Hamburg . Stadt hat verhindert, dass das Haus an der Hein-Hoyer-Straße an privaten Investor geht. Vier weitere Fälle werden geprüft.
Der Fall sorgte im vergangenen Jahr für Aufsehen: Eine Wohnung an der Wohlwillstraße auf St. Pauli hatte im März 2015 laut Anzeige bei ImmobilienScout 24 noch 11,40 Euro pro Quadratmeter gekostet. Zwei Jahre später betrug der Mietpreis für die 62 Quadratmeter große Unterkunft 1210 Euro. „19,52 Euro pro Quadratmeter für eine Dreizimmerwohnung auf St. Pauli – das schlägt dem Fass den Boden aus“, hieß es damals vom Verein „Mieter helfen Mietern“. Der Vermieter: die schwedische Akelius GmbH, der bereits rund 4000 Wohnungen in Hamburg gehören sollen.
Jetzt hat der Senat ganz in der Nähe der Wohlwillstraße einem möglichen ähnlichen Mietpreissprung einen Riegel vorgeschoben. Erstmals übt die Stadt bei dem Gebäude Hein-Hoyer-Straße 18–22 das Vorkaufsrecht aus, um die Mieter zu schützen. Der potenzielle Käufer des Altbaus mit 32 Wohneinheiten war nach Informationen des Abendblatts wiederum die Akelius GmbH. Möglich wird der staatliche Eingriff durch die Soziale Erhaltensverordnung, die für St. Pauli und für zehn weitere Quartiere wie St. Georg, die südliche Neustadt und die Sternschanze gilt. Ziel ist es, die Verdrängung der ansässigen Bevölkerung zu verhindern.
„Hoher Aufwertungs- und Verdrängungsdruck“
„Die Ausübung städtischer Vorkaufsrechte ist ein wichtiger Bestandteil unserer aktiven Grundstückspolitik. Die Stadt wird das Grundstück entsprechend den Zielen der Sozialen Erhaltensverordnung und der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten und bewirtschaften“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel.
„Die Übernahme des Grundstücks zeigt, wie wichtig uns der Schutz der Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung ist“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). Gerade in stark nachgefragten Quartieren wie St. Pauli herrsche nach wie vor ein „hoher Aufwertungs- und Verdrängungsdruck“.
Kommentar: Ein Signal gegen Verdrängung
Bei Grundstücksverkäufen prüfen die zuständigen Bezirksämter, ob ein zukünftiger Käufer bereit ist, die Regeln der Sozialen Erhaltensverordnung einzuhalten. Dabei geht es unter anderem um die Stabilität der Mieten für einen bestimmten Zeitraum oder die Verpflichtung, Mietwohnungen nicht in Eigentum umzuwandeln. Im Fall des Altbaus Hein-Hoyer-Straße 18–22 war die Akelius GmbH trotz intensiver Verhandlungen nach Behördenangaben nicht bereit, diese Verpflichtungen zu unterschreiben.
Kein billiges Unterfangen
Die Folge: Bei Ausübung des Vorkaufsrechts steigt die Stadt in den bestehenden Kaufvertrag als neuer Käufer ein, und der ursprüngliche Käufer hat das Nachsehen. Kein billiges Unterfangen: Nach Informationen des Abendblatts muss die Stadt für das Haus rund 5,5 Millionen Euro bezahlen, was in etwa dem ursprünglich vereinbarten Kaufpreis entspricht. Der potenzielle Käufer soll sich zurückgezogen und angekündigt haben, keine Rechtsmittel einzulegen. Die Akelius GmbH wollte sich auf Anfrage des Abendblatts nicht äußern.
„Ich freue mich, dass die Stadt auf Basis unserer bezirklichen Initiative und Bewertung erfolgreich das Vorkaufsrecht an der Hein-Hoyer-Straße ausgeübt hat“, sagte Mitte-Bezirksamtsleiter Falko Droßmann. Das sei ein „positives Signal“ für alle unter dem Schutz der Sozialen Erhaltensverordnung stehenden Gebiete Hamburgs.
„Endlich nutzt die Stadt das Instrument des Vorkaufsrechts. Wir begrüßen das ausdrücklich, weil damit Spekulanten und renditeorientierten Wohnungsunternehmen ein klares Zeichen gesetzt wird“, sagte Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg.
Vier weitere Fälle werden geprüft
Von einer guten Entscheidung der Stadt sprach Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). „Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist ein starkes Signal an alle Spekulanten, die Maximalprofite mit Wohnungen erwirtschaften wollen“, sagte Breitner. Die Botschaft „Verhaltet euch anständig, sonst greifen wir ein“ werde sicher verstanden. „Wer nicht hören will, muss fühlen“, so der VNW-Direktor.
„Grundeigentümer und Entwickler sollten sich bewusst sein, dass der Bezirk ein Auge darauf hat, dass die Ziele der Erhaltensverordnungen auch eingehalten werden“, sagte Michael Osterburg, Grünen-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte. „Die rot-grüne Koalition macht mit Ausübung des Vorkaufsrechts unmissverständlich deutlich, dass wir Wohnungsspekulanten oder unseriösen Käufern nicht den Vortritt lassen“, sagte Olaf Duge, Stadtentwicklungsexperte der Grünen-Bürgerschaftsfraktion.
„Wenn der Senat jetzt verstärkt alles unternimmt, um die Spekulanten und Miethaie aus den Stadtteilen herauszuhalten, ist das nur zu begrüßen“, sagte Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion.
Nach Abendblatt-Informationen werden derzeit bereits vier weitere Fälle von Grundstückskäufen im Bezirk Altona geprüft.