich. Behördenwirrwarr und unzureichende Informationen haben dazu geführt, dass die herbeigerufenen Helfer den Mann nicht zügig erreichen konnten. Ob er sonst noch leben würde? Das vermögen die Rettungskräfte nicht zu beurteilen. Aber klar ist: Im Notfall zählt jede Minute. Und in diesem Fall sind einige Minuten verstrichen.
Es ist Sonntagvormittag, als der 50 Jahre alte Mann von Wedel aus in Richtung Hauptbahnhof wandert. Er ist nicht allein. Eine sechsköpfige Gruppe hatte sich zum Training für den Hamburger Megamarsch im April verabredet. Ansonsten kannte man sich aber wenig. Kurz nach dem Anleger Teufelsbrück klagt der 50-Jährige über Kopfschmerzen und Schwindel. Auf einer Parkbank am Elbuferweg will er sich ausruhen, kollabiert aber, wie Augenzeugen berichten. Später können ihn Retter wiederbeleben. Im Krankenhaus verstirbt er jedoch.
Die Poller versperren den Weg
„Verdammt, wo bleibt bloß der Krankenwagen?“, fragte sich Klaus Germer damals. Er erinnert sich genau an den Tag, der ein bitteres Ende nahm. An dem er mit ansehen musste, wie es dem kollabierten Mann zusehends schlechter ging. An dem Hilfe lange auf sich warten ließ.
Das Problem: Die Bank, auf der der Mann kollabierte, steht hinter fest installierten Pollern am Hans-Leip-Ufer. Sie sollen verhindern, dass dort Fahrzeuge entlangfahren, die auf dem Wanderweg verboten sind. Grund ist die sanierungsbedürftige Kaimauer. An diesem Sonntag verhindern die Poller aber, dass ein Rettungswagen passieren kann.
Mehrmals hätten sie den Notruf gewählt, schwört Germer. „Wir haben exakt die Lage beschrieben.“ Trotzdem habe es etwa 30 Minuten gedauert, bis ein Notarztteam zu Fuß von Teufelsbrück aus kam. Nach weiteren 20 Minuten kamen zusätzliche Helfer mit Rolltrage und Beatmungsgerät – zu Fuß.
Poller sind nicht versenkbar
Die Feuerwehr als Träger des Rettungsdienstes bestätigt den abgesetzten Notruf. Von da an gerechnet habe es zwölf Minuten bis zum Eintreffen der Fahrzeuge an der Absperrung gedauert. Aussagen darüber, wie lange es danach dauerte, bis ein Retter bei dem Mann vor Ort war, kann die Feuerwehr nicht machen.
Nur so viel: „Das Suchen einer Zufahrt und das Laufen zur Einsatzstelle hat nach dem Eintreffen an der Absperrung mehrere Minuten in Anspruch genommen. Die konkrete Dauer ist nicht dokumentiert.“ Die Rettungswagen standen an der Elbchaussee, mehr als 300 Meter entfernt. Zwischen den Helfern und dem Mann in Not standen sechs vom Bezirksamt Altona installierte Poller – weder umklapp- noch versenkbar. Ein Fakt, der sich nicht bis zu den Rettern herumgesprochen hatte.
„Die Feuerwehr hat sofort nach diesem Vorfall ein Adressobjekt Wanderweg Hans-Leip-Ufer angelegt, damit bei künftigen Alarmierungen die derzeit eingeschränkte Anfahrt der Rettungsleitstelle und allen Einsatzkräften als Information zur Verfügung steht“, erklärt Sprecher Jan Ole Unger. Warum das nicht vorher passiert sei? Er verweist an das Bezirksamt Altona.
Es geht um Leben und Tod
Einen Informationsverteiler für rettungsrelevante Änderungen soll es laut Auskunft des Bezirksamts nicht geben. Das Amt verweist auf eine Mitteilung und Meldungen in den Medien. Über die Wegsperrung war die Feuerwehr nicht extra informiert worden, da es sich um keinen offiziellen Rettungsweg handelt. Warum das Bezirksamt fest installierte Poller wählte? „Herausnehmbare und abschließbare Poller wurden immer wieder Opfer von Vandalismus“, erklärt Martin Roehl, Sprecher des Bezirks.
Allerdings, sagt er, könne die Stelle von östlicher Seite angefahren werden. Die Retter müssten allerdings bis zur Kreuzung Elbchaussee/Halbmondsweg fahren, eine Schranke mit einem Feuerwehrschlüssel öffnen, den Övelgönner Hohlweg hinabfahren und vom Café Strandhaus auf dem viel frequentierten Wanderweg etwa 1,2 Kilometer bis zu der Stelle hinter sich bringen. „Hier muss man ein Hinweisschild aufstellen“, kritisiert ein Feuerwehrmann, der nicht namentlich genannt werden will. Zeuge Germer wird da deutlicher: „Es kann nicht wahr sein, dass es so lange dauert, bis Helfer vor Ort sind. Es geht um Leben und Tod.“
Streit zwischen den Ämtern
Der Anlass für die gesetzten Poller ist nach Abendblatt-Informationen ein Streit zwischen der städtischen Hamburg Port Authority (HPA) und dem Bezirksamt Altona über die Zuständigkeit und die Sanierungskosten der Kaimauer. Vor mehr als einem Jahr wurde ein Teil der Kaimauer mit einem Bauzaun abgesperrt. Sanierungsmaßnahmen, Gutachten oder einen Bauplan gibt es nicht. Nur Poller. „Wir bedauern den Vorfall“, sagt Martin Roehl. Wie sich solche Pannen künftig verhindern ließen, werde derzeit geklärt. Im Streit zwischen HPA und Bezirk soll die Finanzbehörde vermitteln.